Jean Asselborn au sujet des défis du sommet européen des 28 et 29 juin 2012

Holger Beckmann: Die Kauflaune der Bundesbürger ist ja ungebrochen. Positiv, so hat es gestern die Gesellschaft für Konsumforschung einmal mehr analysiert. Offenbar scheren sich die Deutschen wenig um die Eurokrise. Ernsthafte Sorgen scheinen sich die meisten nicht zu machen. Ganz anders die Politik! Große Worte sind da in den vergangenen Tagen zu hören gewesen. Von den Vereinigten Staaten von Europa, sogar. In jedem Fall von mehr politischer Union, für die im Zweifel eben auch in Deutschland ein Referendum nötig sein würde, so hatte es Bundesfinanzminister Schäuble formuliert. Und dass tatsächlich ein großer Schritt gemacht werden muss damit der Euro überlebt, das scheint inzwischen ziemlich klar zu sein. Mal sehen, was der nächste EU-Gipfel bringt, der morgen anfängt. Ich will jetzt über all das reden mit dem Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn. Guten Morgen, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Beckmann.

Holger Beckmann: Wenn Sie diese Diskussion verfolgen, im Moment, um mehr politische Union in Europa, auch um das, was die sogenannten “Big 4�? vorschlagen, nämlich möglicherweise auch Eurobonds – brauchen wir das alles tatsächlich um den Euro zu retten, Herr Asselborn?

Jean Asselborn: Ich glaube schon, dass wir in Brüssel am nächsten Donnerstag und Freitag nicht nur Schlussfolgerungen ziehen sollten, sondern dass wir Beschlüsse fassen müssen. Wir saßen gestern als Europaminister den ganzen Tag zusammen und haben uns auch mit Herrn Van Rompuy unterhalten über seine Vorstellungen. Dieses Papier enthält 4 verschiedene Bausteine aufgezeichnet sind, über integrierte Fiskal-, Haushalts-, Wirtschafts- und auch politische Union und wo – um auf Ihre Frage zu kommen – ganz klar zwei große Stoßrichtungen angeschnitten werden.

Das erste ist, dass wir zu 27 in der Europäischen Union sind und versuchen sollten, auch zu 27 alles zu tun was wir tun können. Spezifisch natürlich die Eurozone, hat ihre Gesetze. Aber, Sie wissen, der gemeinsame Markt ist ein sehr großes Gut in der Europäischen Union und der sollte nicht geschwächt werden.

Das zweite ist, dass wenigstens – in deutscher Sprache muss man immer aufpassen, wenn man darüber redet, aber Sie haben von Eurobonds geredet – ein Ansatz drinsteht, oder ein Satz drinsteht, der mittelfristig eine politische Einstellung vertiefen könnte, dass die Schuldenlast auch gemeinsam angegangen werden muss.

Holger Beckmann: Die Schuldenlast gemeinsam anzugehen, das ist ja bei alledem in dieser Eurokrise ein ziemlich zentraler Punkt. Ein Punkt an dem Angela Merkel auch immer Einhalt gebietet, im weiteren Sinne, weil sie fürchtet, dass deutsche Steuergelder eben zu einem Großteil, im Zweifel auch, mit haften müssten. Aber, wenn Sie sagen, Sie müssen Beschlüsse fassen, bei diesem EU-Gipfel morgen, dann heißt das auch ganz konkret, Beschlüsse dahin. Und dann muss Angela Merkel, muss Deutschland auch mitgehen?

Jean Asselborn: Ich bin jetzt nicht der Begutachter von Angela Merkel. Ich glaube, dass es das deutsche Volk ist, welches die Entscheidungen trifft. Aber ich will nur sagen, dass ich als AAA-Land, wenn ich so sagen darf, auch der Meinung bin, dass der Euro in sehr großer Gefahr ist wenn wir nicht zusammenfinden. Und ich glaube, in Deutschland muss ganz klar sich die Frage gestellt werden: „Beharren wir weiter auf Prinzipien?“ – sie kennen die Prinzipien: "Wir sind nicht der Zahlmeister" – oder ist der politische Wille vorhanden, den Euro zu erhalten? Oder die Erkenntnis, dass Länder, die dauerhaft unter der Last von hohen Zinsen stehen, keine Chance haben wieder auf die Beine zu kommen. Ich glaube der ESM, diesen definitiven Schirm, den wir jetzt haben, ist ein gutes Instrument, genügt aber nicht. Und diese Einstellung in Deutschland, glaube ich, die muss sich entwickeln. Natürlich muss auch in Frankreich – um jetzt einmal eine gegenteilige Einstellung zu nehmen – der Wille da sein, Strukturreformen zu machen. Das ist klar, vor allem in Sachen Haushaltsdisziplin. Die muss berücksichtigt werden und ernst genommen werden. Nur wenn diese zwei, glaube ich, auf einander zugehen. Wenn wir zusätzlich auch am Freitag definitiv wissen, dass ein Wachstumspaket auf dem Tisch liegt, wovon vielleicht jetzt nicht alles neu ist was in diesem 130-Milliarden-Paket enthalten ist, ist es aber psychologisch wichtig, nicht nur in Europa über Disziplin zu reden, sondern auch die Wirtschaft wieder zu stimulieren.

