Interview mit Marc Hansen in fonction publique

„Ein leistungsstarker und gut funktionierender Staat ist unabdinglich"

Interview: fonction publique (Max Lemmer)

fonction publique: Herr Minister, bereitet Ihnen die Regierungsarbeit nach all den Jahren immer noch Freude?

Marc Hansen: Wenn ich morgens früh den Tag beginne, bin ich nach wie vor hoch motiviert und voller Tatendrang. Sich in den Dienst des Landes zu stellen, ist etwas Besonderes. Ständig wird man mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Die Lage ändert sich nahezu tagtäglich. Diese Aufgabe erfülle ich immer noch gerne.

fonction publique: Was war bei Ihnen der Auslöser, den Sprung in die Politik zu wagen?

Marc Hansen: Meine politische Laufbahn hat 2005 im Zuge der Kommunalwahlen auf lokaler Ebene begonnen. Heute wie damals bin ich der festen Überzeugung, dass es in unserem demokratischen System nur eine Option gibt, wenn man Dinge positiv verändern möchte: Man steigt in die Politik ein. Ich habe wenig Verständnis für Menschen, die - häufig auch noch unter Wahrung der Anonymität - kritische Kommentare abgeben und ein Umdenken fordern, ohne jedoch selbst bereit zu sein, sich in irgendeiner Form einzubringen.

fonction publique: Waren Sie erstaunt, als Sie 2074 gefragt wurden, als Nachfolger des zurückgetretenen Staatssekretärs André Bauler in die Regierung nachzurücken?

Marc Hansen: Natürlich ist man in dem Moment etwas überrascht. Politik aktiv mitzugestalten, ist ein edler Auftrag. Nach einiger Bedenkzeit hatte ich mich dazu bereit erklärt, mich dieser Herausforderung zu stellen. Mitglied der Exekutivgewalt zu sein, ist eine spannende Angelegenheit.

fonction publique: Hatten Sie bei der Neuauflage von Blau-Rot-Grün im Jahr 2018 den Wunsch geäußert, das Ministerium des öffentlichen Dienstes zu übernehmen, oder blieb Ihnen keine andere Wahl?

Marc Hansen: Meine Partei wollte das Ministerium des öffentlichen Dienstes übernehmen, da es sich unserer Ansicht nach um ein wichtiges Ressort handelt. Schon damals habe ich diesen Auftrag als eine interessante Herausforderung empfunden, insbesondere in der Kombination mit dem Ressort der Digitalisierung, das ich als delegierter Minister zusammen mit Premierminister Bettel leite. Es ist unmöglich, die Digitalisierung Luxemburgs voranzutreiben, wenn diejenigen, die im Dienst der Bürger und der Unternehmen stehen, im digitalen Bereich nicht gut aufgestellt sind.

fonction publique: Das Ministerium des öffentlichen Dienstes wurde Ihnen also damals auferlegt?

Marc Hansen: Nein.

fonction publique: Sie haben sich dafür beworben?

Marc Hansen: Die Regierungsbildung ist eine äußerst komplexe Angelegenheit. Die Koalitionsverhandlungen haben zu diesem Ergebnis geführt. Ich nehme die mir anvertraute Aufgabe gerne wahr.

fonction publique: Bevor Sie Ihre politische Laufbahn einschlugen, waren sie jahrelang in der Privatwirtschaft tätig. Hat sich Ihr Bild, das Sie damals vom Staatsdienst hatten, inzwischen verändert?

Marc Hansen: Nein, nicht sonderlich viel. Seit jeher bin ich der Meinung, dass ein leistungsstarker und gut funktionierender Staat unabdinglich ist. Dies gilt im Übrigen auch für die kommunalen Dienste. Das Bild, das ich vom Staatsdienst habe, hat sich in all den Jahren lediglich verfeinert: In meiner beruflichen Laufbahn habe ich zahlreiche sehr kompetente Staatsbedienstete kennengelernt, die ihren Beruf mit viel Motivation und großer Leidenschaft ausüben. Bereits zuvor konnte ich durch meine 20-jährige Erfahrungen im Privatsektor Eindrücke sammeln, was dort geleistet wird und welche Herausforderungen sich in diesem Bereich tagtäglich stellen. Es ist hilfreich, beide Seiten der Medaille zu kennen.

fonction publique: In einem satirischen Rückblick auf der Online-Plattform „Reporter.lu" wurden Sie als Minister bezeichnet, von dem niemand wisse, was Sie so treiben. Darauf angesprochen reagierten Sie in der RTL-Sendung „Background" gelassen. Eigenen Aussagen zufolge arbeiten Sie lieber in Ruhe, anstatt mit vermeintlichen Sensationsnachrichten den Fokus auf sich zu richten. Muss man daraus schließen, dass es Ihnen gleichgültig ist, ob die Wähler von Ihnen Notiz tragen oder nicht?

