"Europa auf dem Sprung", Premierminister Jean-Claude Juncker (Internationaler Club La Redoute e.V., Bonn)

Herr Präsident, Herr Landesrat, meine Damen und Herren Abgeordnete, meine Damen und Herren, liebe Karnevalsflüchtlinge,

ich bin froh wieder in Bonn zu sein. Ich bin gerne in der Bonner Redoute. Meine erste Reise nach Bonn im Jahre 1983 führte mich auch in die Redoute. Ich war damals ein junger Staatssekretär im Arbeitsministerium und Jacques Santer war Arbeitsminister in Luxemburg. Ich rede vom Jahr 1983. Norbert Blüm war damals Bundesarbeitsminister und hat hier in Bonn eine informelle Sitzung der Arbeitsminister abgehalten. Das Abendessen fand hier in der Redoute statt. Ich habe mich an den Ärmel von Jacques Santer gehängt und bin hier mutigen Schrittes auf Norbert Blüm zugesteuert. In dem Moment, wo ich den Saal betreten wollte, packten mich vier Hände, vier GSG-9-Hände, und bedeuteten mir, die Fahrer würden hier links essen. Ich habe mir damals vorgenommen, eines Tages als Ministerpräsident unbehelligt in diesen Saal einzutreten. So bin ich froh hier zu sein.

In Anbetracht des Titels meiner Rede, "Europa auf dem Sprung", muss ich leider feststellen, dass man derzeit von Europa nicht viel sieht, vor allem nicht wo Europa hinspringt. Es war noch nie so schwer zu erraten wohin der europäische Sprung eigentlich hinführen könnte, wie dies zur Zeit der Fall ist.

Ich gehöre eigentlich zu denen, die nie in der Rubrik der Europaträumer anzutreffen waren, sondern immer in der der Europarealisten, der "Sich-vernünftig-geben-Wollenden", die sich doch vom Gefühl getragen fühlen, die Menschen wollen Europa, die, die in der Politik und in Europa den Ton angeben wollen. Zur Zeit hat man sehr oft den Eindruck, als ob diejenigen, die eigentlich Schrittmacherfunktion in der Europäischen Union und auf dem europäischen Kontinent haben müssten, genau diese nicht ausüben. Wir geben uns manchmal großen Illusionen hin. Ich auch, obwohl ich mich in Sachen Europa, in der Lage befinde, dass ich keine Illusionen verlieren kann, weil ich mir nämlich nie welche gemacht habe. Aber trotzdem tut einiges weh, was man sich zur Zeit ansehen muss.

Ich habe seit 1989, in dem Jahr als ich Finanzminister wurde, bis heute, wo ich das noch immer bin, sehr viel Zeit, Energie, Nachdenken, auch Begeisterung, vor allem Begeisterung aufgebracht, als es darum ging, die europäische Wirtschafts- und Währungsunion auf den Weg zu bringen. Ich habe die Regierungskonferenz geleitet, die 1991 zum Maastrichter Vertrag führte. Ich war immer ein Euro-Begeisterter - damals hieß das nicht so, da hieß der Euro noch ECU - immer begeistert von diesem Projekt, nicht weil es währungspolitisch und wirtschaftspolitisch Sinn machte, sondern weil ich dermaßen dem Gedanken anhing: Wenn wir diese gemeinsame Währung haben, werden aus der Gemeinsamkeit der Währung unendlich viele Gemeinsamkeiten erwachsen; die politische Union wird von der Stelle kommen; wir werden Europa stärker integrieren.

Die Euro-Debatte war eine Debatte, die vor allem zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung stattfand. Sie hat die deutsche Wiedervereinigung in Europa sehr erleichtert, wobei man nicht nur das Projekt europäischer Wirtschafts- und Währungsunion hier nennen muss, sondern auch denjenigen der dieses Projekt möglich gemacht hat, nämlich Helmut Kohl. Ohne Helmut Kohl wäre es nicht möglich gewesen, die deutsche Wiedervereinigung in derartig gutliegende europäische Bahnen einzuweisen, wie dies geschehen konnte. Meine Enttäuschung ist deshalb sehr groß, dass der Euro eigentlich nicht - bis jetzt jedenfalls nicht - dieser gewaltige Quantensprung war, an den ich eigentlich immer glaubte.

