Höher, dichter, schneller: Minister Delles' Plan für Gewerbegebiete

Interview mit Lex Delles im Lëtzebuerger Journal

Interview: Lëtzebuerger Journal (Christian Block, Lex Kleren)

 

Lëtzebuerger Journal: Mit Aussicht auf ein Wirtschaftswachstum von maximal einem Prozent in diesem Jahr hat die Handwerkskammer die ökonomische Lage des Landes kürzlich als einen "Anlass zu großer Besorgnis" ("source de préoccupation majeure") bezeichnet. Teilen Sie diese Einschätzung?

Lex Delles: Innerhalb dieses Ministeriums teilen wir diese Bedenken. Das derzeitige Wachstum gleicht bei Weitem nicht die Rezession aus, aus der wir kommen. Das nationale Statistikinstitut Statec hat seine (im Dezember 2024 erstellte, d. Red.) Prognose für 2025 mit einem Wachstum von 2,5 Prozent inzwischen revidiert. Wie auch die EU-Kommission ihre Prognose für die gesamte Eurozone inklusive Luxemburg nach unten korrigiert hat. Die Prognosen decken sich mit der Entwicklung der Arbeitslosigkeit, der Unternehmensgründungen, der Insolvenzen, die wir in Luxemburg deutlich spüren. Wir stellen fest, dass die verschiedenen Krisen, die wir in den vergangenen Jahren durchlebt haben, sei es Covid, Inflation, Energie, die unsichere Lage im Nahen Osten, der Krieg in der Ukraine und nicht zu vergessen die USA (mit Blick auf die Handelspolitik von Präsident Trump, d. Red.); dass all das Unsicherheit für die Wirtschaft mit sich bringt und dazu beiträgt, dass wir das Wachstum von mehr als drei Prozent, das wir zwischen 1994 und 2019 sowohl in der Beschäftigung als auch auf Ebene des BIP kannten, nicht mehr erreichen.

Lëtzebuerger Journal: Kommen wir zum Thema Industriezonen, wie sie geläufig noch genannt werden. Das Koalitionsabkommen erwähnt in einem Nebensatz, dass die Entwicklung "bestimmter" Gewerbegebiete "blockiert" sei. Laut Geoportal befinden sich derzeit rund 35 Zonen in der Planung. Wie viele davon kommen nicht voran?

Lex Delles: In einem Koalitionsabkommen ist auch ein Nebensatz ein wichtiger Satz. Als mit dem sektoriellen Leitplan (Plan directeur sectoriel "zone d'activités économiques", d. Red.) Gewerbegebiete ausgewiesen wurden, wusste ich als ehemaliger Bürgermeister (von Bad Mondorf von 2014 bis Oktober 2018, d. Red.) und Vorsitzender eines Gewerbegebiets (das Gemeindesyndikat SIAER – Triangle vert, d. Red.), dass verschiedene dieser Gewerbegebiete niemals umgesetzt werden könnten. Aus verschiedenen Ursachen. Weil zum Beispiel ein ganzer Bauernhof seine Aktivität hätte einstellen müssen, weil er voll in einem designierten Gebiet lag, oder ein Wald Platz hätte machen müssen und keine Kompensierungsflächen gefunden würden. Insgesamt ist in Luxemburg heute eine Fläche von 1.039 Hektar an nationalen und regionalen Gewerbegebieten ausgewiesen. 456 Hektar an neuen Zonen oder Erweiterungen bestehender sind vorgesehen.

Von diesen 456 Hektar sind 106 Hektar dabei, erschlossen zu werden. 140 Hektar befinden sich in der Planung. Zudem wollen wir wissen, welche Grundstücke in allen Wirtschaftszonen des Landes, also die kommunalen Zonen miteingeschlossen, noch nicht bebaut sind, und auf welchen Grundstücken eventuell bestehende Gebäulichkeiten teils oder ganz leer stehen. Sinn und Zweck ist es, die vorhandenen Möglichkeiten besser zu nutzen. Deshalb habe ich die Erstellung eines Katasters der Gewerbegebiete in Auftrag gegeben (das bis Jahresende entstehen soll, d. Red.).

Das bringt mich zu einem zweiten wichtigen Punkt: Wir streben keine Versiegelung des ganzen Landes an. Das ist in den Leitlinien der Landesplanung klar verankert. Wir wollen aber auch ein Wachstum der wirtschaftlichen Aktivität. Deshalb ist eines unser Hauptanliegen das Voranbringen der baulichen Verdichtung der Gewerbezonen. Auch wenn die Umsetzung dieses Konzeptes letzendlich in der Kompetenz der Gemeinden liegt und die kommunale Autonomie spielt, sind wir dennoch in Gesprächen mit allen Syndikaten und einigen Gemeinden, um die Verdichtung voranzubringen.

Lëtzebuerger Journal: So wie im Rahmen des Pilotprojekts, das Sie im Februar vorgestellt haben, mit Blick auf den Ausbau des Gewerbegebiets in Ellingen?

