Discours de Jean Asselborn à l’académie internationale d’été de l’ÖSFK à Vienne

"Diplomatie muss im Interesse unserer Kinder das Hauptwerkzeug jeder Aussenpolitik bleiben"

©(c) MAEE, MAEE jean Asselborn lors de son discours, Jean Asselborn lors de son discours
jean Asselborn lors de son discours, Jean Asselborn lors de son discours
jean Asselborn lors de son discours

Herr Bundespräsident,

Herr Landesrat,

Herr Präsident des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung,

Meine Damen und Herren,

Es ist mir eine Große Ehre und Freude, heute Abend beim Auftakt Ihrer 31. Sommerakademie dabei sein zu dürfen.

Sie befassen sich diese Woche mit einer sehr dringlichen Frage: wann darf und wann soll die internationale Gemeinschaft zur Gewalt greifen, um Frieden durchzusetzen?

Ich spreche zu Ihnen als Außenminister eines kleinen Landes in der Mitte Europas, das gegenwärtig zum ersten Mal in seiner Geschichte einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen innehat. Luxemburg ist deswegen in diesen Monaten regelmäßig noch unmittelbarer als sonst mit dieser schwierigen Frage in der Umsetzung der Schutzverantwortung konfrontiert.

Dass wir es uns nicht leicht mit dieser Frage machen hat auch historische Gründe. Luxemburg ist im Laufe seiner jahrhundertelangen Geschichte wiederholt von größeren und stärkeren Staaten überrannt worden. Nachdem Luxemburg 1839 seine Unabhängigkeit von den Niederlanden erzielt hatte, erhielt es 1867 im Londoner Vertrag den Status eines “auf ewig neutralen und unbewaffneten Staates”. Diese Neutralität hat uns wenig genutzt. Zu Beginn des Ersten sowie des Zweiten Weltkrieges marschierte die deutsche Armee in Luxemburg ein und besetzte das Land. Deswegen hat Luxemburg nach dem Zweiten Weltkrieg seine strikte Neutralität aufgegeben und sich aktiv auf internationaler Ebene eingebracht in sämtliche neugegründeten multilateralen Organisationen, allen voran die Vereinten Nationen, die NATO, der Europarat und die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Unsere Mütter und Väter wussten, dass Luxemburg, das im Laufe seiner Geschichte immer wieder an Territorium eingebüßt hatte, als souveräner Staat nur überleben kann wenn alle seine Nachbarn sich einer übergeordneten internationalen Rechtsordnung unterwerfen.

Dieser verbindliche Rahmen des Völkerrechts ist uns weiterhin sehr wichtig. Die Luxemburger Außenpolitik ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verankert in der Überzeugung, dass die multilaterale Zusammenarbeit zwischen souveränen und gleichgestellten Staaten nur funktionieren kann im Rahmen internationaler Rechtsregeln, die alle Staaten gleichsam respektieren.

Meine Damen und Herren,

In ein paar Tagen, am 31. Juli, werde ich zehn Jahre im Amt sein. Im Juli 2004, als ich Außenminister wurde, war die Invasion des Iraks noch in allen Köpfen und in aller Munde. Luxemburg hatte sich damals gemeinsam mit seinen Nachbarn–Belgien, Deutschland und Frankreich–gegen eine unserer Meinung nach völkerrechtswidrige Invasion ausgesprochen; eine Entscheidung die die Mitglieder der damaligen „Coalition oft the Willing“, gelinde gesagt, nicht nachvollziehen konnten und wollten. Ich habe selbst damals als Abgeordneter die Regierung sehr früh dazu aufgerufen, dem Druck nicht nachzugeben. Als ich ein Jahr später das Ruder im Außenministerium übernahm, fand ich mich also selbstverständlich wieder in der Ablehnung eines Eingreifens im Irak ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates.