Die zweite Enttäuschung ist die, dass dort, wo wir mit dem Euro Erfolg haben, nämlich im Bereich europäischer Wirtschafts- und Währungsunion, wir uns dieses Erfolges nicht richtig erfreuen können. Wir genießen es eigentlich nicht in vollem Umfang, wie gut der Euro funktioniert. Ich weiß auch wo er schwächelt. Ich weiß auch wo die Konstruktion nicht ganz gelungen ist. Ich weiß auch was man links und rechts der Euro-Autobahn noch alles unternehmen könnte, müsste, sollte, um die Dinge fester zu machen und die Perspektiven klarer.

Aber immerhin stelle ich mal die Frage: Wenn wir heute, im Februar 2003, den Euro nicht hätten, angesichts dieses internationalen Durcheinanders, angesichts der dramatischen Fragestellung vor der die Welt steht, dann möchte ich mir nicht vorstellen, was aus dem europäischen Währungssystem geworden wäre. Wenn wir jetzt noch mit 14 oder 15 nationalen Währungen konfrontiert wären, dann würden die Menschen von der Irakkrise mehr spüren und hätten einiges davon schon zu ihren Ungunsten erfahren können.

Aus diesem Grund muss man auch sagen, dass der Euro funktioniert. Deshalb gibt es ja heute auch kaum noch jemanden, der nicht immer schon für den Euro war. Als wir 1991 mit den Vorbereitungen zum Euro anfingen und als wir am 7. Februar 1992 den Vertrag von Maastricht unterschrieben, da gab es - im übrigen nicht nur in deutschen Landen, aber vor allem in deutschen Landen - mehr Kritik, mehr Bedenken am Euro und um den Euro herum, als begeisterte Zustimmung. Heute wagt ja kaum noch jemand, mit Ausnahme einiger deutschen Professoren selbstverständlich, zu sagen, er hätte irgendwann in seinem Leben Zweifel an der Richtigkeit des europäischen "Euro-Tuns" gehegt. Der Euro hat unendlich viele zustimmende Nachzügler. Ich sage manchmal, dass wenn die katholische Kirche so viele Spätberufene hätte wie der Euro, dann gäbe es keinen Priestermangel mehr, dann müssten Seminare gebaut und nicht geschlossen werden. Der Euro schützt uns schon heute und wir kriegen es erstaunlicherweise nicht hin, den Menschen zu erklären, wieso und weshalb der Euro diese stabilisierende Wirkung hat.

Ich behaupte - in einer Rede darf man vieles behaupten, was man nicht so genau beweisen kann - dass es, wenn es heute den Euro nicht gäbe, Europa zur Zeit international überhaupt nicht mehr wahrgenommen würde. Das einzige identitätsstiftende Element europäischer Politik nach außen hin ist der Euro. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist es mit Sicherheit nicht. Ich hatte mir aber erhofft, dass der Euro uns auch in Sachen gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik wirklich dazu zwingen würde, uns von der Stelle zu bewegen. Das hat er erkennbar nicht getan. Deshalb weiß man nicht, wo dieser europäische Sprung eigentlich hinführt.

Wenn ich mir anschaue, wie viel die Diplomatie zur Zeit bewegt, darf man auch getrosten Mutes über gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik reden. Ich hätte mir gedacht, dass der Euro sich wie eine Sprungfeder auf die Gestaltung gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik auswirkt. Das hat er, wie gesagt, nicht getan. Die Frage ist jetzt: Schreiten wir jetzt mutlos durch die Landschaft oder begreifen wir diese europäische, diese auch europäische Irakkrise als das Element, das uns eigentlich noch zur Beweisführung gefehlt hat, um wirklich in Sachen gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik Ernst zu machen?