Holger Beckmann: Herr Asselborn, ich möchte noch einmal aufgreifen, was Sie da gerade gesagt haben. Sie, Luxemburg ist – auch ein AAA-Land haben Sie es genannt – nämlich ein topbewertetes – in den Bonitätsrankings – topbewertetes Land, genauso wie die Bundesrepublik Deutschland. Sie sagen, Luxemburg stellt sich hin und sagt “klar, wir müssen in dieser Eurokrise etwas tun, was möglicherweise eben auch Luxemburg mehr Geld kostet�?. Und das ist Ihre Erwartung auch, die Sie an Deutschland haben, was ja im Ranking eben ähnlich gut da steht wie Sie.

Jean Asselborn: Sie haben das gut umschrieben. Ich glaube, die Deutschen – oder Deutschland – weiß den Wert des Euros richtig einzuschätzen. Denn in Deutschland weiß man ja, dass man nur als Exportweltmeister, wenn ich so sagen darf, da steht, weil es den Euro gibt. Ohne Euro wäre das nicht möglich. Und bei einem möglicher Verlust des Euros: ich glaube da gibt es ja auch jetzt Bewegungen bei Euch um auszurechnen, was das kosten würde. Und welcher Verlust das nicht nur für Europa sondern auch für Deutschland wäre. Ein kleineres Land, oder ein ganz kleines Land, wie Luxemburg, weiß vielleicht schneller abzuwägen, wie ich gesagt habe, ob man weiterreitet auf Prinzipien oder man Einsicht hat und dann auch in einem gewissen Moment handelt. Diese Politik der Trippelschritte, will ich sagen, die kann auch in Zukunft sehr gefährlich sein, denn bei der Eurostabilisierung haben wir kein Laboratorium um auszuloten was jetzt das Beste wäre. Wenn dieses System einmal zusammengebrochen ist, dann ist es für immer vorüber.

Holger Beckmann: Politik der Trippelschritte, sagen Sie. Also alle warten im Grunde auf einen ganz großen Schritt. Vielleicht auch eine intensive Vertiefung der politischen Union in Europa? Und da hat ja hier in Deutschland Bundesfinanzminister Schäuble auch ein Referendum ins Spiel gebracht, was in Deutschland dann auch vielleicht nötig wäre wenn man wirklich dahin möchte. Nun weiß man, dass Referenden in Europa, in der Europäischen Union oft das gegenteilige Ergebnis dessen hatten, was man sich gewünscht hätte, mit Blick auf die Verfassungsreferenden. Denken wir an Holland, denken wir an Frankreich. Ist das wirklich eine gute Idee, so ein Referendum? Bringt das Europa weiter damit wir zu mehr politischer Union kommen?

Jean Asselborn: Also Herr Beckmann, über Referenden könnten wir lange reden. Ich will Ihnen nur folgendes sagen, aus geschichtlicher Perspektive. De Gaulle war der Mann, der mit Referenden sehr stark operiert hat. Er hat immer aus dem Referendum ein Plebiszit gemacht. Er hat gesagt, „wenn Ihr dafür seid, seid Ihr auch für mich; wenn Ihr dagegen seid, seid Ihr gegen mich“. Wir haben in Luxemburg auch nicht viel Erfahrung. Wir wissen nur wie schwer es war nach dem „Nein“ in Frankreich und dem „Nein“ in Holland. In Luxemburg hatten wir einen Monat danach, in 2005, ein Referendum. Wir haben nur 56 % „Ja“ zusammengebracht. Das ist für luxemburgische Verhältnisse gegenüber Europa sehr, sehr, sehr wenig. Referenden haben die Partikularität, dass die Menschen nicht immer auf die Frage antworten. Das ist das erste. Das zweite ist, ich kann mich nicht einmischen in deutsche Innenpolitik und will das auch nicht tun. Ich habe verstanden was Herr Schäuble will, nämlich dass er im Grundgesetz Änderungen einbringen will wenn mehr Kompetenzen nach Brüssel, also nach Europa fließen. Das ist eine Debatte, die geführt werden muss. Ich kann nur aus der kleinen Erfahrung, die wir hier gemacht haben, warnen. Denn die Debatte, die in der Substanz stattfindet, die kann sehr, sehr schnell abgezweigt werden. Ein Referendum zu gewinnen ist – das können die Iren bezeugen und viele andere auch –kein Pappenstiel. Und darum ist das, was da auf dem Spiel stünde sehr, sehr viel. Ich glaube wir sind in einer repräsentativen Demokratie. Das Parlament, glaube ich, ist immer noch das beste Instrument um die Demokratie voranzubringen. Es mag aber sein, dass in Deutschland zu einem gewissen Moment dieses Instrument eingesetzt wird. Aber meine Meinung ist, dass so etwas selbstverständlich äußerst schwierig ist, auch in Sachen Argumentation, auf einen richtigen Weg zu bringen.

Holger Beckmann: Die Eurokrise. In jedem Fall noch lange nicht ausgestanden. Vor dem EU-Gipfel, der Morgen in Brüssel beginnt, und bei all dem was darum herum passiert waren das Einschätzungen von Jean Asselborn, dem Außenminister von Luxemburg.

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