Ein Jahr später, 2005, wurde die Schutzverantwortung, die “Responsibility to Protect”, in die Erklärung des Gipfels der Staats-und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der UNO festgeschrieben. Die Schutzverantwortung beschreibt die Souveränität der Staaten als Verantwortung: sie ist die Pflicht des Einzelstaates, das Wohlergehen seiner Bürger zu gewährleisten. Die internationale Gemeinschaft unterstützt ihn dabei. Wenn jedoch ein Staat nicht fähig oder nicht willens ist, seine Bürger vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen, darf mit Gewalt eingegriffen werden. Die internationale Staatengemeinschaft, allen voran die UNO, kann dies entscheiden zum Schutz der bedrohten Bevölkerung, mit zivilen undmilitärischen Mitteln über deren Einsatz allein der Sicherheitsrat statuiert.  Massenmord, ethnische Säuberung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie sie in Rwanda oder Srebrenica geschehen waren, sollten nie wieder vorkommen!

Seither sind wir, besonders in Europa und in der westlichen Welt, hin und her gerissen und der Sicherheitsrat ist verständlicherweise sehr zögerlich wenn es darum geht, diesen dritten Pfeiler der Schutzverantwortung umzusetzen. Seit 2005, und verstärkt nach 2011,hat der Sicherheitsrat sich sehr wohl in 24 Resolutionen auf die Schutzverantwortung berufen, in den allermeisten Fällen auf die Verantwortung jedes Mitgliedsstaates, seine Bevölkerung zu schützen. Das Konzept hat sich also durchgesetzt, doch Mandate zum Eingreifen bleiben die Ausnahme. Warum?

Weil wir uns an erster Stelle schwer tun mit der Aufarbeitung späteren Eingreifens, allen voran natürlich der Irak-Invasion. Der aktuelle Vormarsch der ISIS-Milizen, der die Grenze zwischen Irak und Syrien zu sprengen droht und schwere Folgen für die ganze Region haben könnte, ist auch eine Konsequenz einer Serie von ungenügend durchdachten Entwicklungen und Entscheidungen, die nach dem Fall Saddam Husseins im Irak getroffen worden sind. So wurde es versäumt den Irak auf einen wahrhaft pluralistischen Kurs zu bringen. Wahlen alleine, und es gibt andere Beispiele, wie Ägypten, sind keine Garantie für die Entstehung eines Rechtsstaates. Die gegenwärtigen Entwicklungen im Irak stellen so auch die Frage, ob wir als internationale Gemeinschaft der Pflicht des Wiederaufbausund der Friedenskonsolidierung wirklich gewachsen sind.

In Afghanistan hat der Abzug der internationalen Truppen begonnen. Ab 2015, wird die internationale Gemeinschaft nur noch in beratender Funktion präsent sein wird. Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl konnte man noch optimistisch sein und hoffen, dass Afghanistan, es bald schaffen würde, auf eigenen Füssen zu stehen, nach Jahren des Quasi-Protektorats. Heute muss man befürchten dass Afghanistan das Potential hat, zum zweiten Irak zu werden. Allen Gefahren zum Trotz haben die Afghanen in zwei Runden gewählt, doch nun scheint alles in Gefahr. Die zweite Wahlrunde ist von massiven Wahlbetrugsklagen überschattet, und die Afghanen verlieren das Vertrauen in die Demokratie. Zu allem Überfluss muss man sich fragen, wie groß das Risiko ist, dass die die Taliban wieder erstarken und eine zusätzliche Gefahr darstellen. Riskiert Afghanistan wieder in die Gewalt abzurutschen oder gar zu zerfallen? Die ganze Region würde darunter leiden.

