Interview de Dan Kersch avec le Tageblatt

"Optimismus soll man nie bremsen"

Interview: Tageblatt

Tageblatt: Bei der Pressekonferenz bezüglich der Reform der Rettungsdienste sagten Sie, man habe Sie vor dieser Reform regelrecht gewarnt: "Vergiess et, do bäiss de der d'Zänn aus". War es wirklich so "schlimm"?

Dan Kersch: Es wurde lange, viel und kontrovers diskutiert. Alle haben gefürchtet, die Reform würde auf ihre Kosten gemacht. Aber schlussendlich hat jeder eingesehen: Die Reform muss kommen, zum Wohle aller. Wir haben jetzt eine Lösung, das ist das, was zählt. 

Tageblatt: "Protection civile" und Feuerwehr, freiwillige Rettungshelfer und Festangestellte, die Gemeinden unter sich: das sind ja aber keine Feinde -. Für die "Protection civile" ist der Staat zuständig. Für die Feuerwehren sind die Gemeinden zuständig. Die Koordination liegt in staatlicher Hand. Bei den freiwilligen Feuerwehren war die Meinung weit verbreitet, der Staat würde sie vernachlässigen. Bei der "Protex" herrschte vereinzelt die Meinung vor, die "Pompjeen" würden bevorzugt behandelt. Im Endeffekt hat eine Entwicklung vom "Terrain", die auch von unten kam, vieles erleichtert: nämlich die lokale Zusammenlegung von Einsatzzentren der beiden Korps. Diese kleinen "Fusionen" in der tagtäglichen Zusammenarbeit zeigten vorbildliche Ergebnisse. Dies verhindert natürlich auch jetzt nicht, dass mancherorts noch ein gewisses Misstrauen existiert. Aber ich denke, die große Mehrheit sieht die Vorteile der Reform.

Tageblatt: Zum Timing: Wie groß ist die Zuversicht, dass die Reform wirklich zum 1. Januar 2016 in Kraft treten kann?

Dan Kersch: Das wäre ideal. Bedingung war, dass die Gesetzesvorlage vor der Sommerpause durch den Regierungsrat geht. Das haben wir geschafft. Ab jetzt bin ich nicht mehr "Herr" der Prozeduren. Aber entscheidend ist nicht das "Wann"; entscheidend ist, dass nun das Zeichen gesetzt wurde, dass es losgeht. Die praktische Umsetzung wird die Zeit bekommen, die sie benötigt. Aber ich bin nach wie vor optimistisch. Optimismus soll man nie bremsen (lacht).

Tageblatt: Timing II: Wieso lag die Reform so lange in der Schublade?

Dan Kersch: Das weiß ich nicht. Es ist unerklärlich. Aber es interessiert mich nicht mehr, ich blicke nach vorne und nicht zurück.

Tageblatt: Die Reform betrifft auch die Gemeinden und die Gemeindeautonomie. Gab es da größere Widerstände?

Dan Kersch: Die Gemeinden sind Gewinner bei dieser Reform: Sie können ihren Bürgern einen qualitativ besseren Service anbieten. Und auch bei den Finanzen haben wir eine gerechte Lösung gefunden. Die Gemeinden trugen bisher das "Gros" der Kosten, nun werden wir auf 50/50 kommen.

Tageblatt: Zur Sonderstellung der Gemeinde Luxemburg: wieso?

Dan Kersch: "Et ass positiv, datt d'Stad Lëtzebuerg matmecht. Dat war net evident ..." Als Syvicol-Präsident habe ich stets darauf hingewiesen, der Innenminister müsse bezüglich dieser Reform in erster Linie das Gespräch mit der Hauptstadt suchen wegen ihrer Sonderstellung durch die Berufsfeuerwehr. Das fand nie statt, bis ich es führte. Dass die Gemeinde Luxemburg jetzt bereit ist, mit in das CGDIS reinzugehen, ist ein Zeichen der Solidarität mit dem ganzen Land, es ist sehr wichtig für die Gesamtstruktur. Und für die Stadt Luxemburg war dies keine finanzielle Frage. Dass sie als Bedingung stellten: "kein Qualitätsverlust", finde ich okay. Genauer gesagt teilt es sich eigentlich in zwei Bedingungen auf: Bis zum CGDIS-Beitritt 2021 verpflichtet sich der Staat, 120 professionelle Rettungshelfer für das CGDIS eingestellt zu haben. Und für das CNIS, ab dem die Rettungseinsätze für Luxemburg -Stadt gefahren werden, sind mindestens 24 Leute pro Schicht zwingend vorgeschrieben. Das sind mehr als jetzt.

Tageblatt: Der zweite große "Brocken": Wollten Sie nicht auch die Gesetzesvorlage zur Reform der Gemeindefinanzen vor dem Sommer fertig haben?

