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Wie fest sitzen Sie noch im Sattel, Georges Mischo?
Interview mit Georges Mischo im Luxemburger WortInterview: Luxemburger Wort (Thomas Klein, Thomas Berthol)
Luxemburger Wort: Georges Mischo, zuletzt wurde viel über eine bevorstehende Regierungsumbildung gesprochen. Wenn es darum geht, welche Minister ausgetauscht werden, fällt dabei auch Ihr Na me. Wie fest sitzen Sie noch im Sattel?
Georges Mischo: Ich bin 2023 in die Wahlen gegangen, um in die Chamber gewählt zu werden. Anschließend hatte ich das Glück, Teil der Regierung zu sein. Genau wie bei meinen Posten zuvor, als Bürgermeister und als Abgeordneter, bin ich angetreten, um mein Man dat zu beenden. Nach dem Mandat sieht man, ob der Wähler es gut fand, was ich als Politiker gemacht habe, oder nicht. Ich gehe davon aus, dass ich bis Oktober 2028 Arbeits- und Sportminister bleibe.
Luxemburger Wort: Haben Sie mit Premierminister Luc Frieden gesprochen, nachdem der Brief der Gewerkschaften eingegangen ist? Denken Sie, dass Sie noch die nötige Rückendeckung haben?
Georges Mischo: Natürlich spricht man nicht nur mit dem Premierminister über solche Themen, das wird auch im Regierungsrat diskutiert. Das habe ich auch als Bürgermeister erlebt: Wenn es kritischer wird, muss man über Sachen sprechen können. Als Bürgermeister bin ich einmal in einer Zeitung zum Rücktritt aufgefordert worden. Auch das hat mich nicht umgeworfen. Ich weiß genau, dass ich als Politiker nicht "Everybody's Darling" sein kann. Ich muss jeden Tag zusehen, dass ich Lösungen finde, zum Wohl der Arbeitnehmer, aber auch der Unternehmen. Denn die ökonomische Situation und der Arbeitsmarkt sind derzeit alles andere als unproblematisch.
Luxemburger Wort: In dem Brief an den Premierminister greifen die Gewerkschaften Sie auch persönlich an und sprechen Ihnen die Qualifikation für das Amt ab. Waren Sie von der Heftigkeit der At tacke überrascht oder hatten Sie mit so etwas gerechnet?
Georges Mischo: Nein, gerechnet habe ich mit so etwas sicher nicht. Ich denke, dass das unter die Gürtellinie gegangen und zu persönlich geworden ist. Ich habe immer den Ball gespielt und nie den Mann. Das erwarte ich auch von meinem Gegenüber. Wenn die Gewerkschaften denken, sie müssten das machen, ist das ihre Sache. Natürlich macht man sich Gedanken darüber. Man fragt sich, warum es so persönlich wird. Aber ich bin nicht so einfach zu demoralisieren.
Luxemburger Wort: Haben Sie Nora Back und Patrick Dury gefragt, warum Sie diesen Weg gegangen sind?
Georges Mischo: Nein, über den Brief selbst haben wir nicht gesprochen, auch wenn wir ein paar Meetings seither hatten. Der Brief ist jetzt fast fünf Wochen alt. Ist das ein Zufall, dass er gerade vor der Ferienwoche, wo nicht so viel los ist, öffentlich wurde? Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Natürlich ist es ein Schlag, aber dann muss man sich schütteln und es geht weiter.
Luxemburger Wort: Wie erklären Sie sich, dass der Brief geleakt wurde zu einem Zeitpunkt, als es wieder nach einer Annäherung zwischen Ihnen und den Gewerkschaften aussah?
Georges Mischo: Ich weiß nicht, wer ihn geleakt hat. Das ist mir auch egal. Es hat mich ohnehin gewundert, dass es so lange gedauert hat, bis er öffentlich wurde. In den bilateralen Gesprächen war das Klima gut. Wir haben konstruktiv miteinander diskutiert. Es war nicht so, dass die Vertreter der Gewerkschaften wütend aufgetreten sind. Ich auch nicht. Wir haben über den Brief nicht weitergesprochen. Mir geht es darum, die Themen voranzubringen. Es gab diese Episode, man muss jetzt nach vorn schauen.
Luxemburger Wort: Wer hatte denn ein Interesse daran, den Brief zu leaken?
Georges Mischo: Ich weiß es nicht. Es spielt auch keine Rolle. Ich denke nicht, dass es die Gewerkschaften waren. Es bringt aber auch nichts, jetzt mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Es ist nun mal so, er ist raus. Ich habe sehr viele Nachrichten bekommen von Leuten, die mir schrieben, dass es nicht fair mir gegenüber war. Für mich ist die Episode abgeschlossen.