Die NATO-Operation in Libyen2011 war ihrerseits vom Sicherheitsrat autorisiert, in Resolution 1973, doch es kamen schnell Fragen über die Umsetzung des Mandates zum Schutz der Zivilbevölkerung auf. Es waren dramatische Momente im Sicherheitsrat, die zu der Annahme dieses Mandates geführt hatten. Der Vertreter Libyens bei den Vereinten Nationen, der stellvertretende Botschafter, der sich sehr früh zur Opposition bekannt hatte und dessen Chef sich aus dem Staub gemacht hatte, flehte den Sicherheitsrat in mehreren öffentlichen Sitzungen auf dringlichste Weise an, dem libyschen Volk zur Hilfe zu eilen. Die arabische Liga hatte sich ebenfalls an den Sicherheitsrat gewandt und ein Eingreifen gefordert. Muammar Gaddafi hatte angekündigt, er würde die Aufständischen ausmerzen und bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, ohne Rücksicht auf Verluste in der Zivilbevölkerung. Der Sicherheitsrat verabschiedete, mit vier Enthaltungen, ohne Veto also, eine Resolution zur Verhinderung schwerer völkerrechtlicher Verbrechen, und er handelte in der gegebenen Situation meiner Meinung nach richtig. Ich bleibe weiterhin davon überzeugt, dass die NATO-Operation ohne jeden Zweifel unzählige Menschenleben gerettet hat. Das Eingreifen endete mit dem Sturz des Diktators Muammar Gaddafi, dem in weiten Teilen Afrikas sicher niemand auch nur eine Träne nachgeweint hat. Das Mandat des Sicherheitsrates sah den Sturz des Tyrannen nicht vor und ich bin überzeugt, dass es für den Zusammenhalt des neuen Libyens besser gewesen wäre, wenn dem Diktator der Prozess gemacht worden wäre. Dies ändert aber für mich nichts an der Legitimität des Eingreifens zum Schutz der Bevölkerung, unter Sicherheitsratsmandat.

Unter den Staaten des Arabischen Frühlings hat Libyen die bisher wohl tiefsten Umwälzungen erfahren. Seit dem Bürgerkrieg 2011 und dem Sturz des Diktators ist es keiner libyschen Regierung gelungen, sich im gesamten Land Autorität zu verschaffen. Eine solche Vielzahl von Akteuren ist auf den Plan getreten, dass die politische Arena des Landes kaum zu überblicken ist. Hunderte ehemalige Rebellengruppen verweigern ihre Entwaffnung, und haben zum Teil Häfen, Raffinerien und Ölfelder privatisiert.

State- und Nation-building in einem Land wo es nie einen geordneten Staat, geschweige denn eine Nation gab, ist ein schwieriges Unterfangen und braucht Zeit. Der Machtkampf zwischen rivalisierenden Milizen, das institutionelle Chaos und die fragmentierte politische Landschaft bilden heute auch Hürden für ein stärkeres Engagement von außen.

Ein weiteres Abdriften in noch mehr Gewalt und Chaos kann nur durch einen Dialog über die Zukunft des Landes gelingen. Dazu gehört ein Ende der Gewalt, aber auch Respekt vor den noch immer schwachen demokratischen Institutionen des Landes, wie dem Parlament, das am 25. Juni neu gewählt wurde. Fragen der Dezentralisierung, des Föderalismus und der Rechte ethnischer Minderheiten, müssen durch einen inklusiven nationalen Dialog gelöst werden.

Meine Damen und Herren,

Luxemburg ist seit Januar 2013 Mitglied des Sicherheitsrates, und die Nachwehen der Libyen-Krise sind immer noch im Rat zu spüren. Ein Eingreifen in Syrien, im Rahmen eines Mandates des Sicherheitsrates, ist undenkbar, und wir alle kennen die Positionen, die die einzelnen Mitglieder, besonders die ständigen, vertreten. Luxemburg setzt sich zusammen mit Australien und nun Jordanien seit über einem Jahr dafür ein, dass der Sicherheitsrat den Rahmen dafür schafft dass die humanitären Akteure möglichst unbehindert ihre lebenswichtige Arbeit in Syrien tun können. So haben wir es geschafft, die Präsidentschaftserklärung von Oktober 2013 und die Resolution 2139 von Februar 2014 einstimmig vom Rat annehmen zu lassen, doch die Umsetzung ist sehr mühsam. Die humanitäre Hilfe erreicht weiterhin nur einen Bruchteil der Menschen in Not. Luxemburg bemüht sich deswegen seit Wochen um eine neue Resolution um endlich deutlich zu machen dass die syrischen Autoritäten die Hilfskonvois zu allen bedürftigen Syrern durchlassen müssen, über Grenzen und Frontlinien hinweg. Die syrische Regierung trägt die Verantwortung für den Schutz aller Menschen in Syrien, doch sie tritt sie mit Füssen!

