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„Kultur ist für mich elementar“ Interview mit dem Luxemburger Kulturminister Eric Thill im Opus Kulturmagazin
Die Kultur ist die Basis jeder Gesellschaft. OPUS sprach mit dem neuen Luxemburger Kulturminister Eric Thill über sein Kulturverständnis, den Kulturstandort Luxemburg und kulturelle Perspektiven.
OPUS: Herr Minister, welche Bedeutung haben für Sie Kunst und Kulturbetrieb im gesamtgesellschaftlichen Leben Luxemburgs?
Minister Eric Thill: Kultur ist ein bedeutendes Thema hier in Luxemburg, ebenso wie sie in der ganzen Großregion hohe Wertschätzung genießt. Wir haben hier in einem kleinen Land mit einer ganz internationalen, multikulturellen Gesellschaft eine vielfältige Kulturszene, bei der wir ermöglichen, Kultur direkt zu den Menschen zu bringen. Kultur stellt sich für mich einerseits im Alltag dar, in der Tradition und der Sprache, andererseits aber auch in der Diversität und dem multikulturellen breitgefächerten Angebot, das wir haben. Hier leben schließlich 180 Nationen zusammen. Wir sind sehr stolz auf unsere kulturelle Infrastruktur. Ich nenne als Beispiel nur das Nationalmuseum, das Mudam oder die Philharmonie. Zudem haben wir in den letzten Jahren bessere Arbeitsmöglichkeiten für Künstler geschaffen.
Auch außerhalb der Hauptstadt haben Sie in den kleinen Gemeinden ein dichtes Netz von Kultureinrichtungen geschaffen.
Da gibt es für mich in den nächsten Jahren zwar noch Nachholbedarf, aber das Bestehende ist wirklich schon sehr gut. Im Süden wurde mit Esch 2022 sehr viel getan. Mit dem Trifolion haben wir im Osten ein sehr modernes Kulturzentrum, ein weiteres im Norden. In den letzten Jahren ist da viel geschehen. Für mich ist die Kultur elementar. Gerade auch in diesen geopolitisch sehr unsicheren Zeiten, in denen die Kultur verbindet, in denen sie Austausch und Diversität fördert. Für mich als junger Minister war das immer ihre große Stärke. Wir sind sehr froh, dass wir eine junge, dynamische Kulturszene haben, in der viele junge Künstlerinnen und Künstler nachkommen, die von ihrem Auslandsstudium zurückkommen und wo wir sehen, dass wir eine lebendige Kunstszene auf hohem Niveau hier im Land haben.
Welche Rolle spielt für Sie die freie Szene?
Ich bin der Meinung, dass die freie Szene sehr, sehr wichtig ist und wir als Ministerium auch die Verantwortung haben, sie zu unterstützen. Auch in Luxemburg ist es nicht einfach, von der Kunst zu leben. Daher haben wir verschiedene Förderprogramme, bei denen wir bestimmte Projekte auswählen, und Stipendien, mit denen wir gerade junge Leute unterstützen.
Ist im Rahmen der kulturellen Bildung nicht auch die Einbindung von Künstlern der freien Szene in die Unterrichtsplanung möglich, zum Beispiel als Angebot ein Instrument zu lernen?
Das hängt natürlich immer von der Schule ab, wie kulturaffin und motiviert die Schulleitung und das Kollegium sind. Ich stimme Ihnen zu, dass man die kulturelle Bildung stärken muss. Das ist eine meiner Prioritäten. Dafür ist allerdings der Bildungsminister zuständig. Wir sind da einer Meinung und im Gespräch. Im Moment gibt es schon ein sehr interessantes wichtiges Instrument. Es heißt Kulturama. Das ist ein gemeinsames Projekt von Kulturministerium und Bildungsministerium, mit dem wir einen besseren Zugang für Schüler zur Kultur ermöglichen möchten. Das geschieht zum einen durch spezielle Thementage, an denen über Tanz oder Theater in der Schule informiert wird, zum anderen über Projekte, die Künstler der freien Szene zusammen mit den Kindern realisieren. Seit kurzem haben wir in Luxemburg auch den Gratismusikunterricht. Ich finde es sehr wichtig, dass jeder, der eine öffentliche Schule besucht, gleich vom ersten Tag an die Möglichkeit hat, mit der Musik in Kontakt zu kommen.