Luxemburger Wort: Sie sind entschlossen, weiterzumachen?
Georges Mischo: Absolut. Ich war noch nie jemand, der aufgegeben hat. Ich war immer motiviert und eine solche Attacke motiviert mich noch mehr, mich zu engagieren.
Luxemburger Wort: Gilt das auch für die Zukunft? Wenn sich zeigen sollte, dass das Verhältnis zu den Gewerkschaften so zerrüttet ist, dass es nicht mehr vor- oder zurückgeht, würden Sie dann Ihr Amt zur Verfügung stellen?
Georges Mischo: Das Verhältnis war nie so zerrüttet, dass man sagen könnte: Das geht so nicht weiter. In einer Beziehung kommt man vielleicht mal zu einem Punkt, an dem man sagt: Das ist nicht mehr zu kitten; es ist besser, man geht auseinander. Das war aber im Verhältnis mit den Gewerkschaften nicht der Fall. Deswegen hat es mich auch gewundert, dass der Brief gekommen ist, weil das Vertrauen gerade wieder wächst und die Gespräche normal verlaufen. Wir fallen uns nicht die Arme, wenn wir uns sehen, begegnen uns aber mit Respekt und reden auf Augenhöhe miteinander.
Luxemburger Wort: Befand sich der Brief, so wie er formuliert war, Ihrer Meinung nach noch im Rahmen der Gewerkschaftsarbeit oder hat er ihn überschritten?
Georges Mischo: Meiner Meinung nach haben sie ihn ein wenig überschritten, weil sie persönlich ge worden sind. Man kann mich immer kritisieren, aber es ist besser, das konstruktiv zu machen.
Luxemburger Wort: Einer der Hauptvorwürfe ist, dass sie die Gewerkschaften zwar konsultieren, dann aber alleine entscheiden. Werden Sie da Ihre Herangehensweise ändern?
Georges Mischo: Ich habe nie gesagt, dass ich allein entscheiden will. Als Bürgermeister habe ich immer erst zugehört, diskutiert und dann eine Entscheidung getroffen. Es ist als Bürgermeister einfacher, so vorzugehen als in einer Position als Minister (...). Es war vielleicht mein Fehler als Minister, dass ich nicht genug konsultiert und Rücksprache gehalten habe, da ich das nicht so gewohnt war. Das hat dann wohl zu Irritationen geführt. Ich habe auch aus den vergangenen Wochen gelernt und habe gesehen, was ich besser machen kann.
Luxemburger Wort: Immerhin sprechen die Gewerkschaften noch mit Ihnen. Das ist aber nicht der Fall zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften. Sehen Sie sich in der Verantwortung, zu vermitteln?
Georges Mischo: Absolut. Wir müssen durch die bilateralen Verhandlungen langsam Vertrauen aufbauen, damit sich die beiden Parteien wieder annähern. Das geht nicht von heute auf morgen. Das Tischtuch ist nicht ganz zerschnitten, aber doch ganz schön eingerissen. Ich denke, wir können wieder zusammenkommen. Als Arbeitsminister sehe ich mich als eine Art Brückenbauer. Die große Stärke des Sozialmodells war ja immer, dass man am gleichen Tisch sitzen und diskutieren konnte. Der Streit bringt niemanden weiter, vor allem nicht das Land. Wir sind gerade in einer äußert angespannten Situation. Wir haben nicht mehr die drei Prozent Wachstum aus der Vergangenheit; wir haben eine höhere Arbeitslosigkeit.
Luxemburger Wort: Denken Sie bereits an konkrete Punkte, wie man die UEL und die Gewerkschaften auf einen gemeinsamen Nenner bringen könnte?
Georges Mischo: Zurzeit ist es noch zu früh, um Konkretes zu nennen, denn bei den letzten beiden bilateralen Treffen haben wir lediglich ihre Positionen erfasst. Wenn wir die bilateralen Gespräche hoffentlich erfolgreich abschließen, muss es zu einem "Package" kommen. Jeder muss kompromissbereit sein. So kann Vertrauen aufgebaut werden, damit wir uns wieder zu dritt an einen Tisch setzen können.
Luxemburger Wort: Was soll in diesem Package sein?
Georges Mischo: Alle Themen, die wir derzeit besprechen, sei es Arbeitszeitorganisation, die Referenzperioden, die Pausen oder die Ruhezeit. Wenn es gelingt, ein Paket zu schnüren, mit dem beide Seiten leben können, entsteht auch ein wenig mehr Ver trauen. Dann besteht wieder die Möglichkeit, dass man sich nächstes Jahr im Frühjahr oder Sommer wieder zu dritt an einen Tisch setzt.
