"Fiasko abgewendet, Weg steinig", Jean-Claude Juncker au sujet du sommet européen des 28 et 29 juin 2012

Luxemburger Wort: Herr Premierminister, bleiben Sie auf weiteres Chef der Eurogruppe?

Jean-Claude Juncker: Ich habe stets gesagt, dass ich kein neues Mandat anstrebe. Die Meinung der Staats- und Regierungschefs der Eurozone ist aber, dass es wegen der Krise ratsam wäre, dass wenn ich kein ganzes Mandat mehr anstreben würde, noch sechs Monate dranhängen würde. Ich habe mich prinzipiell einverstanden erklärt, sechs Monate weiterzumachen, bis der Zukunftsreport der vier Präsidenten abgeschlossen ist und die beschlossenen kurzfristigen Maßnahmen umgesetzt sind.

Luxemburger Wort: Also kein Durchbruch im Personalpoker?

Jean-Claude Juncker: Es kam während des Gipfels nicht zur Nominierung von Yves Mersch für acht Jahre ins Direktorium der Europäischen Zentralbank. Ich habe meine Bereitschaft, sechs Monate als Eurogruppe-Vorsitzender dranzuhängen, von dieser Nominierung Merschs abhängig gemacht.

Luxemburger Wort: Was bedeutet das nationalpolitisch?

Jean-Claude Juncker: Ich werde der Abgeordnetenkammer erklären, dass mir der Vorschlag der sechsmonatigen Verlängerung unterbreitet wurde und dass ich mit einer Verlängerung über diese Zeit hinaus nicht einverstanden bin. Ich will das Mandat nicht mehr.

Luxemburger Wort: Was sagen Sie zu Kritiken der Doppelbelastung Ihrer zwei Amter?

Jean-Claude Juncker: Man kann nicht einerseits kritisieren, dass der Premier einer Doppelbelastung unterliegt, die auf meine Kosten geht und nicht des Landes, und gleichzeitig bedauern, wenn das Mandat nicht fortgeführt wird. Wenn eine Oppositionspartei für den Fall meiner Verlängerung als Eurogruppe-Chef meinen Rücktritt fordert, muss sie sich fragen lassen, was sie will. Juncker soll bleiben und Juncker soll gehen ist nicht gleichzeitig zu haben. Es hat sich für Luxemburg nicht als Nachteil herausgestellt, dass es den Eurogruppe-Chef stellt.

Luxemburger Wort: Ist der Posten des Eurogruppe-Chefs ein Nebenjob?

Jean-Claude Juncker: Seit mehreren Monaten plädiere ich dafür, den Eurogruppe-Chef in einen Vollzeit-Job umzufunktionieren. Für diesen Posten braucht man eigentlich die exklusive Aufmerksamkeit. Doch andere Präsidenten und Minister in der EU sind anderer Auffassung. Wäre der Posten hauptamtlich geworden, hätte ich ihn nicht mehr ausgeübt.

Luxemburger Wort: Wie kommt die EU bei der Krisenbewältigung voran?

Jean-Claude Juncker: Die Europäische Union und die Eurozone war in den vergangenen 24 Monaten zu einer Entscheidungsdichte fähig, zu der sie sich in den 30 Jahren zuvor nicht durchringen konnte. In krisenhaften Gewässern finden wir viel schneller zu Entscheidungen wie bei ruhigem Seegang.

Luxemburger Wort: Also ist das Schlimmste überstanden?

Jean-Claude Juncker: Durch die Sicherung der Finanzstabilität kommt es zu keinem geld- und wirtschaftspolitischen Fiasko. Wir bewegen uns auf einem sichereren Weg. Er bleibt aber weiterhin steinig.

Luxemburger Wort: Schaffen es Spanien und Italien über den Berg?

Jean-Claude Juncker: Spanien und Italien leiden unter ungerechtfertigt hohen Refinanzierungskosten. Sie halten sich an alle haushaltspolitischen Vorlagen und haben weitreichende Reformen durchgeführt.

Luxemburger Wort: Hat Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel Federn lassen müssen?

Jean-Claude Juncker: Im Gegensatz zu anderen teile ich Gipfelteilnehmer nicht in Gewinner und Verlierer ein. Ich sehe Deutschlands Bundeskanzierin Angela Merkel nicht als Verliererin und andere nicht als Gewinner.

Luxemburger Wort: Demnach keine Kehrtwende?

Jean-Claude Juncker: Der eingeschlagene Konsolidierungspfad wird nicht verlassen. In der Eurozone herrscht Konsens darüber, dass schnelle Haushaltskonsolidierung notwendig ist, weil wir Schulden nicht durch neue Schulden und Defizite mit neuen Defiziten bekämpfen können.

Luxemburger Wort: Kommt die Finanztransaktionssteuer?

Jean-Claude Juncker: Der EU-Gipfel hat eine Vorentscheidung der EU-Finanzminister übernommen. Diese besagt, dass im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden soll. Hierzu sind mindestens neun Staaten notwendig.

Luxemburger Wort: Macht Luxemburg mit?

Jean-Claude Juncker: Ich bin zwar prinzipiell für die Steuer, weil ich eine stärkere Belastung des internationalen Finanzsektors befürworte. Luxemburg wird sich aber nicht beteiligen.

Luxemburger Wort: Warum?

Jean-Claude Juncker: Durch die Tatsache, dass Großbritannien sich nicht beteiligt, käme es zu einer Geschäftsverlagerung bestimmter Segmente zum Finanzplatz London auf Kosten des Finanzplatzes Luxemburg. Ich beziehe mein Gehalt in Luxemburg, nicht in London. Die Taxe d'abonnement bringt Erlöse in Höhe von 1,2 Prozent des BIP. Diese müssten wir im Falle der Einführung der Steuer abschaffen. Der Luxemburger Finanzplatz wird bereits durch eine nationale Steuer belastet.

Luxemburger Wort: Ist der Durchbruch beim EU-Patent ein Erfolg für Luxemburg?

Jean-Claude Juncker: Durch vertragliche Festlegungen ist Luxemburg als europäische Hauptstadt der Gerichtsbarkeit unumstritten. In dieser Optik ergab sich die Entscheidung über die Basierung des Berufungsgerichts des Europäischen Patentgerichts in Luxemburg ganz natürlich.

Luxemburger Wort: Was sind Luxemburgs Prioritäten bei der Finanzperspektive 2014-2020?

Jean-Claude Juncker: Das Volumen des EU-Haushalts sollte nicht abgesenkt werden. Man sollte keine übertriebene Ersparnisse im Bereich der Agrarpolitik anstreben. Der Haushalt sollte stärker auf Forschung und Innovation ausgerichtet werden.

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