Ich wehre mich gegen diese Vokabel, gegen die Zeitungsüberschrift "europäische Krise". Immer, wenn in Europa zwei, drei, vier oder zehn Regierungen nicht spontan einer Meinung sind, dann wird von europäischer Krise geredet, so als ob es so etwas wie Demokratie nicht gäbe, wo man auch eine Zeit lang unterschiedlicher Meinung sein darf. In der Irakfrage bin ich allerdings der Meinung, dass wir uns doch in einer tiefen europäischen Krise befinden, die sich identitätszerstörend auswirken kann, wenn sie nicht behoben wird. Das hat sehr viel damit zu tun, dass es in der Politik zu viele gibt, für die Meinungsumfragen wichtiger sind als Überzeugungen. Das ist schlecht. Man verwechselt Demoskopie mit Demokratie. Es gibt feine Unterschiede zwischen beiden. In der Demokratie muss man die Zustimmung des Volkes finden. Die findet man nicht dadurch, dass man nach demoskopischer Vorgabe dem Wähler nachläuft. Man muss sich den Wählern auch manchmal in den Weg stellen. Dann sieht man sie auch besser, statt sie immer nur von hinten zu betrachten. Das hat sehr viel damit zu tun, dass man zu sehr, zu genau hinhorcht, wenn Meinungsumfragen veröffentlicht werden und sich dann der Lage nach in die eine oder in die andere Richtung bewegt. Das hat aber auch damit zu tun, dass die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik instrumental nicht ausgeformt ist, wir also keine Instrumente an der Hand haben, um europäische Außenpolitik gemeinsam entstehen zu lassen. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass es den Willen zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nicht gibt.

Es ist ja ein absonderliches Vorgehen, was man hier beobachten kann. Im Konvent reden die Konventsmitglieder sich die Köpfe heiß, um über Instrumente, die die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik begleiten sollen, nachzudenken, um sich darauf zu verständigen. Dann werden institutionelle Architekturentwürfe, unfertige Zukunftsskizzen entworfen und man denkt: Wenn man jetzt einen europäischen Außenminister hätte, wenn man jetzt einen gewählten Präsidenten des Europäischen Rates hätte, dann hätte man auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Mal angenommen, wir hätten einen gewählten EU-Ratspräsident oder wir hätten einen europäischen Außenminister, mal angenommen Präsident Bush würde über diese Telefonnummer verfügen, die er in Europa anrufen könnte, er würde ja denken das Telefon wäre in Europa noch nicht eingeführt worden, denn er wird überhaupt nichts hören, was man ihm über die europäische Haltung in der Irakfrage sagen könnte. Mit dem notwendigen Nachdenken über institutionelle Neuerungen, nach dem notwendigen Nachdenken über das Instrumentarium einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ist die eigentliche Frage, die sich den Europäern stellt die, ob sie wirklich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wollen.

Wenn wir den Willen hätten, diese wirklich auch zu wollen, dann würden wir die Instrumente schon finden. Mein Eindruck zur Zeit ist: Wir geben uns jetzt die herrlichsten Instrumente an die Hand, aber wir werden mit diesem Handwerksgeschirr überhaupt nichts ausrichten können, weil die, die dieses in die Hand nehmen müssten und gemeinsam zupacken müssten, haben erkennbar nicht den Willen dies auch zu tun. Deshalb sollte man seine Zuflucht nicht in - so notwendig die auch sind - weitreichenden Verfassungsentwürfen suchen, sondern man sollte eine politische Debatte in Europa darüber beginnen, ob wir dies wirklich auch wollen, d.h., ob wir bereit sind im Ernstfall national-staatliche Befindlichkeiten zurückzustellen, anstatt sie dauernd zum Fenster rauszuhängen, um zu versuchen, uns auf das gemeinsam Verbindende zu besinnen.

