Fazit von Marc Hansen nach acht Monaten als Staatssekretär im Bereich Hochschule und Forschung

"Forschung kennt keine Grenzen"

Interview: Michèle Gantenbein

Luxemburger Wort: Herr Hansen, Sie haben eine rasante Karriere hingelegt. Vor einem Jahr wurden Sie als Abgeordneter vereidigt, knapp vier Monate später traten Sie die Nachfolge von André Bauler an. Wie ist es Ihnen in dem Jahr ergangen?

Marc Hansen: Ich fand dieses Jahr äußerst intensiv und spannend. Ich musste mich zweimal auf etwas völlig Neues einstellen und mich einarbeiten, zunächst als Vorsitzender der parlamentarischen Finanzkommission, und dann als Staatssekretär. Die Herausforderung war groß. Heute glaube ich behaupten zu können, dass ich so langsam den Überblick über die Inhalte und Themen habe.

Luxemburger Wort: Liegt Ihnen Ihr neues Arbeitsgebiet?

Marc Hansen: Ja, ich empfinde es als große Chance, Politik und Zukunft mit gestalten zu können. Der Bildungs- und Forschungsbereich bietet einen breiten Gestaltungsraum.

Luxemburger Wort: Seit der Gründung des Forschungsministeriums (1999) lag die Verantwortung für den Forschungsbereich stets in CSV-Hand. Befinden Sie sich in der Kontinuität dessen, was Ihre Vorgänger gemacht haben?

Marc Hansen: In den großen Zügen herrscht in meinem Aktivitätsbereich politischer Konsens. Eine ganze Reihe von Gesetzen, die in den vergangenen Wochen verabschiedet wurden, wurden von quasi allen Fraktionen mitgetragen. In manchen Teilbereichen aber sind unsere Sicht der Dinge und unsere Herangehensweise eine andere. Ich denke da z. B. an die Studienbeihilfen oder auch an das Dossier Belval, wo wir nachträglich ein Budget für die Ausstattung der Räumlichkeiten auf den Weg bringen mussten. Wir gehen zielgerichteter an die Dinge heran, wollen mit weniger mehr machen, das heißt Überschneidungen vermeiden und die Gelder effizienter einsetzen.. Vor einer Woche fand in diesem Zusammenhang die erste Ausgabe der Assises de la recherche statt, bei der es unter Anderem um eine bessere Koordination und Zusammenarbeit der Uni und der Forschungseinrichtungen ging.

Luxemburger Wort: Sie haben die Studienbeihilfen neu geregelt. Wie sieht das vorläufige Fazit aus?

Marc Hansen: Beim Cedies sind in etwa 27.000 Anträge eingegangen, so viele wie im vergangenen Jahr. Wie hoch der Impakt der einzelnen Beihilfen ist, werden wir Ende Januar wissen, wenn die Anträge alle bearbeitet sind.

Luxemburger Wort: Wie weit sind die Gespräche mit den Studenten über ein Monitoring über die Lebensbedingungen von Studenten im Ausland und über eine national repräsentative Studentenvereinigung fortgeschritten?

Marc Hansen: Eine Arbeitsgruppe ist mit den Vorbereitungsarbeiten zur repräsentative Umfrage beschäftigt. In diese Umfrage sollen alle wesentlichen Informationen einfließen, die für die Studenten, aber auch für uns wichtig sind. Ende Februar 2015 soll die Umfrage starten. Ende März dürften dann die Ergebnisse vorliegen. Zur national repräsentativen Studentenvereinigung fand bislang ein Treffen mit den Jugendorganisationen statt.

Luxemburger Wort: Sind die Studenten offen für die Idee einer nationalen Vereinigung?

Marc Hansen: Auf jeden Fall. Wir sind uns einig, dass wir diesen Weg gehen möchten, nur über die Details noch nicht. Wir müssen ein Gesetz machen und deshalb mit der nötigen Sorgfalt an die Sache herangehen.

Luxemburger Wort: Luxemburg möchte sich zu einem international renommierten Forschungsstandort entwickeln. In welchen Bereichen haben wir bereits Exzellenz -Niveau erreicht?

Marc Hansen: Über das Niveau unserer Forschung entscheiden nicht wir, sondern externe Gremien, die unsere Forschungsarbeit und Einrichtungen bewerten. Laut den bisherigen Berichten haben wir das Exzellenz -Niveau in den Bereichen europäisches Recht, innovative Materialien, Biomedizin, Bildungswissenschaften, Wasser und Informationssicherheit erreicht und werden hierfür international anerkannt. Das hat natürlich auch mit dem Bekanntheitsgrad der jeweiligen Forscher zu tun. Hier gilt es nun, an kritischer Masse dazuzugewinnen, um so noch größere Visibilität zu erlangen, zum Beispiel durch die Rekrutierung renommierter Forscher, aber auch durch die Beschaffung interessanter Forschungsprogramme.

Luxemburger Wort: Was. macht Luxemburg als Forschungsstandort für ausländische Forscher attraktiv?