Ich habe mich, nach den verheerenden Chemiewaffen-Angriffen im August des letzten Jahres, stark dafür eingesetzt, dass keine Vergeltungsschläge ohne Diskussion im Sicherheitsrat über ein Mandat unternommen wurden. Es war unbedingt wichtig, dass der Sicherheitsrat selbst sich mit dem Bericht der Sellström-Kommission zu den Chemie-Angriffen befasste. Die Resolution 2118 über den Abbau ohne militärische Mittel des syrischen Chemie-Programms, der nun quasi abgeschlossen ist, war ein Erfolg, und die beste Garantie, die wir zurzeit bekommen können, dass die syrische Bevölkerung keine Angriffe wie die des21. Augustes2013 mehr zu befürchten hat. Allerdings darf dies uns nicht vergessen lassen, dass wir einer politischen Lösung deswegen noch nicht näher gekommen sind, und dass der syrischen Bevölkerung täglich unglaubliches Leid durch konventionelle Waffen zugefügt wird.

Meine Damen und Herren,

Der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, den Sie sicher noch mehrfach in den nächsten Tagen hier zitieren werden, geht hart ins Gebet mit dem Westen, der seiner Meinung nach mit schuldig ist am Leid der syrischen Bevölkerung. Nicht weil wir zu zögerlich gewesen wären in unserer Unterstützung der Aufständischen, sondern weil der Westen, ich zitiere, “die illegitime Wandlung des Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg ermöglicht und gefördert hat”. Reinhard Merkel argumentiert, dass es falsch sei, in einem Bürgerkrieg Partei zu ergreifen, auch weil die Konsequenzen für die unbeteiligten Mitbürger unabsehbar sind. Er stellt die Frage, ob es recht war, dass die Rebellion zu den Waffen griff, um ihre Ziele durchzusetzen, nachdem der friedvolle Aufstand keine Wirkung auf den Despoten Assad gezeigt hatte.

Man kann sich allerdings umgekehrt auch fragen, welche die Situation in Syrien heute wäre wenn die internationale Gemeinschaft die Schutzverantwortung in Syrien wie in Libyen angewandt hätte, und zu einem früheren Zeitpunkt eingegriffen hätte, selbstverständlich nur mit einem Mandat des Sicherheitsrates. Haben wir uns schuldig gemacht durch unsere Unterstützung der Opposition wie es Reinhard Merkel annimmt, oder dadurch, dass wir die moderate Opposition nicht resolut genug unterstützt haben? Ist ein Eingreifen unter Berufung auf die Schutzverantwortung nicht unweigerlich immer auch Parteinahme, wenn es darum geht, eine Bevölkerung vor ihren brutalen Machthabern zu schützen? Persönlich habe ich mich von Anfang an dagegen gewehrt, dass die Europäer Waffen an die Aufständischen in Syrien geliefert hätten. Es ist undenkbar dass man mehr Gewalt und Leid durch zusätzliche, mörderische Waffen verhindern könnte, in einer volatilen Region in der diese Waffen mit Leichtigkeit auch in sehr falschen Händen landen könnten.

Meine Damen und Herren,

Wir ringen verzweifelt um Lösungen um die Gewalt in Syrien zu stoppen. Unsere Ohnmacht in dieser Krise führt uns vor Augen, wie wichtig es ist, alles daran zu setzen, dass wir ähnliche Situationen gar nicht erst entstehen lassen. Der erste Pfeiler der Schutzverantwortung ist die Pflicht zur Prävention. Es geht darum, Situationen zu vermeiden, in denen es zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommen könnte, durch den Aufbau stabiler, gutgeführter Staaten und durch die Bekämpfung der tiefverwurzelten Ursachen für Konflikte. Luxemburgs überzeugte, engagierte und langjährige Entwicklungshilfe(1% des Bruttonationaleinkommens)zielt auch auf diese Art der Prävention von gewaltvollen Konflikten ab. Auch die immer häufigeren Briefings des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrecht im Sicherheitsrat in einer gegebenen Situation sind zu begrüssen und tragen zur Prävention bei.