Solange es allerdings zum guten Ton gehört - und das ist halt so in vielen Ländern der Europäischen Union - dass es inzwischen wieder chic geworden ist zu erklären, dass man nationale Interessen vertreten muss, dass es chic ist über Brüssel unfreundliche Worte zu verlieren, dass wer denkt, er wäre der Größte aller zur Zeit zu besichtigen Staatsmänner, wenn er aus Brüssel zurückkommt und sagt, er hätte sich in Brüssel durchgesetzt. Niemand setzt sich in Brüssel durch! In Brüssel gewinnt Europa oder verliert Europa. Es hat sich niemand durchzusetzen! Es wäre gut, wenn mancher sich hin und wieder nach einer Brüssel-Reise hinsetzen und darüber nachdenken würde, wie er den Menschen in seinem Lande erklären kann, dass es keinen Widerspruch gibt zwischen europäischen Ansätzen und der nationalen Interessenvertretung. Was ist das für ein Ausdruck, dass man sich in Brüssel dauernd durchsetzen muss, so, als ob man auf feindlichem Gebiet unterwegs wäre? Wir werden die Menschen nie davon überzeugen, dass in Brüssel, in Europa etwas passiert, was in ihrem Interesse liegt, wenn wir diesem Gefühl dauernd Nahrung geben! Als ob es in Brüssel darum ginge, sich gegen die andern zu verteidigen. Darum geht es nicht! Es geht darum, dass wir gemeinsam etwas schaffen, zum Guten der Menschen und um sie übrigens manchmal auch.

Obwohl das in den Ohren vieler Zeitgenossen inzwischen überromantisch klingt, uns darauf zu besinnen, was die Menschen sich eigentlich gedacht haben, die dieses europäische Integrationswerk auf den Weg gebracht haben. Das waren ja nicht wir! Ich rede von meiner Generation, die alles erfunden hat, so als ob vorher nichts da gewesen wäre. Das waren die Männer und Frauen der Kriegsgeneration, die Europa aus der Taufe gehoben haben. Das sind doch diejenigen, die von den Schlachtfeldern und aus den Konzentrationslagern in ihre Dörfer, Städte und Länder zurückgekehrt sind und sich gesagt haben: "Das machen wir nie wieder!". Nach jedem Krieg wird gesagt: Nie wieder Krieg! Nur einmal hat es geklappt, dass wir es in Europa hingekriegt haben, dass Krieg als normale Fortsetzung der Politik mit andern Mitteln keine Chance mehr auf unserem Kontinent hat. Dies ist ein Erbe das uns verpflichtet. Die Menschen aus den Jahrgängen 1910 bis 1925, der Kriegsgeneration, hätten ja jeden Grund der Welt gehabt, den Kopf hängen zu lassen und Gottes Wasser über Gottes Land laufen zu lassen. Sie hätten jeden Grund gehabt, sich zu beklagen. Wenn man die Begeisterung der Gründergeneration mit der Resignation der heute Lebenden vergleicht, ist man hin und wieder beschämt.

Aus diesem Grund muss man Anknüpfungspunkte finden an der originären Begeisterung derer, die damals - in unserem Auftrag eigentlich, wenn auch nicht von uns bestellt - unterwegs waren. So wichtig es war in den fünfziger, sechziger, siebziger und achtziger Jahren, die europäische Konstruktion durch das diese mobilisierende ökonomische Ferment zu forcieren, so haben wir dennoch Europa immer über den Weg der Ökonomie gemacht. Dies war der einzig gangbare Weg, weil der Weg, der auch eine Antwort in sich trug auf die Verfehlungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. So wichtig es damals war den Weg der Ökonomie zu gehen, so wichtig es in den neunziger Jahren war den monetären Pfad zu beschreiten, so wichtig ist es heute, den politischen Weg einzuschlagen. Man kann Menschen für Europa nicht mehr mit dem Binnenmarkt begeistern, so wichtig er ist. Man braucht schon ein bisschen mehr in der europäischen Pfanne, damit die Menschen das Brutzeln noch hören und das wird man nicht mehr nur mit ökonomischen Sachzwängen bewältigen können. Hier braucht es eigentlich mehr Herz und mehr Gefühl.