Zur kulturellen Bildung gehört natürlich auch die Vermittlung des kulturellen Erbes.
Ja, gerade beim kulturellen Erbe, dem Patrimoine, hat man heute viele digitale Möglichkeiten, es auf eine interessante moderne Art zu vermitteln. Sei es über Gaming, Virtual Reality oder über Filme. Da müssen wir gemeinsam mit dem Digitalisierungsministerium schauen, was es für Möglichkeiten gibt, etwa im Bereich der Archäologie oder bei unseren Burgen und Schlössern, die einen großen Teil unserer kulturellen Identität ausmachen. Das wollen wir auf eine spielerisch moderne Art unseren Kindern und Jugendlichen vermitteln. Wenn wir Kinder und Jugendliche möglichst früh an die Kunst und Kultur heranführen, an unsere Tradition und Sprache, sind das später auch kulturaffine Erwachsene, die dann auch den Kulturstandort Luxemburg stärken.
Als Minister fördern Sie die Kulturszene. Aber wie viel Freiheit lassen Sie ihr dabei?
Das ist eine sehr wichtige Frage, auf die ich auch ganz klar antworte. Die Aufgabe des Ministeriums ist es nicht, zu sagen, das ist gut und das ist nicht gut. Nach meiner Auffassung ist meine Verantwortung, einen Rahmen zu schaffen, damit die Künstlerinnen und Künstler der freien Szene ihre Kunstleidenschaft leben können. Alles andere fällt unter die künstlerische Freiheit. Außerdem ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unseren Kulturinstitutionen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um mit den Kunstschaffenden zusammenzuarbeiten.
Wie frei sind denn die Gemeinden bei ihren kulturellen Projekten? Sie erhalten doch sicher auch Fördergelder?
Ja, auch dort beteiligen wir uns mit Fördergeldern an Projekten, wir unterstützen die Gemeinden so gut wie möglich. Das ist sehr wichtig, denn in den Kommunen fängt die kulturelle Vielfalt an. Es ist wichtig, dass man da gut kommuniziert. Allerdings sind die Gemeinden in ihren kulturellen Aktivitäten selbstverantwortlich. Im Augenblick arbeiten wir intern an einem „pact culturel“, um die Zusammenarbeit mit den Gemeinden zu stärken, durch Gesetze, aber auch durch Unterstützung und Beratung. Kultur, Kunst, Meinungsfreiheit, künstlerische Freiheit haben gerade in diesen schwierigen Zeiten, in denen das Zusammenleben auf die Probe gestellt wird, eine große Bedeutung, wenn es darum geht, das Zusammenleben zu stärken, kritisch nachzufragen und auf Probleme hinzuweisen.
Sie arbeiten ja auch mit Institutionen der Großregion zusammen.
Ja, sicher. Als Großregion teilen wir ja auch einen gemeinsamen kulturellen Lebensraum und haben ähnliche Probleme.
In den letzten Jahren wurde die Luxemburger Universität eindrucksvoll ausgebaut. Bestehen in Luxemburg auch Pläne im Zusammenhang mit der Universität eine Kunsthochschule zu gründen?
Im Augenblick haben wir im Regierungsprogramm und im Koalitionsabkommen nichts in dieser Richtung. Aber ein Interesse daran ist schon vorhanden, auch bei den Luxemburger Künstlern und Künstlerinnen. Es besteht ja bereits eine Zusammenarbeit zwischen der Universität und dem Casino, das auch mit Institutionen der Großregion zusammenarbeitet. Man muss zunächst sehen, wie man gerade die Zusammenarbeit mit der Großregion noch verbessern kann. In den nächsten Jahren könnte man dann über so etwas wie eine Kunsthochschule nachdenken.