Marc Hansen: Es ist mir unwichtig, ob jemand behauptet, mich wahrzunehmen oder nicht. Die meisten, mit denen ich zusammenarbeite - das betrifft auch die CGFP - konnten sich davon überzeugen. Insofern trifft die Beschreibung von „Reporter.lu" zu. Jeden Tag auf der Matte zu stehen, um in der Öffentlichkeit angebliche „Scoops" in die Welt zu posaunen, das ist einfach nicht meine Art. Offen gestanden halte ich diese Herangehensweise für keinen guten Stil und bin überzeugt, dass man anders weitaus besser vorankommt.

fonction publique: Als Politiker behält man doch immer die Wähler im Hinterkopf oder blenden Sie diese völlig aus?

Marc Hansen: Oberste Priorität auf meiner Agenda ist es, sich in den Dienst des Landes zu stellen. In all den Jahren habe ich das immer so gehandhabt. Öffentliche Ankündigungen mache ich erst, wenn die Zeit reif dafür ist. Ich verzichte darauf, Aufsehen zu erregen, nur um den Fokus auf mich zu richten. Inhalte aus laufenden Verhandlungen gehören meines Erachtens nach nicht in die Öffentlichkeit.

fonction publique: Gilt dieser Ratschlag auch für manche ihrer Regierungskollegen?

Marc Hansen: Diese Empfehlung gilt für sehr viele Menschen.

fonction publique: Wie würden Sie Ihre Beziehungen zur CGFP beschreiben?

Marc Hansen: Zur CGFP pflege ich gute Beziehungen. Als Minister des öffentlichen Dienstes tausche ich mich regelmäßig mit ihr über bestehende Probleme aus. Natürlich haben wir des Öfteren unterschiedliche Ansichten. Jeder nimmt dabei seine spezifische Rolle wahr. Ab und zu kommen Kompromisse zustande. Ziel ist es, weiterhin einen funktionstüchtigen Staat zu gewährleisten.

fonction publique: Bei der Vorständekonferenz im Dezember 2021 warf die CGFP der Regierung eine gezielte Desinformationskampagne vor. Sie beschuldigte die Dreierkoalition, sich fälschlicherweise auf das Gehälterabkommen zu berufen, um keine sektoriellen Forderungen erfüllen zu müssen. Ein von der CGFP beauftragter Anwalt forderte die Regierung dazu auf, Stellung zu beziehen. Bislang ist nichts dergleichen erfolgt. Sie haben jetzt die Gelegenheit, das nachzuholen.

Marc Hansen: In Zeiten wie diesen den Vorwurf von einer „Desinformationskampagne" zu erheben, finde ich ein starkes Stück. Die Regierung betreibt keine Desinformationskampagne, weder in Bezug auf das Besoldungsabkommen noch bei anderen Themen. Wenn man ein Anliegen hat, das mich betrifft, sollte man zunächst das Gespräch mit mir aufsuchen. Was in der Öffentlichkeit behauptet wird, lässt mich relativ kalt.

fonction publique: Die Möglichkeiten, den Dialog aufzusuchen, waren damals längst erschöpft. Die CGFP hatte bereits zuvor mehrfach ihren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht.

Marc Hansen: Die CGFP-Spitze hat mich nie von Angesicht zu Angesicht mit dem Vorwurf einer Desinformationskampagne konfrontiert.

fonction publique: Nichts hätte Sie davon abgehalten, auf die legitimen sektoriellen Anliegen der CGFP-Fachverbände einzugehen. Warum wiesen Sie und andere Regierungsmitglieder stets fälschlicherweise auf das Gehälterabkommen hin, um diese Anliegen abzuschmettern?