Europa ist nicht nur eine Erfindung für uns selbst. Europa ist auch ein Angebot an die Welt. Wir machen ja nicht Europa nur wegen uns. Es hat auch etwas damit zu tun, was man für sich selbst als Auftrag für die Welt empfindet. Deshalb gehören zu dieser gemeinsamen Außenpolitik Stückwerke wie beispielsweise gemeinsame Entwicklungshilfepolitik. Jeden Tag sterben tausende Menschen an Unterernährung. Europa ist mit seiner Ambition nicht am Ende, solange dieser Zustand nicht beseitigt wird. Das ist ein Auftrag, dem sich die Europäer auch stellen müssen. Dies wäre im übrigen auch ein Auftrag, würde er in Angriff genommen werden, der auch junge Menschen wieder für Europa, für die Europäische Union und für die europäische Integration in einem wesentlich stärker ausgeprägten Maße begeistern könnte, als das, was wir zur Zeit auf der europäischen Bühne bieten.

Mir fällt auf, seit die Irakfrage zu einer Irakkrise geworden ist, dass viele in der Welt angesichts der Vielzahl europäischer Wortmeldungen Schwierigkeiten haben, noch so etwas wie eine europäische Stimme herbeizuführen. Niemand in der Welt weiß, was die Europäer über den Irakkonflikt denken. Niemand in der Welt weiß, wie die Europäer es sich vorstellen, die Irakkrise lösen zu können. Dabei ist Europa eigentlich der Kontinent von dem eine immerwährende Friedensbotschaft ausgehen müsste. Wir sind die Spezialisten für Fragen dieser Art. Wir Europäer dachten immer wieder und zweimal im 20. Jahrhundert, nur der Krieg wäre der Ausweg aus politischen Zwängen, aus politischen Schieflagen. Das "alte Europa" hat lange gebraucht, um zu wissen wie man in Frieden lebt. Jetzt, wo wir es wissen, bringen wir es nicht hin, das, was wir an schlimmen und schönen Erfahrungen auf unserem Kontinent angesammelt haben, so zu bündeln, dass man daraus den Stoff entdecken könnte, aus dem Politik für eine friedlichere Welt gemacht werden kann. Anstatt uns darauf zu konzentrieren, wie wir gemeinsam vorgehen könnten, um diese Angebote für die Welt zu entwickeln und durchzusetzen, bieten wir der Welt zur Zeit, wie ich finde, ein trauriges Schauspiel.

Wir waren am vergangenen 17. Februar in Brüssel zu einem Europäischen Rat über die Irakkrise versammelt und einigten uns auf einen Text, auf Schlussfolgerungen, die selbstverständlich Kompromisselemente enthielten, womit jeder leben konnte. Kluge Publizisten haben an dem Tag danach geschrieben, es handele sich um einen faulen Kompromiss, der zu nichts führen würde. Das sind genau diejenigen gewesen, die dachten, wir würden aus dieser Sitzung ohne irgendeine Form der Einigung und der Verständigung herauskommen, so dass dieser europäische Konsenssockel, den wir am 17. Februar in Brüssel angelegt haben, schon wertvolle Teile in sich birgt. Dass alle fünfzehn Europäer ihre Überzeugung zum Ausdruck brachten, dass der Krieg nicht sein muss, sondern dass es noch Wege und Mittel der Politik und der Diplomatie gibt, um den Irakkonflikt friedlich beenden zu können, ist so unwichtig nicht, weil es in der Form vorher dieser oder jener gesagt hat, aber nicht alle gemeinsam es auf die Weise gesagt haben. Nicht alle gemeinsam haben vorher erklärt, dass der Krieg die Ultima Ratio sein könnte, das allerletzte Mittel, um diesen Irakkonflikt beendigen zu können.