Wäre eine Kunsthochschule nicht wichtig für die internationale Zusammenarbeit?
Da bin ich ganz bei Ihnen. Wir haben in Luxemburg viele gute Künstler. Aber um einen gewissen Erfolg zu haben, muss man ins Ausland. Da darf man nicht nur auf nationalem Niveau denken. Deshalb ist wie gesagt die Zusammenarbeit in der Großregion so wichtig. Wir brauchen für den Austausch hier in Luxemburg Künstlerresidenzen. Davon profitieren Künstler, Kunstszene und das Land. Ein hervorragendes Beispiel, das auch in vielen anderen Sparten der Kultur gelebt wird, ist der Film, bei dem Leute aus der ganzen Großregion nach Luxemburg kommen. Wir sind dabei, das auszubauen.
Bestehen Pläne, neue Kulturinstitutionen zu gründen?
Wir haben jetzt das Centre Monuments du Luxembourg gegründet (CML). Dort sind unsere Burgen und Schlösser vereint. So können wir die Betreuung und Events auf eine professionellere Ebene stellen, unser kulturelles Erbe besser darstellen, und auch den Touristen einen besseren Service anbieten. Ein anderes Projekt ist die Villa Louvigny, die wir als Kunstzentrum mit Konzertsaal und Ateliers einrichten wollen, die wir Künstlern gegen ein geringes Entgelt zur Verfügung stellen. Solche Ateliers wollen wir über das ganze Luxemburger Land verteilt für einheimische, aber auch für ausländische Künstler einrichten.
Wie sehen Sie den wirtschaftlichen Nutzen der Kultur?
Ich habe ja Ökonomie studiert, aber ich bin der Meinung, dass man Kultur nicht chiffrieren kann. Das ist auch nicht Sinn und Zweck der Kultur. Was mir wichtig ist, um den Stellenwert der Kultur zu erhöhen, ist konkrete Zahlen darüber zu haben, wieviel Leute zum Beispiel in der Kultur tätig sind, wieviel Arbeitsplätze durch sie geschaffen werden. Es ist wichtig, Fakten, genaue Zahlen und Statistiken zu haben, um mehr Fördermittel zu generieren, und mit den Regierungskollegen reden zu können. Jeder Cent, jeder Euro für die Kultur ist ein Cent, ein Euro für unsere Identität, unsere Lebensqualität und unsere Vielfalt. Aber es geht dabei nicht um wirtschaftlichen Nutzen. Das ist auch in Hinblick auf die nächste Generation sehr wichtig.
Haben Sie selbst Vorlieben bei Ihren kulturellen Aktivitäten?
Ich bin ein großer Anhänger der luxemburgischen Sprache. Es ist mir sehr wichtig, dass unsere Sprache gepflegt wird. Und mir liegt auch sehr die Verbindung zwischen unserem kulturellen Erbe und unserer Gegenwart am Herzen, zum Beispiel in der Architektur. Ich bin auch ein großer Freund der modernen abstrakten Kunst. Und auch unsere Filmproduktion ist mir wichtig, bei der wir mit vergleichbar geringen Mitteln erreichen, uns gut auf der internationalen Bühne darzustellen.
Das Gespräch führten Eva-Maria Reuther und Kurt Bohr
Zur Person:
Eric Thill wurde 1993 in Luxemburg-Stadt geboren. Er studierte Management und hat einen Master in European Governance. Thill war in einem Consulting-Unternehmen für Finanzinstitute tätig. Von 2019 bis 2023 war er Bürgermeister der Gemeinde Schieren. Seit 2023 ist er Minister für Kultur und beigeordneter Minister für Tourismus.