Luxemburger Wort: Am Dienstag gab es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Direktive über den sozialen Mindestlohn. Wie müssen Sie die Reglung in Luxemburg anpassen?
Georges Mischo: Wir haben auf diese Entscheidung gewartet. Meine Mitarbeiter haben in dieser Zeit sowohl am Aktionsplan für die Abdeckung der Kollektivverträge als auch an der Frage des Mindestlohns weitergearbeitet. Durch das Urteil ist die Situation nun klarer geworden. Außerdem steht fest, dass es zu keinem Einspruch dagegen kommen kann. Wir werden demnach weiter am Aktionsplan arbeiten, um die 80 Prozent der Kollektivverträge zu erreichen. Den Mindestlohn betrifft, werden wir dies noch juristisch analysieren. Dazu können wir uns noch nicht positionieren. Darüber soll erst im Regierungsrat, mit den Fraktionen und den Sozialpartnern gesprochen werden. Das heißt, es wird nächste Woche noch zu keiner Entscheidung kommen.
Luxemburger Wort: Wann soll diese Direktive umgesetzt werden? Das hätte eigentlich bereits bis zum 15. November 2024 geschehen sollen.
Georges Mischo: Ja, wir haben uns um ein Jahr verspätet, aber ich denke, durch die Gerichtsverhandlung haben wir ein bisschen Spielraum, um zu sagen: Wir konnten ja nicht einfach schon etwas entscheiden. Wenn die Richtlinie komplett gekippt worden wäre, dann hätten wir zu früh gehandelt. Aber ich denke dennoch, dass es ein wenig Kulanz von der Kommission geben muss, um zu sagen, am 11. November kam es zum Urteil und es nicht funktionieren kann, dass am nächsten Tag schon ein fertiges Projekt vorliegt. Bis Ende des Jahres gibt es noch viel zu tun. Ich gehe davon aus, dass es für das nächste Frühjahr sein wird.
Luxemburger Wort: Wie hoch würde dann der soziale Mindestlohn sein?
Georges Mischo: Wir haben verschiedene Berechnungsweisen herangezogen. Unter anderem haben wir 60 Prozent des Medianlohns und 50 Prozent des Durchschnittslohns berechnet. Zudem haben wir berechnet, was das die Wirtschaft kosten würde. Es ist ganz klar, dass es sich um ein paar Hundert Millionen Euro handelt. Es ist je doch verfrüht, jetzt schon von einer Steigerung des Mindestlohns von 2.700 auf 2.900 Euro zu sprechen.
Luxemburger Wort: Sollten in den Berechnungen die Gehälter im öffentlichen Dienst ausgeschlossen werden?
Georges Mischo: Das müssen wir uns anschauen. Eigentlich müsste man das Grundgehalt im privaten Sektor mit dem Grundgehalt im öffentlichen Sektor vergleichen. Es gibt je doch kein wirkliches Grundgehalt im öffentlichen Dienst. Das ist das Problem. Wir müssen eine Möglichkeit finden, die verschiedenen Gehälter miteinander zu vergleichen. Dabei müssen auch das Finanzministerium und der öffentliche Dienst mithelfen. Wenn diese Berechnungen durchgeführt wurden, soll das anschließend schwarz auf weiß festgehalten werden, damit alles korrekt ist. Zudem stellt sich die Frage, ob wir kostenlose Leistungen wie öffentliche Verkehrsmittel, Schulbücher und Maison relais miteinrechnen, da andere EU-Länder, die ebenfalls die Richtlinie umsetzen müssen, diese nicht bieten.
Luxemburger Wort: Luxemburg liegt ganz vorn auf EU-Ebene, was die "Working Poor" betrifft. Sehen Sie das als Scheitern des luxemburgischen Modells?
Georges Mischo: Der Wohnungsbau ist natürlich ein extremes Problem. In Luxemburg eine normale Wohnung zu finden, ist äußerst schwierig, insbesondere, wenn man mit dem Mindestlohn auskommen muss. Des halb müssen wir versuchen, dass die Preise für Wohnungen nicht weiter explodieren. Arbeit soll sich lohnen. Ich denke, dass wir dort die richtigen Entscheidungen treffen werden.
Luxemburger Wort: Geht das auch durch eine Erhöhung des Mindestlohnes wie die Arbeitnehmerkammer (CSL) fordert oder ist noch nichts festgelegt?
Georges Mischo: Es ist noch nichts festgelegt. Das kann natürlich eine Erhöhung des Mindestlohns sein, ja. Eine solche Entscheidung will ich aber nicht allein als Minister treffen, sondern mit der Regierung im Regierungsrat.