Marc Hansen: Wo hat irgendwer sich auf was berufen? Wenn ich ein Anliegen habe, über das ich mit der CGFP diskutieren möchte, rede ich mit deren Präsident darüber.

fonction publique: Im April 2020 machten Sie im Zuge des CGFP-Erfolgs bei den Sozialwahlen gegenüber dem „Luxemburger Wort" folgende Aussage: „Das Verteilen des Kräfteverhältnisses auf gewerkschaftlicher Seite ist für mich nicht entscheidend. Ausschlaggebend ist das gemeinsame Ausarbeiten von konkreten Lösungen in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern." Spielt die nationale Repräsentativität der CGFP im öffentlichen Dienst und somit der Respekt des Wählerwillens bei den Sozialwahlen für Sie keine Rolle oder wie soll man Ihre Aussage deuten?

Marc Hansen: Ich stehe nach wie vor zu meiner Aussage. Die beauftragte Gewerkschaft ist mein Ansprechpartner, wenn es um relevante Themen geht. In diesem Fall handelt es sich dabei um die CGFP. Wäre es eine andere Gewerkschaft, würde ich mich an diese wenden.

fonction publique: Seit Jahrzehnten fährt die CGFP haushohe Siege bei den Berufskammerwahlen im öffentlichen Dienst ein. Folglich ist Sie der einzige Ansprechpartner bei Verhandlungen, die den Staatsdienst betreffen. Teilen Sie diese Ansicht?

Marc Hansen: Ich verhandele mit verschiedenen Gewerkschaften, da es unterschiedliche Verhandlungspartner gibt. Meines Wissens nach vertritt die CGFP z.B. nicht die Staatsarbeiter, sodass ich den diesbezüglichen Kollektivvertrag mit anderen Partnern aushandele. Als Minister des öffentlichen Dienstes trete ich für alle Bediensteten ein.

fonction publique: Die Frage war auf das allgemeine Interesse der Staatsbediensteten gemünzt, wie z.B. das Gehälterabkommen.

Marc Hansen: Mit wem habe ich denn das jüngste Besoldungsabkommen ausgehandelt?

fonction publique: Mit der CGFP. Gilt das auch mit Blick auf die Zukunft?

Marc Hansen: In meiner Eigenschaft als Beamtenminister habe ich ein Gehälterabkommen mit der CGFP unterschrieben. Zudem habe ich mit ihr eine Vereinbarung über die unteren Laufbahnen beim Staat getroffen. Deshalb halte ich diese Frage für unberechtigt.

fonction publique: Beim letzten Gehälterabkommen nahm die CGFP erneut eine vernünftige Haltung ein: Angesichts der vielen Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Corona-Krise verzichtete sie auf Gehaltsforderungen. Wissen Sie, wann die letzte lineare Erhöhung im Staatsdienst erfolgte?

Marc Hansen: Nicht in den Jahren, in denen ich dieses Ressort geleitet habe.

fonction publique: 2023 werden es fünf Jahre her sein. Ist da eine finanzielle Aufwertung nicht sowieso längst überfällig?

Marc Hansen: Die Diskussionen über das künftige Gehälterabkommen führe ich mit den Vertretern der CGFP-Exekutive. Das ist so klar„wéi Bouletteszopp."

fonction publique: Zeichnen Sie mit Blick auf das nächste Gehälterabkommen rote Linien auf?

Marc Hansen: Das aktuelle Abkommen, das die Regierung und die CGFP ausgehandelt haben, wird mindestens bis zum Jahresende gültig sein. Derzeit besteht also absolut kein Bedarf, dieses Thema anzugehen.

fonction publique: Die Bediensteten möchten in diesen unsicheren Zeiten bestimmt erfahren, was sie erwartet?

Marc Hansen: Sie wissen, was sie bis Dezember 2022 erwartet. Alles andere wird man sehen. Ich habe nicht einmal damit begonnen, mit jemandem über die Gestaltung der künftigen Verhandlungen zu reden. Warum auch? Die Laufzeit des geltenden Abkommens gilt mindestens noch sieben Monate.

fonction publique: Im März einigte sich die Regierung mit der CGFP, dem LCGB und der UEL im Rahmen der Tripartite auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket, mit dem u.a. die Kaufkraft der Bürger, zumindest teilweise, abgesichert wird. Wie bewerten Sie dieses Abkommen?