Wenn es doch zum Konflikt kommt und wenn die Verantwortlichen vor einer internationalen Gerichtsbarkeit zur Rechenschaft gezogen werden, hat das auch eine abschreckende Wirkung. Individuelle Sanktionen können helfen, Kriegsschürern zu zeigen, dass schwere Menschenrechtsverletzungen Konsequenzen haben. Wir schreibenden Kampf gegen die Straflosigkeit groß. Luxemburg tritt im Rat konsequent dafür ein, dass der Internationale Strafgerichtshof sich mit den Gräueltaten auf beiden Seiten des Syrien-Konfliktes annimmt. Dazu bedarf es in diesem Falle eines Mandates des Sicherheitsrates, doch eine diesbezügliche Resolution, die Frankreich kürzlich vorgelegt hatte, ist von Russland und China abgeschmettert worden. Die Kluft im Sicherheitsrat wird immer tiefer. Ich begrüße es deswegen dass Frankreich die ständigen Mitglieder dazu aufruft, sich freiwillig dazu zu verpflichten, im Falle von schweren Menschrechtsverletzungen nicht von ihrem Veto-Recht Gebrauch zu machen und hoffe, dass Frankreich, Großbritannien und die USA hier den Weg weisen werden.

Meine Damen und Herren,

Der Sicherheitsrat ist in der Syrien-Frage blockiert, doch er übernimmt seine Verantwortung in vielen anderen Situationen, in denen die Zivilbevölkerung geschützt werden muss, wenn es sein muss, mit Gewalteinsatz. Die Mandate der Blauhelm-Operationen, vor allem in Afrika, beinhalten alle solide Aufträge zum Schutz der Zivilbevölkerung, manchmal mit robusten Mitteln. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist die Demokratische Republik Kongo, wo der Sicherheitsrat eine neuartige “Interventionsbrigade” in die Blauhelm-Operation MONUSCO integriert hat, um es mit jenen Rebellen aufzunehmen, die im Osten des Kongos die Bevölkerung terrorisierten. Ebenso übernehmen einzelne Länder Verantwortung wenn sie, mit dem Segen des Sicherheitsrates, dem Hilferuf eines Partnerlandes nachkommen um beim Schutz der Bevölkerung zu helfen. Frankreich hat nicht gezögert, im Mali und in der Zentralafrikanischen Republik einzugreifen, und seine Rolle ist nun fest in die Resolutionen des Sicherheitsrates zu diesen Ländern eingeschrieben, unter Kapitel VII der Charta. Als Mitglied des Sicherheitsrates ist für Luxemburg klar, dass Gewalt für den Frieden in diesem strikten Rahmen notwendig ist. Als Mitglied der Kommission für Friedenskonsolidierung, der Peacebuilding Commission,ist für uns ebenso klar, dass Gewalt für den Frieden immer nur eine Etappe sein kann, und die internationale Gemeinschaft die Konfliktnachsorge nicht vernachlässigen darf.

Im Irak hat diese Konfliktnachsorge scheinbar versagt, trotz der enormen internationalen Mittel, die in dieses Land geflossen sind. Wir hoffen, dass es im Afghanistan anders sein wird. Konfliktnachsorge und Staatsaufbau sind sehr, sehr langwierige Prozesse, und wir sind in unserer schnelllebigen Zeit oft zu ungeduldig dafür. Dabei wissen wir in Europa doch eigentlich sehr wohl, wie lange es gedauert hat und noch dauert, bis die Staaten des Westlichen Balkans die Folgen der jugoslawischen Bruderkriege überwunden haben!

Meine Damen und Herren,

Wenn ich eines in zehn Jahren als Außenminister gelernt habe, so ist es, dass die schiere Anzahl der schweren Krisen rund um die Welt uns nie genug Zeit lässt, uns ausreichend in ein Dossier hinein zu knien, bevor wir Entscheidungen treffen müssen. Es brennt überall, und Außenpolitik ist viel zu oft Feuerwehrarbeit, in großer Eile und ohne die notwendige Distanz zum unmittelbaren Tagesgeschehen. Und selbst wenn ein bisschen mehr Zeit bleibt sind die Konsequenzen unserer Handlungen natürlich nie komplett absehbar. Diese Unsicherheit darf uns auf keinen Fall in die  Handlungsunfähigkeit treiben. Die Schutzverantwortung, die sich dekliniert in Pflicht zur Prävention, Pflicht zur Reaktion und Pflicht zum Wiederaufbau, ist ein wertvolles Konzept, das den internationalen Rechtsrahmen seit 2005 vervollständigt und immer häufiger zitiert wird. Wir dürfen uns ihrer nicht entziehen weil sie fehlerhaft angewandt wurde, und wir dürfen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die internationale Gemeinschaft fest entschlossen ist, Katastrophen wie Rwanda oder Srebrenica nie wieder geschehen zu lassen. Unsere Ohnmacht im Syrien-Konflikt belastet uns Außenpolitikerin diesem Sinne schwer, genau wie die Einsicht, dass es in einem solchen Bürgerkrieg keine richtige Entscheidung über ein Eingreifen geben kann. Für über 160.000 Syrer ist es zum Eingreifen schon zu spät.