Es war wichtig, dass die fünfzehn Europäer gesagt haben, dass der UNO-Weg beschritten werden muss, woraus sich ergibt, dass unilaterales Vorgehen nicht im Sinne europäischer Politikbetrachtung sein kann. Im übrigen hatten bis zum dem Tag auch nicht alle fünfzehn Regierungschefs gesagt, dass das Aufmarschieren der amerikanischen Truppen am Golf dazu beigetragen hatte, dass die Inspektoren wieder in den Irak zurückkommen. Da muss man schon manchmal zu Fünfzehn am Tisch sitzen, damit sich eine derartige Evidenz auch für jedermann erkennbar durchsetzt. Danach hat es genau zwei Tage gedauert, nicht dass dieser Konsenssockel zusammengebrochen wäre, aber bis die ersten Versuche stattfanden, sich wieder abzusetzen von dem was man gemeinsam festgelegt hatte.

Nun halte ich mich in der Regel sehr zurück wenn es um strategische Fragen geht. Da hat Luxemburg nicht allzu viel anzubieten. Ich äußere mich immer sehr bescheiden zu diesen Fragen, weil meine Lebenserfahrung die ist, dass man in Peking, Washington und Moskau nicht blass wird, wenn der luxemburgische Premierminister sich zu derartigen Dingen äußert. Aber ich darf Ihnen getrost sagen: Immer wenn ein Europäer sich in Peking, Moskau und in Washington äußert, wird niemand blass, aber wenn die Europäer sich äußern, dann hört man hin. Deshalb braucht zur Zeit auch niemand hinzuhören, weil die Europäer sich als Europäer in der Frage nicht adäquat zu Wort melden können. Dass die zwei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in der Europäischen Union und die zwei nicht-ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder aus den Reihen der Europäischen Union, dass also vier von fünfzehn Mitgliedern des Weltsicherheitsrates es nicht schaffen, sich in dieser für die betroffenen Menschen, für die Zukunftsgestaltung in der Welt dramatischen Frage zu einigen und der europäischen Stimme wirklich das Gewicht zu geben, ist ein betrüblicher Zustand.

Manchmal wäre es wirklich besser, man hätte weniger die eigene öffentliche Meinung im Blick - obwohl ich das sehr gut nachvollziehen kann - sondern viel mehr die Lösungsansätze für das Problem, das die Menschheit zur Zeit bewegt und würde dann eben dort europäisches Gewicht einbringen. Dies wäre der Weg, der zu beschreiten wäre und das wird man nicht dadurch forcieren können, dass man jetzt spekulative, architektonische Rohentwürfe auf den Weg bringt und so tut, als ob es einzig und allein eine Frage der Institution und der Instrumente wäre.

Ich bin jemand der großen Wert auf gut funktionierende Institutionen legt, weil es ohne starke Institutionen in Europa in keiner Sachfrage Fortschritte geben kann. Wir brauchen ein gut funktionierendes institutionelles Gesamtsystem, das europäische Entscheidungsfindungen überhaupt erst möglich macht. Aber die besten Institutionen können nicht die Willensstärke und die Willenskraft, die wir auch brauchen, ersetzen. Im Konvent redet man über einige dieser Weggabelungen vor denen Europa auf dem Sprung steht.