Marc Hansen: Die Tripartite-Teilnehmer haben in einer außergewöhnlich schwierigen Lage die Köpfe zusammengesteckt. Dabei wurde eine ausführliche Bestandsaufnahme der aktuellen Situation durchgeführt. Die Dreiergespräche wurden auf eine vernünftige und offene Art und Weise geführt. Am Ende eines relativ langen und intensiven Verhandlungsprozesses wurde sich auf ein gutes, ausgewogenes Abkommen geeinigt, das genau jene Bürger unterstützt, die derzeit am meisten Hilfe benötigen. Die Vereinbarung trifft bei vielen auf Zustimmung, u.a. auch bei der CGFP, was ich zu schätzen weiß. Das Verhandlungsergebnis hat gezeigt, dass das Luxemburger Sozialmodell funktioniert.

fonction publique: Eine der drei Gewerkschaften weigerte sich, dem Tripartite-Abkommen grünes Licht zu erteilen. Haben Sie für diese Haltung Verständnis?

Marc Hansen: Auf der Tripartite wurde eine Einigung erzielt. Das ist von vorrangigem Interesse. Jetzt gilt es, das unterzeichnete Abkommen zügig umzusetzen. Daran haben sich alle Vertragspartner zu halten. Alles andere ist„moutarde après dîner".

fonction publique: Im Koalitionsprogramm hatte sich die Regierung darauf verständigt, den Index nicht anzutasten. Im Dezember vergangenen Jahres wiederholte Premier Bettel, dass der Index keineswegs infrage gestellt werde. Anfang März stand der Index plötzlich trotzdem auf der Agenda. Wie lässt sich diese 180-Grad-Kehrtwende der Regierung erklären? Wurde der vom Patronat ausgeübte Druck auf einmal doch zu stark?

Marc Hansen: Diese Diskussion kommt etwas zu spät. Dem Patronat jetzt Schuldzuweisungen zu machen, halte ich für unangebracht. Was die Regierung betrifft, weise ich darauf hin, dass sich die Corona-Krise damals bei der Erstellung des Koalitionsabkommens noch nicht abzeichnete. Unvorhersehbar war auch der Krieg in der Ukraine.

fonction publique: Was ist, wenn sich im Laufe der Zeit herausstellen sollte, dass das mehr als 800 Millionen Euro schwere Maßnahmenpaket nicht ausreicht, um der Inflation wirksam entgegenzusteuern? Wäre die Regierung gewillt, nachzubessern?

Marc Hansen: Im besagten Abkommen haben sich die Partner darauf geeinigt, dass eine weitere Tripartite einberufen wird, falls sich die Lage verschlimmern sollte. Was danach passieren wird, ist Bestandteil der Verhandlungen.

fonction publique: Vor dem Ukraine-Krieg hatte uns die Pandemie in Atem gehalten. Der Staatsdienst meisterte diese Krise gut und erhielt das öffentliche Leben aufrecht. Nur bei der Wertschätzung gegenüber den Agenten hapert es noch, finden Sie nicht auch?

Marc Hansen: (überlegt) Woran machen wir die Wertschätzung denn fest?

fonction publique: In Deutschland z.B. wurde rund einer Million öffentlich Bediensteten ein steuerfreier Corona-Bonus gewährt...

Marc Hansen:... Sollen wir jetzt etwa damit beginnen, Luxemburg und Deutschland miteinander zu vergleichen? Ich halte das für einen falschen Ansatz.

fonction publique: Sie hatten die Frage aufgeworfen, woran man die Wertschätzung festlegen kann. Daraufhin nannte ich Ihnen ein Beispiel. Auch Frankreich, das finanziell deutlich weniger gut aufgestellt ist als Luxemburg, führte eine Corona-Prämie für die Staatsbediensteten ein. Warum wurde das hierzulande nicht in Erwägung gezogen?

Marc Hansen: So weit ich mich erinnere, hatte die CGFP eine solche Forderung erhoben, bevor sie diese wieder zurückzog.

fonction publique: Die CGFP hatte mehrmals eine Corona-Prämie ins Gespräch gebracht. Es war eine von vielen Überlegungen, die damals geführt wurden. Sie verzichtete jedoch danach nie ausdrücklich darauf.

Marc Hansen: Ich verweise Sie in diesem Zusammenhang auf ein Interview, das CGFP-Nationalpräsident Romain Wolff dem Radio 100,7 gestattet hatte, in dem Abstand von einer Forderung nach einer Corona-Prämie genommen wurde.