Dan Kersch: Eine solche Aussage habe ich nie gemacht. Trotzdem liegen konkrete Vorschläge meinerseits vor. Der "Conseil supérieur des finances communales" hat sie erhalten, im September werden wir sie besprechen. Danach folgt ein Treffen mit dem Syvicol. Ich hoffe, den Text noch dieses Jahr vorlegen zu können. Zwei Ziele gibt es: es soll mehr Geld an die Gemeinden fließen, und die Verteilung soll gerechter werden. Ich kann dem erwähnten Treffen natürlich nicht vorgreifen, aber meiner Meinung nach ist es beispielsweise möglich, zusätzliche Einnahmen über die Gewerbesteuer zu generieren. Es muss garantiert sein, dass der "Fonds communal de dotation financière" weiter über die TVA, sowie die Lohn- und Autosteuer finanziert wird. Bei der Pro-Kopf-Verteilung gibt es zu große Unterschiede; hier können viele Kriterien eine Verbesserung bringen. Klar wird es "Gewinner" und "Verlierer" geben, ich erwarte mir nicht von jedem Applaus. Das stört mich aber nicht, weil ich überzeugt bin, dass die Richtung die richtige ist.

Tageblatt: Nächste Baustelle: das sogenannte "Omnibus-Gesetz" zur administrativen Vereinfachung. Die aktuelle Wasserstandsmeldung nach dem scheinbar "vernichtenden" Gutachten des Staatsrats?

Dan Kersch: "Dach, en ass gutt!" (ereifert sich etwas) Ich bedauere, dass heutzutage in den Medien, oder gewissen Medien, einfach nur mich die "oppositions formelles" zusammengezählt werden. Zehn Gesetze, zwei "arrêtés grand-ducaux" und ein "arrêté royal" werden abgeändert. Da sind zwölf "oppositions formelles" keineswegs "vernichtend". Eine haben wir schon widerlegt, auch der Staatsrat kann irren. In einer steht "wenn dieser Satz hier geändert wird, muss er auch dort abgeändert werden." Fünf betreffen das gleiche Thema; würden wir entscheiden, dieses ganz zu streichen - dann sind wieder fünf sehr schnell abgearbeitet. Und überhaupt: eine "opposition formelle" ist ja nichts Schlechtes! Der Staatsrat ist in seiner Rolle: Er soll Fehler vermeiden helfen, neue Gesetze auf Unvereinbarkeiten mit der Verfassung, mit bestehenden Gesetzen sowie internationalen Verträgen abklopfen. Ein Gutachten, und das gilt ganz allgemein, fragt man ja nicht aus Spaß an der Freude. Parlament, Regierung und Staatsrat ergänzen sich im Sinne einer kohärenten Gesetzgebung. Es ist ein Miteinander, kein Gegeneinander. Der weitere Zeitplan? Die ersten 33 von 64 Artikeln sind hier im Haus fertig abgearbeitet, mit neuem Textvorschlag. Ich denke wir können recht kurzfristig in die zuständige Parlamentskommission damit.

Tageblatt: Mit der Trennung von Kirche und Staat waren Sie auch bereits befasst; vor kurzem fasste das Syndikat der Kirchenfabriken (Syfel) sogar rechtliche Schritte ins Auge...

Dan Kersch: Wer ist das Syfel? Eine Kirchenfabrik ist ein gesetzlich organisiertes "établissement public", u.a. ist der Bürgermeister darin vertreten. Spricht das Syfel auch für diese? Es kann gar nicht alle repräsentieren, eine solche Vereinigung der Kirchenfabriken ist zudem im Dekret von 1809, um das es hier geht, nicht vorgesehen. Mein Gesprächspartner ist die katholische Kirche, nicht das Syfel. Und die Kirche hat ein Abkommen unterschrieben, das es jetzt umzusetzen gilt. Zur Sache: Auf dem Tisch liegt das Gesetzesprojekt 6824, wel ches die Gemeinden aus der Verpflichtung entlässt, für Defizite der Kirchenfabriken aufkommen zu müssen, sowie ein "presbytere" zur Verfügung stellen zu müssen. Das steht so im Regierungsprogramm, ist konform mit dem Wunsch des Syvicol, wurde im Abkommen Regierung/Kirche so von beiden Seiten unterschrieben. Diese erste Etappe sollte kein Problem darstellen. Die zweite Etappe, das Gesetzesprojekt, welches das weitere Abkommen Regierung/Kirche umsetzt, muss noch geschrieben werden. In diesem , werden die Kirchenfabriken abgeschafft und durch einen nationalen Fonds für alle Gebäude, die aufgrund der zu treffenden Abkommen der Kirche gehören werden, ersetzt. Die Gebäude, die den Kirchen nicht gehören, gehen in Gemeindebesitz über. Bevor also der Gesetzgeber eventuell alleine entscheiden muss, was wem gehört, haben nun alle Akteure auf lokaler Ebene die Gelegenheit, dies vorab zu klären. Sie sollten diese Gelegenheit zur Mitbestimmung nutzen. Dabei sind Katastereinträge nicht entscheidend: entscheidend sind die "titres de propri6t6" - und die fehlen in den allermeisten Fällen.

Tageblatt: Ganz kurz zur Landesplanung, wo das Innenministerium auch mit involviert ist.

