Interview mit François Bausch im Luxemburger Wort

"Es ist ein Thema"

Interview: Luxemburger Wort (Marc Schlammes)

Luxemburger Wort: François Bausch, China rüstet auf, zwischen dem Westen und Russland ist Kalter-Krieg-Stimmung angesagt: Droht der Zusammenhang zwischen Klima und Sicherheit da nicht unterzugehen?

François Bausch: Dieses Risiko ist natürlich reell und die rasante wirtschaftliche und militärische Entwicklung Chinas droht alle anderen Aspekte zu überlagern. Die Wahrnehmung hängt aber immer mit den tonangebenden Akteuren zusammen und da erkenne ich beispielsweise bei der neuen US-Regierung ein Gespür für die Thematik. Da bin ich dann schon optimistischer gestimmt als vor drei Jahren.

Luxemburger Wort: Das heißt, in Militärkreisen und in der Politik gibt es nun ein Bewusstsein für den Klimawandel als Sicherheitsfaktor?

François Bausch: Auch wenn für mich von Beginn an klar war, dass ich das Verhältnis zwischen Sicherheit und Klimawandel thematisieren will, wurde es zu Beginn wie ein exotisches Thema aufgenommen, ob bei Ministerratstreffen oder in Diplomaten- und Militärkreisen. Diese Haltung hat sich mittlerweile grundlegend geändert, wie auch der rezente NATO-Gipfel zeigt: In ihrer strategischen Ausrichtung bis 2030 gehört der Klimawandel zu den Prioritäten. Und letztlich spielen auch Alltagsereignisse mit: Wenn Militärbasen von Wetterextremen heimgesucht werden und die Manövrierfähigkeit von Einheiten nicht mehr gewährleistet ist, wird die Bewusstseinsbildung forciert.

Luxemburger Wort: Inwieweit ist es in puncto Glaubwürdigkeit und Überzeugung hilfreich, dass ein grüner Politiker das Thema aufgreift?

François Bausch: Das hat ganz sicher geholfen. Abgesehen von der anfänglichen Skepsis, dass ein Grüner diesen Punkt natürlich besetzen muss, haben die meisten mittlerweile erkannt, dass es sich nicht um Öko-Spinnereien handelt, sondern um eine handfeste Herausforderung. Auch deshalb war es wichtig, dass Déi Gréng das Ressort übernommen haben. Wir finden Gehör, bis hin zu NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dabei hat ein luxemburgischer Minister den Vorteil, dass ihm, im Gegensatz zu den großen Partnern, keine militärischen oder wirtschaftlichen Hintergedanken in seine Ideen hineininterpretiert werden können.

Luxemburger Wort: Wie steht es um die Aufgeschlossenheit bei der luxemburgischen Armee?

François Bausch: Die ist absolut gegeben. Die aktuelle Führung um General Steve Thull verfügt über das nötige Gespür und ist sich beispielsweisebewusst, dass auch eine moderne Armee ihren Beitrag zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks leisten muss.

Luxemburger Wort: Der ökologische Fußabdruck des Militärs ist enorm. Wie sieht es für Luxemburg aus?

François Bausch: Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, auf deren Grundlage wir ein nachhaltiges Monitoring praktizieren können. Nur so können wir von einem Ist-Zustand ausgehend belegen, inwieweit wir durch verschiedene Maßnahmen, zum Beispiel die Renovierung der Kasernen, einen Beitrag zur CO2-Einsparung leisten.

Luxemburger Wort: Wo sehen Sie denn konkret Einsparpotenzial?

François Bausch: Wie schon erwähnt auf technischer Ebene, ob mit einer energieeffizienten Gebäudegestaltung oder mit mobilen Solaranlagenstatt Generatoren, die mit fossiler Energie betrieben werden. Die Forschung ist ein weiteres Feld, insbesondere mit Blick auf alternative Antriebsarten, denn der heutige Verbrauch ist gigantisch. Wasserstoff kann beispielsweise für die Marine eine Option darstellen. Und dann müssen wir das Potenzial beim Bündeln von Kräften ausschöpfen. Ich denke an das gemeinsame belgisch-luxemburgische Bataillon oder das von mehreren Ländern, darunter Luxemburg, betriebene "Multi Role Tanker Transport"-Programm. Eine kluge Zusammenarbeit reduziert automatisch den Fußabdruck. Deshalb störe ich mich auch so fundamental an der Vorgabe, dass die NATO-Partner zwei Prozentihres BIP investieren müssen: Das ist eine politisch festgelegte Quote, die nichts über die Wirksamkeit von Militärausgaben aussagt. Es kommt auf das "Wie" dieser Ausgaben an, nicht auf das "Wieviel".