* (Anmerkung der Redaktion: Als „Invité vum Dag" bestätigte Romain Wolff am 16. Dezember 2020, dass sich die CGFP dafür ausgesprochen hatte, jenen Staatsbediensteten, die während der Pandemie Außergewöhnliches geleistet haben (CGDIS, Polizei...), auf irgendeine Art und Weise, z.B. mit einer Prämie oder einem zusätzlichen Urlaubstag, entgegenzukommen. Dieser Vorschlag sei damals jedoch sofort vom zuständigen Minister verworfen worden, so Wolff. Zugleich hatte der CGFP-Nationalpräsident betont, dass die Prämie zu jenem Zeitpunkt keine oberste Priorität darstelle. Seine damalige Aussage schloss jedoch keineswegs aus, dass dieses Anliegen zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der Höhepunkt der Krise überschritten sei, wieder auf die Agenda rücken könne. Zu einem entsprechenden Gespräch ist es im Übrigen bis heute nicht gekommen.)

fonction publique: Niemand hätte die Regierung daran gehindert, sich mit einer Corona-Prämie gegenüber den Bediensteten erkenntlich zu zeigen. Luxemburg hätte sich, wie so oft zuvor während der Pandemie, ein Beispiel an den Beschlüssen seiner Nachbarländer nehmen können.

Marc Hansen: Sowohl der Staat als auch die Privatwirtschaft haben während der Pandemie gute Arbeit geleistet....

fonction publique: ...Die CGFP hat nie das Gegenteil behauptet....

Marc Hansen:... Neben der Pandemie gibt es andere Krisen, in denen Staatsbedienstete wertvolle Dienste für ihr Gehalt leisten. Dies gilt ebenso für den Privatsektor. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft mussten jedoch die Beschäftigten beim Staat keine finanziellen Einbußen hinnehmen. Die Gehälter wurden stets ausbezahlt.

fonction publique: Ihre Darstellung trifft aber auch auf jene Länder zu, die im öffentlichen Dienst eine Corona-Prämie bei vollem Lohn ausgezahlt haben.

Marc Hansen: Ich gestalte Politik in Luxemburg. Obwohl hierzulande in manchen Kreisen die Forderung gestellt wurde, auch die Staatsbediensteten müssten finanziell kürzertreten, hat die Regierung diesem Verlangen keine Folge geleistet. Was in Deutschland oder in Frankreich geschieht, will ich nicht kommentieren, denn das würde bedeuten, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die ganze Angelegenheit ist äußerst komplex und facettenreich - auch im Staatsdienst.

fonction publique: Die Corona-Krise hat die Arbeitsweise nachhaltig stark verändert. Wie viele Bedienstete machen derzeit jede Woche vom Homeoffice Gebrauch?

Marc Hansen: Diese Zahl liegt mir nicht vor. Die Situation wird je nach Verwaltung unterschiedlich gehandhabt.

fonction publique: Gibt es diesbezüglich keine Datenbank?

Marc Hansen: Nein.

fonction publique: Warum eigentlich nicht?

Marc Hansen: Diese Daten werden seit Jahrzehnten beim Staat nicht zentral erfasst. Wir sind jedoch dabei, erste Tools zu entwickeln, um Abhilfe zu schaffen.

fonction publique: Die CGFP und die Regierung sind dabei einen neuen Rahmen zu schaffen, der die künftige Regelung der Telearbeit festlegt. Patchwork-Familien bringen mit sich, dass Staatsbedienstete zunehmend an mehreren Wohnorten leben. Die CGFP fordert deshalb, dass die Beschäftigten von verschiedenen Wohnorten aus mobil arbeiten dürfen. Sind Sie bereit, mit auf diesen Weg zu gehen?

Marc Hansen: Im Gegensatz zur CGFP diskutiere ich nicht im PR-Presseorgan der CGFP über den künftigen Rahmen der Telearbeit.

fonction publique: Die Staatsbediensteten möchten jedoch Klarheit haben.

Marc Hansen: In einer ersten Phase habe ich Vorschläge zur künftigen Homeoffice-Regelung unterbreitet. Ich hätte es für angebracht gehalten, als Gewerkschaft zunächst den Dialog mit dem Minister aufzusuchen, bevor sie damit in die Öffentlichkeit geht.

fonction publique: Bevor die CGFP ihren Standpunkt in „fonction publique" darlegte, hatten Sie das entsprechende Dokument zugeschickt bekommen.