Meine Damen und Herren,

Erlauben sie mir zum Schluss ein paar Worte über die Krise in der Ukraine, die uns alle wachgerüttelt hat und Zweifel an der Unantastbarkeit der internationalen Rechtsordnung hat aufkommen lassen. Wir reden selbstverständlich nicht über ein mögliches militärisches Eingreifen des Westens, der NATO oder der EU, in der Ukraine und bemühen uns alle nach Kräften, eine politische Lösung zu finden, die unserer Geographie Rechnung trägt und der ukrainischen Bevölkerung erlaubt, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Russland die Schutzverantwortung in dieser Krise missbraucht! Es gab sie nicht, die schweren Verletzungen der Menschenrechte russischer Bürger auf der Krim, die Russland zum Vorwand genommen hat, um die Halbinsel zu annektieren, in flagranter Verletzung der Grundlagen des internationalen Rechtes. In der Krim und im Osten der Ukraine sind die Voraussetzungen für ein Eingreifen von Außen nicht erfüllt und wir dürfen nicht zögern, im Dialog mit Moskau unmissverständlich klar zu machen, dass Russland nicht leichtfertig die übergeordnete internationale Rechtsordnung aushebeln darf. Heute darf man hoffen, dass die internationalen diplomatischen Bemühungen Früchte tragen um den Konflikt zu entschärfen. Nach Gesprächen auf Initiative Deutschlands und Frankreichs soll sich die sogenannte Kontaktgruppe aus Russen, Ukrainern und OSZE bald wieder treffen. Ein beidseitiger Waffenstillstand und ein gemeinsames Vorgehen Russlands und der Ukraine zur Grenzsicherung sind notwendig, um der Gewalt ein Ende zu setzen, doch wir müssen unbedingt einen weiteren gefrorenen Konflikt in der Region vermeiden. Die Separatisten, diese grünen und schwarzen vermummten Männer die in Lugansk und Donetsk ihr Unwesen treiben, müssen ihre Waffen abgeben und das ukrainische Staatsgebiet verlassen. Hier gibt es seit ein paar Tagen einen Hoffnungsschimmer.

Sie sind sicher mit mir einverstanden, dass hier die weitsichtige, hartnäckige undengagierte Vorgehensweise vom deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier von herausragender Bedeutung für die europäische Aussenpolitik ist. Europäisches Hauptziel muss es sein, mit den Instrumenten der Diplomatie Russland zum geltenden Völkerrecht zurück zu bringen.

Meine Damen und Herren,

Ich habe versucht, Ihnen die Perspektive des Außenministers eines nicht-ständigen Sicherheitsratsmitglieds darzulegen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in den Diskussionen, die Sie in den nächsten Tagen hier führen werden, nicht aus den Augen verlieren, dass Außenpolitik keine exakte Wissenschaft ist, sondern der Versuch, die Welt für die vielen Opfer von Gewalt und Krieg ein wenig lebenswerter zu machen und Konflikte und Kriege so weit wie möglich zu vermeiden, mit den leider begrenzten Mitteln, die uns dazu zur Verfügung stehen.

Gewalt für den Frieden ist im internationalen Recht verankert und es gibt Beispiele wo sie wirkte und es gibt andere. Friedliche Gewalt gibt es nicht. Krieg ist immer eine Niederlage, ein Versagen, ein Rückschlag. Darum muss Diplomatie im Interesse unserer Kinder das Hauptwerkzeug jeder Aussenpolitik bleiben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine interessante Sommerakademie!

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