Alle Akteure mitnehmen

Interview: Revue (Eric Hamus)

Revue: Herr Minister, würden Sie aktuell eher zumKauf oder zum Mieten raten?

Claude Meisch: Die Wohnungsbaupolitik fördert sowohl den Kauf als auch das Mieten von Wohnungen. Letztlich hängt die Entscheidung ob man kauft oder mietet, von der persönlichen und finanziellen Situation des Einzelnen und seinen kurz-, mittel- und langfristigen Perspektiven ab. Kaufen ist eine langfristige Investition, die Stabilität bietet. Eine Entscheidung für das Mieten ermöglicht mehr Flexibilitat und ist mit weniger finanziellen Verpflichtungen verbunden.

Revue:Ist aktuell ein guter Zeitpunkt zum Bauen?

Claude Meisch: Gerade jetzt könnte der richtige Zeitpunkt sein, zu investieren. Sei es in eine Eigentumswohnung oder als Kapitalanlage. Preise und Zinsen sind gesunken. Es gelten aber auch noch attraktive steuerliche Vergünstigungen, die demnächst auslaufen. Dabei sind die Grundbedingungen für den luxemburgischen Immobilienmarkt weiterhin positiv. Die demographische Entwicklung sowie der weiterwachsende Arbeitsmarkt werden auch in Zukunft den Bedarf an Wohnungen auf hohem Niveau halten.

Revue: Welche Argumente sprechen fürs Bauen? Welche Prämien und Hilfen gibt es?

Claude Meisch: Wohnungskäufer haben momentan eine guteVerhandlungsposition. So gut, wie schon lange nicht mehr. Darüber hinaus hat die Regierung verschiedene Fördermaßnahmen eingeführt,wie zum Beispiel die Erhöhung der Einkommensgrenzen für erschwingliche Wohnungen,um auch die Mittelschicht verstärkt zu unterstützen. Derzeit stehen verschiedene Beihilfen und Prämien zur Verfügung, um den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern, wobei Anpassungen vorgenommen wurden, um die Anspruchsberechtigung zu erweitern, das heißt in anderen Worten, um sie zugänglich zu machen für einen größeren Teil der Bevölkerung. Zu den wichtigsten Förderungen gehören Eigenheimzulagen, die ausgeweitet wurden, sowie eine Neufassung der Sparprämie, die das Sparen zur Bildung von Startkapital fördert. Darüberhinaus wurden 2023 neue Prämien eingeführt,insbesondere für die Schaffung von Einliegerwohnungen und zur Unterstützung energetischer Renovierungen, mit einem Zuschlag für Haushalte mit niedrigem Einkommen.

Revue: Die teuren Wohnungspreise stehen oft in der Kritik. Wie kann man die Lage überhaupt in den Griff kriegen?

Luxemburg braucht mehr erschwingliche Wohnungen - für alle Bevölkerungsgruppen. Deshalb ist es die Ambition der Regierung,noch deutlich stärker in öffentlich geförderten Wohnraum zu investieren. Hier hinken wir weithinter anderen europäischen Ländern hinterher. Wir stellen fest, dass besonders junge Menschen, oft Berufseinsteiger, Schwierigkeiten haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Aber auch Alleinerziehende oder Familien mitvielen Kindern müssen lange auf eine passende Wohnung warten. Dies sowohl auf dem privaten als auch auf dem geförderten Wohnungsmarkt. Allgemein müssen wir aber mehr und schneller bauen, ob privat oder öffentlich. Deshalb hat die Regierung gleich nach Antritt Maßnahmen zur administrativen Vereinfachung imWohnungsbau auf den Weg gebracht. Nur so können wir mittelfristig Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht bringen und den Zugang aller Einwohner zu bezahlbaren Wohnungen garantieren. Eine Voraussetzung für Wachstum und sozialen Zusammenhalt.

Revue: Bauen die öffentlichen Bauträger genug undvor allem schnell genug?

Claude Meisch: Die öffentlichen Bauträger Fonds du Logement und SNHBM haben ihre Kapazitäten bereitserhöht. Zusätzlich wird die Produktion in den kommenden Jahren beschleunigt, auch durch die Schaffung neuer Viertel. Erschwinglicher Wohnraum wird aber ebenfalls durch Gemeinden geschaffen, durch nicht-gewinnorientierte Organismen und morgen auch verstärkt durch private Immobilienentwickler. Schon heute kauft der Staat Immobilienprojekte auf demprivaten Markt auf und erhöht so das Angebotan erschwinglichen Wohnungen. In Zukunftwollen wir auch Immobilien zu diesem Zweckanmieten. Bezahlbarer Wohnraum ist eine nationale Aufgabe. Die Antwort muss deshalbauch alle Akteure mitnehmen.

Revue: Wieviel muss noch gebaut werden, um die Krise zu meistern?

Claude Meisch: Es besteht weiter ein großer Nachholbedarfaus den vergangenen Jahrzehnten, und unser Land wird weiterwachsen. Wir brauchen also mehr Wohnungen, darunter auch geförderte erschwingliche Wohnungen. Unsere Landesfläche wird sich aber nicht vergrößern, deshalb müssen wir intelligent bauen. Prioritär auf Industriebrachen, dort, wo der Anschluss an denöffentlichen Transport gegeben ist. Auch innovative Projekte wie die Nachverdichtung von Gewerbezonen, Stichwort Foetz, dürfen kein Tabu sein. Die Regierung wird sich verstärktum die Entwicklung der im Plan Sectoriel Logement ausgewiesenen Flächen bemühen. Nur so können wir die Natur schützen, die Mobilität verbessern und trotzdem den notwendigenWohnraum schaffen.

Revue: Ist die Krise überhaupt zu meistern?

Claude Meisch: Es gibt nicht die eine Lösung. Es gibt viele notwendigen Maßnahmen, die von vielen verschiedenen Akteuren vorangebracht werden müssen.Es ist komplex, aber ich bin zuversichtlich, dasswir das gemeinsam schaffen können.

Revue: Lassen Sie den Vorwurf gelten, dass die Politik den Privatentwicklern den Markt überlässt?

Claude Meisch: Luxemburg braucht die Privatentwickler genauso wie die öffentlichen Promotoren. Ohne ein starkes Engagement aller Bauträgerkommen wir nicht ans Ziel.

Revue: Welche aktuellen wichtigen Anreize gibt esfür private Bauherren?

Claude Meisch: Das erste Steuerpaket für den Wohnungsbau hat seine Wirkung gezeigt und die Immobilientransaktionen wieder angekurbelt. Zusätzlichwird nun die Besteuerung aller Immobilientransaktionen rückwirkend zum 1. Oktober halbiert. Zeitlich begrenzt bis zum 30. Juni 2025. Bis zum 31. Dezember gelten beide Maßnahmen. Ein guter Zeitpunkt also, um in den Wohnungsbau zu investieren. Eine Anlage die sich lohnt, privat und gesellschaftlich.