Carole Dieschbourg zum Thema Umwelt im Hinblick auf die Lima-Konferenz und die Vorbereitung des Paris-Gipfels 2015

"Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht."

Interview: Luxemburger Wort 

LW: Frau Dieschbourg, hier bei der Klimakonferenz in Lima sind viele optimistisch, dass es eine gute Vorbereitung für die entscheidende Konferenz in Paris in einem Jahr geben kann. Sie auch?

Carole Dieschbourg: Ich bin grundsätzlich optimistisch, denn neben den Herausforderungen beim Klimawandel gibt es auch eine positive Geschichte zu erzählen. Der Bericht des Weltklimarats IPCC sagt uns, dass wir dringend handeln müssen. Wir haben sämtliche Techniken und Mittel dafür, wir müssen es nur umsetzen. Der Kampf gegen den Klimawandel bringt uns nämlich auch Chancen und nachhaltige Jobs.

LW: Das ist eine sehr positive Sicht der Klimapolitik. Andere EU -Staaten sind da deutlich skeptischer.

Carole Dieschbourg: Europa sollte intern seine Ambitionen hoch halten und nach außen weiter vorangehen. Wir haben im Oktober das EU -Klima und Energiepaket verabschiedet. Hier, bei den Verhandlungen in Lima, gibt es natürlich umstrittene Punkte. Wir haben mit den afrikanischen Staaten geredet. Da ist ein Knackpunkt, insofern sie die Anpassung an den Klimawandel in die Kriterien schreiben wollen, nach denen wir unsere Klimaziele festlegen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir hier einen Basistext schaffen können, der bis Paris noch verfeinert werden muss. Daran arbeiten wir mit viel Engagement.

LW: Bei der Konferenz in Paris werden Sie für die Ratspräsidentschaft die EU vertreten. Was lernen sie von dieser Konferenz hier in Lima?

Carole Dieschbourg: Ich lerne viel Organisatorisches. Die Treffen unter den EU -Ministern sind gut, es wird wichtig sein, unser Anspruchsniveau zu halten. Wir wollen Ansprechpartner für alle sein. Unsere Aufgabe wird es sein, die EU -Position zu festigen, mit unseren Partnern, mit dem französischen COP2I-Vorsitz und offen für alle Länder. Hier in Lima führen wir als Vorbereitung auf die Pariser COP2I-Konferenz sehr viele Gespräche, mit Bekannten und den Ländern, deren Standpunkte wir noch nicht kennen.

LW: Sie vertreten dann 28 Länder, die beim Klimaschutz oft uneins sind. Was muss Europa noch leisten bis Paris?

Carole Dieschbourg: Wir werden im ersten Quartal 2015 unsere nationalen Minderungsziele vorlegen und das Doha-Amendment zum Kioto-Protokoll ratifizieren. Das wird eine Herausforderung, aber wir müssen diese wichtigen Fragen klären. Wir selbst haben uns für die Präsidentschaft vorgenommen, auch die Klimafinanzierung anzugehen. Da stehen wir nicht schlecht da, Luxemburg hat früh fünf Millionen in den Green Climate Fund gegeben. Andererseits geben wir seit Jahren ein Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit aus. Klimaschutz und Kooperationshilfe können komplementär wirken. Wir werden mit der EU -Kommission und der Europäischen Investitionsbank innovativ arbeiten. Wir versuchen, mit öffentlichen und privaten, nationalen und internationalen Finanzpartnern die Klimafinanzierung voranzutreiben.

LW: Was muss Luxemburg selbst noch tun? Das Klimaziel von minus 28 Prozent verpasst das Land.

Carole Dieschbourg: Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht. Wir haben die Treibhausgasemissionen um zehn Prozent gesenkt, zusätzliche 18 Prozent wurden über die im Kiotoprotokoll vorgesehenen flexiblen Mechanismen verwirklicht. Wir arbeiten daran auf mehreren Ebenen, beim Transport und im Baubereich. Wir machen einen Heizungscheck für Energieeffizienz und haben unseren Klimapakt mit 92 von 106 Gemeinden abgeschlossen. Das ist ein Förderprojekt mit 79 Einzelmaßnahmen. Wir helfen den Gemeinden, Gebäude zu sanieren, ihre Mobilität und ihre Einkaufspolitik zu überdenken. Aber wir wollen nicht nur europäische Richtlinien umsetzen. Wir wollen auch die Menschen informieren und auf diesem Weg mitnehmen. Der zuständige Parlamentsausschuss hat letzte Woche den Bericht angenommen. Im Hinblick der Ratifizierung des Doha-Amendments zum Kiotoprotokoll, im Januar kommt es im Parlamentsplenum zur diesbezüglichen Abstimmung.

LW: Warum erreicht Luxemburg nur zehn Prozent Reduktionen? 

Carole Dieschbourg: Wir haben ein schwieriges Erbe angetreten und Luxemburg hat eine spezifische Situation, die sich nicht so schnell ändern lässt. Unser Klimaziel ist sehr ehrgeizig, weil es voraussah, dass wir in der Stahlindustrie viel CO2 einsparen konnten. Das ist mit dem Übergang der Hochofentechnologie zu den Elektrostahlwerken umgesetzt. Das ab Ende der 1990er-Jahren stark eingesetzte Bevölkerungswachstum hat zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen geführt. Dazu kommen tagtäglich über 150 000 Grenzpendler, mit dem Phänomen des "Tanktourismus", für den wir mittelfristig eine Lösung finden müssen. Der Verkehrsminister realisiert derzeit die Tram, außerdem spielt der Fahrradverkehr und auch die Elektromobilität eine wichtige Rolle. Wir haben ein großes Einsparpotenzial bei der Sanierung von Altbauten und bei der Energieeffizienz. Denn die Energie, die wir nicht verbrauchen, müssen wir nicht produzieren.

LW: In Paris wird die ganze Welt auf Sie blicken. Wie gehen Sie damit um?

Carole Dieschbourg:  Ich gehe da mit sehr viel Respekt ran. Wir bereiten uns gut vor, für den kommenden EU -Ratsvorsitz haben wir zusätzliche Mitarbeiter in unserem sehr motivierten Klimateam in Luxemburg und an der ständigen Vertretung in Brüssel und dazu einen eigenen Klimabotschafter. Im Bereich des Klimaschutzes gibt es immer noch einige Zweifler, aber Europa sollte ein ambitioniertes Abkommen anstreben. Wir haben uns ja schon oft mit Ministern anderer Mitgliedsstaaten ausgetauscht, wie das Protokoll von Paris aussehen sollte. Wir wollen unsere Ziele erfüllen und zeigen, wo wir hinwollen. Zum Beispiel helfen wir seit Jahren den Kapverdischen Inseln, die sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen wollen, bei Forschung und Informationen für Investoren.

LW: Ist die EU noch Vorreiter beim Klima?

Carole Dieschbourg: Die EU hat als erstes ihr Klimaziel verkündet, die USA und China haben nachgezogen. Die EU sollte Vorreiter sein und auch vor 2020 beim Klimaschutz ambitioniert bleiben, also in der Zeit zwischen dem Pariser Abkommen und dem Beginn seiner Laufzeit. Wir können zeigen, dass Klimaschutz positive Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Die EU ist ein Beispiel dafür, wie man sowohl Wirtschaftswachstum als auch abnehmende Treibhausgasemissionen haben kann. 

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