Marc Hansen: Das halte ich nicht für den richtigen Weg. Man verfasst keinen Brief, in dem es heißt „ein Thema, das wir bei unserem künftigen Austausch diskutieren sollten" und macht dann das Ganze sofort öffentlich. ich habe meine Vorschläge auch unter Verdeck gehalten.

fonction publique: Beim Homeoffice gibt es noch viel Klärungsbedarf in Bezug auf die Grenzgänger, u.a. was die Steuergesetzgebung und die Sozialversicherung anbelangt. Werden derzeit Gespräche mit den Nachbarstaaten geführt, um auch im öffentlichen Dienst eine dauerhafte Lösung zu finden? Zurzeit hangeln wir uns mit Sondergenehmigungen von einer Frist zur anderen durch.

Marc Hansen: Diese Verhandlungen fallen in den Kompetenzenbereich des Finanz- und Sozialversicherungsministers.

fonction publique: Sie sitzen doch auch im Ministerrat. Besteht in Regierungskreisen zumindest der Wille, eine dauerhafte Lösung zu finden?

Marc Hansen: Mein Prinzip besteht darin, dass ich nicht über Verhandlungen berichte, die meine Regierungskollegen womöglich mit ausländischen Behörden führen. Ich wäre auch nicht froh darüber, wenn sich ein Regierungskollege zu Dossiers äußern würde, die mich betreffen.

fonction publique: Die CGFP fordert nach wie vor die Abschaffung des umstrittenen Bewertungssystems im öffentlichen Dienst. Dieses Konzept mag in einer rein profitorientierten Privatwirtschaft Sinn ergeben, nicht jedoch im Staatsdienst, der universelle Dienstleistungen gewährleisten muss, heißt es seitens der CGFP. Warum hält die Regierung dennoch weiterhin daran fest?

Marc Hansen: Wenn ich mich nicht irre, wurde das Bewertungssystem mit dem Einverständnis der CGFP eingeführt....

fonction publique:... Die CGFP hatte damals zähneknirschend ihre Zustimmung dafür gegeben, um weitaus schlimmere Maßnahmen zu verhindern. Aufgrund der in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungswerte bleibt die CGFP jedoch der festen Überzeugung, dass das Bewertungssystem im öffentlichen Dienst sinnlos ist.

Marc Hansen: Was bitte schön soll dabei denn so dramatisch sein?

fonction publique: Nochmals, warum klammert sich die Regierung am Bewertungssystem fest?

Marc Hansen: Im Gegensatz zur CGFP habe ich herzlich wenig negatives Feedback zum Bewertungssystem erhalten.

fonction publique: Die ganze Vorgehensweise strotzt vor Intransparenz...

Marc Hansen: Das Bewertungsgespräch mit dem Vorgesetzten verläuft nicht im stillen Kämmerlein. Jeder Staatsbedienstete darf von einer Person seiner Wahl begleitet werden. Anschließend bekommt die betreffende Person ein Bewertungsschreiben zugeschickt und kann schriftlich dazu Stellung beziehen. Der Bedienstete kann die Benotung anfechten und Einspruch dagegen erheben. Wo ist da der Mangel an Transparenz? Außerdem zieht eine schlechte Bewertung beim Staat - im Gegensatz zum Privatsektor - keine harten Sanktionen, wie z.B. finanzielle Einbußen, nach sich. Ein formelles Gespräch über den Arbeitsprozess schadet niemandem - auch nicht im Staatsdienst. Ich sehe nicht, wo das Problem liegt.

fonction publique: Der CGFP-Vorwurf mangelnder Transparenz bezieht sich nicht so sehr auf den Ablauf des Evaluierungsgesprächs. Vielmehr geht es darum, dass die CGFP eine Aufschlüsselung aller erfolgten Bewertungen gefordert hat (Note 1 bis Note 4). Dieses Zahlenmaterial ist nicht zugänglich. Ohne diese Daten ist es jedoch schwierig, eine verlässliche Analyse durchzuführen.