Lex Delles: Bei der Erweiterung der "ZAE Triangle vert" um insgesamt etwa 29 Hektar werden wir die Kriterien der Verdichtung direkt anwenden, höher bauen können und statt Grünstreifen zwischen den Gebäuden zusammenhängende Grünflächen einrichten können, mit denen wir nicht nur die Artenvielfalt garantieren können, sondern die auch als Erholungsort dienen können.

Auf der anderen Seite kann dann eine viel größere Fläche bebaut werden. Es wird interessant werden, wie wir die Verdichtung sowohl im neuen als auch im bestehenden Gewerbegebiet vornehmen können. Wenn sich bestehende Betriebe vergrößern wollen, müssen sie laut dem bestehenden PAG "auf die grüne Wiese gehen" und neu bauen. Wir haben aber jetzt schon Betriebe gesehen, die kein neues Grundstück brauchen, wenn sie in die Breite ausbauen oder in der Höhe aufstocken können.

Weil es aber nicht für alle Betriebe Sinn ergibt, über zusätzliche Stockwerke zu verfügen, wird die entsprechende großherzogliche Verordnung angepasst, um andere Aktivitäten in Gewerbegebieten zu erlauben, die bis dato Handwerksbetrieben vorenthalten waren. Zum Beispiel aus dem Dienstleistungsbereich.

Lëtzebuerger Journal: Wie Kindertagesstätten oder Fitnesszentren?

Lex Delles: Beides ist möglich, aber auch Freiberufler, Buchhalter, Planungsbüros oder auch andere Handwerksaktivitäten. Ein Schönheitsinstitut kann sich zum Beispiel im zweiten oder dritten Stock niederlassen.

Lëtzebuerger Journal: Um die Zahlen zu vervollständigen: Was ist mit den verbleibenden 210 Hektar?

Lex Delles: Da befinden wir uns in den Diskussionen, weil wir seit nunmehr vier Jahren wissen, – der sektorielle Leitplan für die "zones d'activités économiques" ist 2021 in Kraft getreten –, dass es sich teilweise um Grundstücke handelt, die auch in den kommenden 10 bis 15 Jahren nicht erschlossen werden können. Wir arbeiten deshalb mit der Landesplanung am sektoriellen Plan, um zu prüfen, ob wir nicht bestimmte Grundstücke herausnehmen und durch andere ersetzen sollen, die einfacher zu erschließen sein werden.

Lëtzebuerger Journal: Dennoch kann der Weg dorthin für die beteiligten Gemeinden mit Frust verbunden sein. Prozeduren, die Jahre verschlingen und hohe Kosten verursachen, das Hin und Her mit den Verwaltungen, die Abwesenheit einer proaktiven Kommunikation und viel Herumtelefonieren, um herauszufinden, wo das Dossier dran ist.

Lex Delles: Eine meiner Prioritäten, als ich dieses Ministerium übernommen habe, war die Einrichtung einer Generaldirektion, die ausschließlich die Gewerbegebiete betreut, sowie die Bestimmung von Ansprechpersonen für die einzelnen Zonen. Weil es nicht am Bürgermeister oder am Präsidenten eines Gemeindesyndikats ist, ständig per Telefon nachfragen zu müssen, wo das Dossier dran ist und wie es vorankommt. Seit einem guten Jahr sind wir mit diesem Modell unterwegs und wir erhalten eine sehr positive Resonanz bei allen Gemeindeverbänden.

Lëtzebuerger Journal: Laut aktuellen Angaben der Handwerkskammer befinden sich mindestens 100 Handwerksbetriebe auf der Suche nach einem Grundstück, benötigt würden 68 Hektar, wo Ende 2024 in den regionalen Aktivitätszonen nur noch 15 Hektar frei waren. Das klingt nach einer Notsituation oder etwa nicht?

Es freut mich zunächst, wenn so viele Betriebe ausbauen wollen, weil es zeigt, dass es eine wirtschaftliche Aktivität gibt und die Betriebe investieren wollen, damit sie über die kommenden Jahre gut aufgestellt sind. Wenn so viele Betriebe auf der Suche sind, und ich glaube das, dann werden wir auch vorankommen. Ich habe von den 106 Hektar gesprochen, die sich in der Erschließung befinden. Gleichzeitig arbeiten wir daran, um die anderen in der Planung befindlichen Gewerbegebiete voranzubringen. Wir wissen, dass es an Grundstücken fehlt.

Darüber hinaus gibt es viele Betriebe, die sich gründen wollen, die aber weder eine Halle noch ein Grundstück finden, oder aber denen das Kapital fehlt, um ein Gebäude bauen zu können. Ein Handwerkerhof – so wie er im Koalitionsabkommen in einem Hauptsatz steht – ist ein weiteres Element, um diesen Betrieben zu helfen. Ich bin im Gespräch mit den Gemeinden Düdelingen und Bettemburg, um im Gewerbegebiet Wolser B ein solches Projekt umzusetzen, aber auch, um die Verdichtung voranzutreiben.

