"Wir müssen weiterkämpfen"

Interview von Carole Dieschbourg im Tageblatt

Interview: Tageblatt (Armand Back)

Tageblatt: Wie lautet Ihre Bilanz zu Kattowitz?

Carole Dieschbourg: Es waren schwierige Verhandlungen. Wir haben ein anderes politisches Umfeld als noch zu Zeiten des Pariser Abkommens. Wir haben keine USA mehr, die mit uns zusammen für den Klimaschutz kämpfen. Auch auf Expertenebene waren die Gespräche schwieriger. Amerika, Brasilien und Saudi-Arabien haben bereits im Vorfeld Probleme gemacht. Aber Polen, zusammen mit dem Sekretariat, hat offensichtlich einen guten Job gemacht. Sonst wäre es nicht zu dieser Einigung gekommen.

Tageblatt: Ja, weil wir es geschafft haben, dass sich 197 Partner einstimmig dafür entschließen. Und wir haben ein gutes Regelbuch erstellt.

Gut in dem Sinne, dass die Regeln transparent sind und alle Bereiche des Pariser Abkommens abdecken. Womit wir unzufrieden sind, ist die eher geringe Ambition, die das Abkommen vermittelt. Ich selber sehe e$ aber so, dass, wenn das Regelbuch stimmt, es an uns ist, mit der Zeit mehr Dynamik einfließen zu las- sen. Und dass wir nun regelmäßig quasi eine Inventur durchführen, wer was macht, ist ebenfalls positiv. In Zukunft wird keiner kommen wollen und sich bloßstellen, wenn er nichts erreicht hat. Was wir jetzt brauchen, sind verantwortungsvolle Politiker, die dafür sorgen, dass es vorwärts geht — wir müssen weiterkämpfen.

Tageblatt: Die Bestimmungen für den Emissionshandel wurden ausgeklammert Wieso?

Carole Dieschbourg: Wir haben als Europäer — die ja darin bereits eine gewisse Erfahrung haben — gespürt, dass das Ergebnis nicht gut sein würde. Brasilien hat stark dagegen gearbeitet. Wäre das System so angenommen worden, wäre es möglich gewesen, dass diese Märkte nicht funktioniert hätten. Um zu etwas Besserem zu kommen als dem, was wir jetzt auf die Schnelle erreicht hätten, brauchen wir Zeit.

Tageblatt: Was bedeutet das Regelbuch für Luxemburg?

Carole Dieschbourg: An sich wird ein Umsetzen des Abkommens für uns vor allem zu einer Weiterführung unserer Politik führen. Wir wissen, dass der Klimawandel ein großes Risiko bedeutet. Sowohl für die Menschen als auch für die Wirtschaft. In Europa haben wir bereits Klimapolitiken. Kattowitz hilft, das weltweit zu machen. Es ist ein Schub für den Klimaschutz — dass überall auf der Welt geschaut wird, wie wir unsere Systeme klimafreundlicher gestalten.

Tageblatt: Wissenschaftler sagen massive Gefahren voraus. Müsste das Umdenken nicht noch umfassender sein?

Carole Dieschbourg: Die Wissenschaftler sind in ihren Aussagen glasklar: Wenn wir die Ziele erreichen wollen, müssen wir schnell handeln und viel tiefgreifendere Änderungen durchführen. Aber das ist machbar. In den vergangenen Jahren haben wir im Klimaschutz bereits viel erreicht. Und bedenkt man, dass das Verhandlungen unter 197 Partnern waren, wo wir uns zeitgleich in verschiedenen Politikfeldern nicht einmal in Europa einigen können, dann ist das schon ein Erfolg. Dieses Ergebnis ist ein starkes Zeichen für den Multilateralismus — dass es möglich ist, sich in schwierigen politischen Zeiten doch zu einigen. Noch vor einer Woche hätte ich nicht gedacht, dass wir das schaffen. Der Widerstand war wirklich groß. Natürlich ist es nicht optimal und natürlich ist es ein Kompromiss, aber das Regelwerk stimmt und ist stark genug. Das finden sogar viele Nichtregierungsorganisationen, die ja meist kritischer sind.

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