Marc Hansen: Im Gehälterabkommen haben die Regierung und die CGFP vereinbart, das Bewertungssystem einer kritischen Analyse zu unterziehen, um anschließend die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Von einer Abschaffung war nie die Rede. Wichtig ist es, unvoreingenommen in diese Gespräche zu gehen. Wenn die Gegenseite jedoch von vorneherein nur darauf aus ist, das ganze System abzuschaffen, macht mich das sprachlos.

fonction publique: Werden Sie bei der Aufschlüsselung der Bewertungen Transparenz walten lassen?

Marc Hansen: Falls das in der kritischen Analyse einer jener Punkte ist....

fonction publique: Die CGFP hat ausdrücklich darum gebeten?

Marc Hansen: Das kann ich nicht beurteilen, denn ich war - wie zu Beginn abgemacht - nicht in der Arbeitsgruppe anwesend. Ich kann jedoch gerne daran teilnehmen, falls das weiterhelfen sollte.

fonction publique: Werden Sie die Zahlen auf den Tisch legen oder nicht?

Marc Hansen: Wenn dies das Ergebnis jenes gemeinsamen Nenners ist, wie eine kritische Analyse durchgeführt werden soll (kurze Denkpause) ... dieser Nenner scheint allerdings noch nicht gefunden worden zu sein. Um die Zahlen zugänglich zu machen, müsste zuvor ein Fragebogen ausgearbeitet werden. Auch diese Daten sind bislang nicht zentral erfasst worden.

fonction publique: Als Sie das Ministerium des öffentlichen Dienstes übernahmen, hatten Sie sich vorgenommen, den Staat attraktiver zu gestalten und besser nach außen hin darzustellen, um neue Talente einzustellen. Mission accomplie?

Marc Hansen: Nachdem uns die Pandemie zwei Jahre lang alles abverlangte, haben wir, wie Sie wissen, im Mai eine neue Branding-Kampagne- gestartet. Diese beschränkt sich nicht auf einen Kurzfilm. Nein, die Kampagne wird u.a. massiv in den sozialen Medien gestreut. Das Projekt wurde ausschließlich von Staatsbediensteten verwirklicht, die sich alle freiwillig dazu bereit erklärt haben, mitzumachen. Auf Statisten wollten wir gänzlich verzichten.

fonction publique: Lässt sich das Ziel der Kampagne quantifizieren?

Marc Hansen: Die Kampagne zielt darauf ab, den Staat mit all seinen attraktiven und vielfältigen Laufbahnen in den Mittelpunkt zu stellen. Das wird nicht jedem gefallen. Der Staat muss jedoch zu solchen Mitteln greifen, um sich die üblichen Klischees loszuwerden, die immer noch in den Köpfen vieler Menschen schwirren.

fonction publique: Als delegierter Minister sind Sie darum bemüht, den digitalen Wandel und die administrative Vereinfachung voranzutreiben. Damit niemand bei der Digitalisierung den Anschluss verpasst, hatte Ihr Ministerium 40 Initiativen angekündigt. Was wurde davon inzwischen umgesetzt?

Marc Hansen: Der „Plan national d'inclusion numérique" hat in der Tat konkrete Formen angenommen. So wurde z.B. eine digitale Akademie eingerichtet, die Staatsbedienstete in Bezug auf digitale Inhalte ausbildet. Ferner bietet die Erwachsenenbildung Kurse für viele Akteure an: Unter anderem erhalten die Amiperas und die Jugendhäuser eine Ausbildung. Ziel ist es, die Teilnehmer fit für das digitale Zeitalter zu machen. Weitere Initiativen werden folgen.

fonction publique: Infolge des Kriegsausbruchs in der Ukraine ist die Gefahr von Cyberangriffen noch größer geworden. Wie gut ist Luxemburg gerüstet, um derartige mögliche Attacken erfolgreich abzuwehren?

Marc Hansen: In diesem Bereich sind Zwischenfälle leider nie ganz auszuschließen. Mehrere staatliche Einrichtungen, wie z.B. das „Haut Commissariat à la Protection Nationale", sind diesbezüglich stets auf der Hut und machen regelmäßig Monitorings.

fonction publique: Neulich rief Ihr Ministerium via die sozialen Medien die Bürger dazu auf, im Rahmen einer partizipativen Plattform ihren Beitrag zur administrativen Vereinfachung zu leisten. Die CGFP wurde dabei nicht eingebunden. Warum?