Lëtzebuerger Journal: Auf dem Grundstück von Liberty Steel, das die Regierung kaufen will?

Lex Delles: Der genaue Standort steht noch nicht fest, aber es wird auf Wolser B sein.*

Lëtzebuerger Journal: Sind Sie dennoch mit der Aussage einverstanden, dass die Lage dringlich ist?

Lex Delles: Ja. Deswegen haben wir alle die erwähnten Punkte in Gang gesetzt, weil wir uns in einer Dringlichkeitslage befinden und weil wir neue Flächen erschließen müssen.

Lëtzebuerger Journal: Gibt es Schätzungen zu den Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft, wenn so viele Betriebe hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben?

Lex Delles: Nein.

Lëtzebuerger Journal: Die Frage ergibt sich daher, weil das Journal mit Unternehmen gesprochen hat, die zum Teil seit 15 Jahren expandieren wollen und entweder kein geeignetes Grundstück finden oder falls doch, die Erschließung des Gewerbegebiets einfach nicht vorankommt, während die Preise kontinuierlich steigen.

Lex Delles: Sagen Sie ihnen, sie sollen sich bei der Generaldirektion für Gewerbegebiete im Wirtschaftsministerium melden.

Lëtzebuerger Journal: Nun gut. Jedenfalls hat ein Unternehmer in diesem Zusammenhang fast von einer "geschäftsschädigenden" Entwicklung gesprochen. Können Sie das nachvollziehen?

Lex Delles: Natürlich ist es für eine Wirtschaft schlecht, wenn es an Grundstücken fehlt, weil es zeigt, dass das Wirtschaftswachstum größer ist, als Grundstücke für diese Aktivitäten nachkommen. Deshalb drehen wir an den verschiedenen genannten Stellschrauben. Es gibt allerdings auch noch privat betriebene Gewerbegebiete. Der Staat hat kein Monopol.

Lëtzebuerger Journal: Ihr Vorgänger im Wirtschaftsministerium hat 2022 eine Reform des Gesetzes über die Gewerbegebiete vorgelegt. Der Staatsrat hat sein Gutachten im Februar 2024 veröffentlicht. Wie geht es jetzt weiter?

Lex Delles: Wir arbeiten daran. Der Staatsrat wirft eine Reihe von Fragen auf. Mir war es jetzt wichtig, mit der Verdichtung voranzukommen und die großherzogliche Verordnung anzupassen.

Lëtzebuerger Journal: Sie haben sich in den vergangenen Monaten mit den Gemeindesyndikaten getroffen, die Gewerbegebiete betreiben.

Lex Delles: Wir sehen sie alle ein- bis zweimal im Jahr.

Lëtzebuerger Journal: Müssten solche Handwerkerhöfe nicht heute schon viel verbreiteter sein bzw. die Pläne zukünftiger Gewerbegebiete jetzt noch angepasst werden, um dichter bauen zu können?

Lex Delles: Genau dazu dienen diese Treffen mit den Verantwortlichen der Gewerbegebiete. Ein paar Syndikate sind an uns herangetreten, damit wir sie bei der Verdichtung unterstützen.

Lëtzebuerger Journal: In den nationalen Industriezonen ist im Vergleich zu den regionalen noch deutlich mehr Platz frei. Die Handwerkskammer plädiert dafür, den Handwerksbetrieben die Nutzung dieser Flächen zu ermöglichen. Warum geht das nicht?

Lex Delles: Wenn es sich um eine "zone spéciale" handelt, soll dort ein bestimmter Wirtschaftszweig entwickelt werden, wie den (in Esch/Alzette geplanten, d. Red.) HealthTech-Campus HE:AL, wo die Zusammenarbeit [und die Nähe] zwischen den Unternehmen wichtig ist. Und in nationalen Zonen, wo beispielsweise Schwerindustrie zu finden ist, ist ein kleiner Dachdeckerbetrieb auch ein wenig fehl am Platz.

Lëtzebuerger Journal: Wie konnte es eigentlich zu diesem Planungsdefizit kommen, wo doch das Handwerk von Politiker*innen regelmäßig als das Rückgrat der Wirtschaft bezeichnet wird?

Lex Delles: Ich spreche immer vom Mittelstand.

Der sektorielle Plan ist eine Antwort darauf. Aber wir hatten einfach ein immenses Wachstum und die verschiedenen Grundstücke wurden nicht schnell genug erschlossen, um diesem Wachstum Rechnung zu tragen. Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, schnell voranzukommen, dass wir wissen, wo sich Grundstücke befinden und diese optimal ausnutzen und dass wir nicht zu viele Blockaden haben.

* Im Zuge der Validierung der Zitate merkte das Wirtschaftsministerium an, dass das Projekt Handwerkhof "wohl" auf Wolser B umgesetzt werden soll. Eine definitive Entscheidung wurde demnach noch nicht getroffen.

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