Dan Kersch: Ja, aber eher am Rande, deshalb will ich auch nicht zu viel sagen. Stichwortartig: Es wurde vergessen, sich mit den Gemeinden zu konzertieren. Das hat diese Regierung getan, und dieser Fehler wird nicht noch mal passieren. Die Diskussionen gehen weiter, die Regierung ist offen für alles was hilft, schneller voranzukommen. Zur Sache: Man darf nicht übers Ziel hinaus schießen. Die Landesplanung muss auf Landesniveau Leitlinien vorgeben. Die konkrete Planung muss weiter den Gemeinden vorbehalten werden. Es darf nicht überreglementiert werden, eine gewisse Flexibilität muss bleiben.

Tageblatt: Viele wichtige Themen wurden jetzt angesprochen, viel, was schon lange "geschleeft huet." Hat sich die "neue" Regierung nicht zu viel auf einmal vorgenommen?

Dan Kersch: Klar haben wir uns viel vorgenommen. "In unseren eigenen Anforderungen gefangen", würde ich den Kontext umschreiben, in dem wir arbeiten. Wir wissen, dass man Luxemburg nur weiterentwickeln kann, bzw. überhaupt den Status quo halten kann, wenn es gelingt, sich in relativ kurzer Zeit immer wieder an neue Entwicklungen - die passieren, ob wir es wollen oder nicht anzupassen. Und anpassen bedeutet Veränderung. Hier muss man meiner Meinung nach einen weiteren Kontext sehen. Die Leute haben Angst, die zum Teil berechtigt und auf jeden Fall verständlich ist: die Flüchtlingswelle, internationale Konflikte, Libyen, Syrien, Nigeria, Ukraine, Balkan, nicht zu vergessen Griechenland. Hier wurde die Demokratie ad absurdum geführt, das Gegenteil von dem gemacht, was das Volk wollte ... und alle wissen, dass das, was gemacht wird, beileibe keine Lösung ist. Wenn man den Griechen wirklich eine Chance geben will, wird man mittelfristig an einem zumindest teilweisen Schuldenerlass nicht vorbeikommen. Dies ist meine Meinung, auch wenn sie zurzeit im Regierungsrat wohl kaum mehrheitsfähig ist. Klammer zu. , Das sehen die Leute ja alles. Und ziehen sich auf das zurück, was sie haben. Das Referendum hat gezeigt, wie tief Verlustängste in Luxemburg sitzen. Und es hat gezeigt, dass die Integrationspolitik der letzten 40, 50 Jahre vielleicht doch nicht so erfolgreich war, wie sie gerne dargestellt wird. Die Flüchtlingsproblematik zeigt, wie tief unmenschliche und rassistische Reaktionen verankert sind. Das betrifft natürlich nicht die Mehrheit der Menschen; aber man darf auch nicht so tun, als ob es nicht da wäre.

Tageblatt: Zu viel, und vielleicht auch zu unpopulär? Wird diese Regierung daran scheitern, dass sie alles Unbequeme "op de Leescht hëllt"?

Dan Kersch: Erstens werden wir nicht scheitern und zweitens ist die allgemeine Bilanz bisher positiv. Die versprochene Budget-Konsolidierung ist da. Die Maßnahmen alle einzeln gesehen sind sicherlich nicht populär. Aber mal ehrlich: Jeder wird ein bisschen belastet, aber keinem richtig wehgetan. Ich will nicht in eine Situation kommen, wo andere - wie in Griechenland - für uns entscheiden. Und: durch diese Budget -Konsolidierung bekommen wir überhaupt erst den nötigen Spielraum, um eine gerechte Steuerreform durchzuführen zu können! Und meiner Meinung nach geht eine gerechte Sozialpolitik nur über die direkten Steuern. Der Wirtschaft geht es gut, das erste Mal seit Jahren geht die Arbeitslosigkeit zurück, bzw. stagniert wenigstens mal. Die Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs wurde gesteigert. Natürlich schlagen sich hier auch "ausländische" Entwicklungen nieder, aber vieles ist auch "self-made". Der Index, so wie er war, kein manipulierter und kein gedeckeiter, wurde wieder eingeführt. Gegen den Widerstand des Patronats, und entgegen den Empfehlungeh aus Brüssel. Wir haben im öffentlichen Dienst ein Gehälterabkommen mit einem Plus von 2,2 Prozent abgeschlossen. Ich wäre froh, wenn dies Signalwirkung in der Privatwirtschaft hätte. Denn der Wirtschaft geht es wie erwähnt gut, es ist an der Zeit, dass die Menschen wieder daran beteiligt werden! Die Trennung von Kirche und Staat wurde ohne den befürchteten, großen "Kulturkampf" vorangebracht. Wenn jemand vor zwei Jahren gesagt hätte "Zur Rentree 2016/17 wird es in der Schule keinen Religionsunterricht mehr geben", der wäre für verrückt erklärt worden. Das kriegen wir aber nun. Und alle jene, denen das Abkommen nicht weit genug geht? Wo waren sie denn, "wéi déi aner 25.000 Ennerschrëften gesammelt hunn?" Ich könnte diese Liste jetzt nach Belieben fortführen ... Am Groussen a Ganzen mengen ech awer net, datt mer eis schumme mussen.

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