Marc Hansen: (Denkpause, gefolgt von einem Lächeln) Ich führe einen regen Austausch mit der CGFP. Wenn diese den Wunsch äußern sollte, mit mir dieses Thema anzugehen, dann tue ich das gerne. Die CGFP hat allerdings bislang noch nicht einen solchen Antrag gestellt.

fonction publique: Nichts spricht dagegen, als Minister Eigeninitiative zu übernehmen und auf die CGFP zuzugehen.

Marc Hansen: Das haben wir oft gemacht....

fonction publique: Auch in Bezug auf die „simplification administrative"?

Marc Hansen: Nein, aber in anderen Bereichen.

fonction publique: Sie wirken bei öffentlichen Auftritten sehr gefasst, frei von Emotionen. Was bringt Sie aus der Ruhe?

Marc Hansen: Nicht viel!

fonction publique: Können Sie das näher erläutern?

Marc Hansen: (lacht) Wenn ich das verraten würde, wüsste jeder, wie man mich aus der Reserve lockt. Das behalte ich für mich.

fonction publique: Sind sie bereit, 2023 erneut bei den Parlamentswahlen zu kandidieren, vorausgesetzt natürlich Ihre Partei würde Sie darum bitten?

Marc Hansen: Bis zu den Wahlen im kommenden Jahr wird noch viel Zeit verstreichen. Wie ich anfangs dieses Gesprächs betonte, bin ich weiterhin top motiviert und mache gerne Politik.

fonction publique: Kann man das als ein „Ja" für eine erneute Kandidatur deuten?

Marc Hansen: Wie Sie das auslegen, ist Ihre Sache. Ob meine Motivation zum gegebenen Zeitpunkt noch immer die gleiche ist, kann ich auch nicht mit letzter Sicherheit vorhersagen: Das Leben ist voller Überraschungen.

fonction publique: Angenommen, die DP würde bei den Nationalwahlen erneut den Sprung in die Regierung schaffen, würde es Sie reizen, das Ministerium des öffentlichen Dienstes wieder für fünf weitere Jahre zu übernehmen?

Marc Hansen: Lust dazu hätte ich allemal, aber da spielen noch zahlreiche andere Faktoren eine Rolle. Nur so viel: Die Arbeit im Ministerium des öffentlichen Dienstes mache ich gerne. Gleiches galt auch für alle anderen Ressorts, die ich zuvor geleitet habe.

fonction publique: Ihre Partei hat turbulente Zeiten durchlebt (Plagiatsvorwürfe gegen den Premierminister, Kritik am Corona-Krisenmanagement der Familienministerin, der unerwartete Rücktritt von Finanzminister Gramegna...). Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Wähler das Ganze bis zum Wahltermin vergessen hat?

Marc Hansen: Umfragen haben ergeben, dass die Bürger trotz Krisenzeiten ganz zufrieden mit der Politik der Regierung sind. Deshalb sollte man manchen Geschehnissen nicht allzu sehr Bedeutung schenken. Am Wahltag werden die Wähler(innen) die Regierungsarbeit der vergangenen fünf Jahre bewerten. Jetzt schon, wo nicht einmal die Wahlprogramme der Parteien vorliegen, Schlüsse ziehen zu wollen, halte ich für verfrüht. Angesichts des Vertrauens, das die Bürger Umfragen zufolge in die Regierung und insbesondere in Premierminister Bettel haben, bin ich äußerst zuversichtlich, dass meine Partei bei den kommenden Wahlen hervorragende Ergebnisse einfahren wird.

fonction publique: Haben Sie bereits Pläne für die Zeit nach ihrer politischen Laufbahn?

Marc Hansen: Nein, definitiv nicht. Zurzeit stehe ich jeden Tag im Dienst des Landes. Da wäre es unangemessen, bereits Pläne zu schmieden, was ich im Jahr 2035 in Angriff nehmen werde.

fonction publique: Auch ein Minister hat ein Recht auf Privatsphäre. Erlauben Sie mir trotzdem diese Frage: Wie darf man sich Marc Hansen zu Hause in der Freizeit als Privatmensch vorstellen?

Marc Hansen: Gar nicht! Der Privatmensch Marc Hansen ist eine private Angelegenheit, die ich nur mit sehr wenigen Menschen teile.

fonction publique: Vielen Dank für das Gespräch!

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