Marc Hansen: Der Forschungssektor ist noch jung und in Aufbruchstimmung. Das macht ihn interessant. Rudi Balling zum Beispiel hat den LCSB von Null aufgebaut. Das Institut beschäftigt heute rund 200 Personen. Ähnlich verhält es sich mit Belval, wo ein Forschungs- und Universitätsstandort aus dem Boden gestampft wird. Derartige Bedingungen sind aus Forschersicht einmalig und ein eindeutiger Attraktivitätsfaktor. Nicht zu vernachlässigen sind auch der materielle Aspekt sowie interessante Programme mit hoch dotierten Projekten. Luxemburg ist als Forschungsstandort international bekannt, was uns wiederum für weitere Forscher interessant macht.

Luxemburger Wort: Der Staat investiert viel Geld in die Forschung, zwischen 2014 und 2017 allein 850 Millionen Euro in die Uni und die Forschungsinstitute. Steht das Invest im Verhältnis zum Ergebnis, aus wirtschaftlicher Sicht?

Marc Hansen: In der Forschung arbeiten heute rund 6 000 Beschäftigte, davon etwas mehr als 3 300 Forscher. Zwischen 2005 und 2012 wurden 1 200 neue Posten geschaffen. Pro Jahr werden in Luxemburg 100 Doktorate abgeschlossen, 14 Patente angemeldet und drei Spin-offs gegründet. Dennoch müssen wir uns weiter anstrengen und den wirtschaftlichen Impakt unserer Forschungsarbeiten noch verbessern.

Luxemburger Wort: Seit Jahren wird der Forschung vorgeworfen, dass sie sich wirtschaftlich nicht genug rechnet. Wo liegt denn das Problem?

Marc Hansen: Das liegt an unserem vergleichsweise jungen Forschungssektor. Forschung hat aber nicht nur eine wirtschaftliche Dimension, Forschung als Selbstzweck muss auch sein.

Luxemburger Wort: Wie kann die Regierung sicherstellen, dass der wirtschaftliche Aspekt der Forschung stärker in den Fokus rückt?

Marc Hansen: Wir schließen Leistungsverträge mit den Instituten ab, in denen z.B . die Anzahl an Patenten oder Spin-offs festgelegt wird. Wir haben die Möglichkeit, verstärkt Programme zu schaffen, bei denen ein Konzeptnachweis (Proof of concept) verlangt wird. Wir haben einen Inkubator für Spin-offs und wir haben eine Innovationsagentur, Luxinnovation, die jungen Betrieben auf die Sprünge hilft.

Luxemburger Wort: 2013 wurden zwei bilaterale Kooperationsabkommen unterzeichnet, eines mit Frankreich und eines mit Großbritannien. Sind weitere Abkommen in Planung?

Marc Hansen: Es reicht nicht zu meinen, wir könnten als Forschungsstandort allein walten. Wir brauchen solche Kooperationsabkommen. Forschung kennt keine Grenzen. Mit Portugal loten wir derzeit eine mögliche Zusammenarbeit zwischen portugiesischen und luxemburgischen Forschungsteams aus.

Luxemburger Wort: Sie planen eine bessere Koordinierung der Forschungsarbeiten. Wie soll das vonstatten gehen?

Marc Hansen: Bis Ende 2015 sollen die Institute einen Strategieplan vorlegen, wie sie in den prioritären Bereichen zusammenarbeiten wollen. Auch bei den Assises de la recherche am 13. Dezember ging es um eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Instituten. Die OECD hat den Forschungssektor ein zweites Mal unter die Lupe genommen. Der Bericht dürfte Anfang 2015 vorliegen. Anschließend werden wir eine Strategie zur besseren Koordinierung des Sektors ausarbeiten. Dazu gehört auch die Schaffung eines übergeordneten Gremiums, das sich mit der Koordinierung befasst.

Luxemburger Wort: Von den Instituten wird auch erwartet, dass sie sich stärker um Drittmittel bemühen. Die Projekte des CRP Santd beispielsweise werden zu 70 Prozent vom Staat finanziert. Wie hoch sollte der Anteil an Drittmitteln sein?

Marc Hansen: Im Schnitt liegen die CRPs und die Uni bei 30 bis 45 Prozent an Drittmittelfinanzierung. So steht es auch in den Leistungsverträgen. Wir bestehen auch darauf, dass diese Drittmittel angefordert werden, z. B. europäische Forschungsgelder. Dabei handelt es sich manchmal um Millionenprogramme. Wir werden hier genauer hinsehen.

Luxemburger Wort: Wird Luxemburg demnächst an einem Hochschulranking teilnehmen?

Marc Hansen: Das werden wir nächstes Jahr mit dem neuen Rektor, Rainer Klump, besprechen.

Luxemburger Wort: Wie sieht es mit dem Zeitplan für den Umzug nach Belval aus?

Marc Hansen: Ich werde immer zuversichtlicher, dass wir es schaffen werden, die akademische Rentre 2015/2016 in Belval einzuläuten. Möglicherweise können Teile der Verwaltung bereits im Frühjahr übersiedeln.

Luxemburger Wort: Was passiert mit dem Campus Walferdingen und dem Campus Limpertsberg nach dem Umzug?

Marc Hansen: In Walferdingen werden das Institut de formation de l'éucation nationale und die informatischen Dienste des Bildungsministeriums untergebracht. Die Gebäude in Limpertsberg werden renoviert.

Dernière mise à jour