Luxemburger Wort: Die Zusammenhänge zwischen Klima und Sicherheit sollen auch im November bei der nächsten Weltklimakonferenz zur Sprache kommen. Hätte sich die COP nicht längst der Problematik widmen müssen?

François Bausch: Ganz bestimmt. Dass dies nichtgeschehen ist, reflektiert letztlich die Krankheit der COP. Bei der Klimakonferenz leben die Akteure in ihren Blasen, da die Aktivisten, dort die Politiker, und jeder sucht die Schuld für den Klimawandel beim anderen. Dabei braucht doch niemand mehr vom Klimawandelüberzeugt zu werden, der ist wissenschaftlich belegt. Mit der Folge, dass eben eine ganze Reihe von gesellschaftlich wichtigen Themen vernachlässigt wurden, weil der Blick für das große Ganze fehlte.

Luxemburger Wort: Diese Feststellung gilt aber auch beim generellen Krisenmanagement, denn Konflikte wie in Nahost oder in der Sahel-Zone haben auch eine ökologische Komponente, ohne dass die bislang vordergründig behandelt wurde.

François Bausch: Das hat vornehmlich damit zu tun, dass der Begriff "Sicherheit" immer sehr eingeschränkt definiert wurde, mit den klassischen Bereichen wie Abschreckung oder Abrüstung. Mittlerweile hat sich das Blickfeld durch den Begriff der hybriden Bedrohung erweitert, bis hin zum Klimawandel. Hinzu kommt, dass der Klimawandel in vielen Teilen der Erde die Konfliktbereitschaft in erheblichem Maße verschärfte. Auch das hat dazu geführt, dass dem Begriff der Prävention eine stärkere Bedeutung beigemessen wird, auch in der NATO. Zumal nur Prävention gegen den Klimawandel schützt. Es gibt keinen Impfstoff. Wenn ich erreichen möchte, dass es in der Sahel-Zone weniger Krisen um Wasser und fruchtbare Böden gibt, muss ich bei den Ursachen ansetzen.

Luxemburger Wort: Das setzt ein neues Einsatzverständnis bei den Armeen voraus.

François Bausch: Erst einmal ist es wichtig, dass das Verständnis für diese Zusammenhänge vorhanden ist. Daraufhin muss entsprechend gehandelt werden. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die luxemburgische Armee in der Sahel-Zone, wo sie zurzeit Ausbildungsaufgaben wahrnimmt, gemeinsam mit unserer Kooperationshilfe Solaranlagen errichtet, um Brunnen zu betreiben und die Wasserversorgung zu gewährleisten. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ein solches Engagement auch als Verteidigungsleistung innerhalb der NATO anerkannt wird.

Luxemburger Wort: Wenn man beobachtet, wie seit geraumer Zeit in der Arktis die militärische Präsenz zunimmt: Besteht nicht auch die Gefahr, dass der Klimawandel und seine Folgen mit einem neuen militärischen Wettrüsten einhergehen?

François Bausch: Das ist eine enorme Gefahr. Eigentlich müsste jeder besorgt darüber sein, dass die Arktis schon bald per Schiff durchquert werden kann. Wenn beispielsweise die atomare Abrüstung vertraglich festgelegt wird, ist das richtig und wichtig. Sicherheits- und Verteidigungsakteure sollten sich aber auch einmischen, damit Regionen wie die Arktis tabu bleiben und die dortigen Ressourcen unter der Erde bleiben. Auch hier braucht es internationale Abkommen. Wird jedoch ein Wettlauf um die Ressourcen zugelassen, sind Konflikte allein schon bei der Regelung von Hoheitsrechten vorprogrammiert.

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