Deutsche und französische Regierungen, britische, spanische, teilweise auch italienische, bringen den Vorschlag ein, dass Europa jetzt dringend einen EU-Ratspräsidenten, einen gewählten, etwas länger im Amte weilenden EU-Ratspräsidenten brauche, ausgehend von der Überzeugung, dass die Europäische Kommission einen Präsidenten hat, das Europäische Parlament auch und dass deshalb der Europäische Rat auch einen ständigen Vorsitzenden brauche. Nirgendwo können Sie lesen, was dieser ständige europäische Ratspräsident eigentlich tun soll. Ich lese nur, wer es alles werden kann. Aber was er tun soll, kann ich nirgendwo aus irgendeinem Papier herauslesen. Es wird gesagt, es ist gut für die bessere Leserlichkeit europäischer Außenpolitik und überhaupt europäischer Politik, wenn Europa mit einem Gesicht identifiziert werden kann. Wir brauchen nicht jemanden, der sein Gesicht zur Verfügung stellt. Wir brauchen jemanden, der den Mund aufmachen kann, damit er im Namen Europas reden kann und das setzt voraus, dass wir von einem gemeinsamen Willen beseelt sind. Nicht um einen EU-Ratspräsidenten zu finden - den finden wir - sondern um uns die Politikinstrumente an die Hand zu geben, die nötig sind, damit wir auch europäische Positionen so entwerfen können, dass sie auch formulierbar werden, durch den EU-Ratspräsidenten von dem ich behaupte, dass wir ihn überhaupt nicht brauchen, weil wir ja den Kommissionspräsidenten in Brüssel haben.

Diese Vorstellung, Europa würde effizienter werden, Europa könne sich besser darstellen, wenn es jetzt neben dem Kommissionspräsidenten auch noch einen ständigen EU-Ratspräsidenten gäbe, ist eine absolut abenteuerliche Vorstellung. Es wird sonst nichts passieren als dass der eine nichts sagen kann und der andere nichts mehr sagen darf. Daraus lässt sich kein zukunftsgewinnendes Team hervorbringen. Ich bin dezidiert dagegen, dass man unter dem Vorwand, Europa wirklich auf die Sprünge zu helfen jetzt in das institutionelle Gefüge dieser Europäischen Union Elemente hineingleiten lässt, die strukturell die Position der Europäischen Kommission und ihres Präsidenten schwächen. Wir brauchen diese Europäische Kommission mit ihrem Initiativmonopol. Wir brauchen einen Präsidenten der Europäischen Kommission, der für dieses in Gemeinschaftsinteressen institutionelle Organ reden kann. Wir brauchen kein Zweigespann in Brüssel, wo zwei Männer oder zwei Frauen sich gegenseitig belauern, wo man nie weiß, wofür ist der eine zuständig, wofür der andere, wo niemand weiß, ob er, wenn er spricht, nicht sofort die Widerrede des anderen im Zweigespann findet. Ich glaube diese Konstruktion wird zu mehr Durcheinander führen, als zu dem notwendigen Miteinander.

Ich habe 1997 den Europäischen Rat geleitet und auch den Vorsitz im Ministerrat bis jetzt drei mal inne gehabt. Mich interessierte als EU-Ratsvorsitzender oder als Fachminister der im Vorsitz war immer, jemanden zu finden der mir im Moment des Zweifels auch sagt, wo es lang geht. Das werden wir nie hinkriegen, wenn wir einen ständigen EU-Ratpräsidenten haben, der überhaupt keinen Einfluss auf diejenigen hat, die in den Fachräten der Europäischen Union für die eigentliche materielle Politik zuständig sind. Was macht denn ein gewählter EU-Ratspräsident ohne Regierungsmandat? Es wird gesagt, er müsse das hauptamtlich tun und es müsse jemand aus der Runde sein, der aber nicht mehr in der Runde ist, also ein "Has been" und da strampeln sich viele schon müde. Das Strampeln wird nichts helfen, sage ich heute. Ich könnte das auch in spanischer Sprache sagen oder in anderen Varianten kontinentaler Vielsprachigkeit. Es wird niemandem gelingen als gewählter EU-Ratpräsident ohne Regierungsmandat und ohne Premierminister zu sein, Einfluss zu nehmen auf die eigentlichen materiellen Arbeiten des Ministerrates der Europäischen Union. Das einzige, was wir erreichen, ist die Schwächung der Europäischen Kommission und des Präsidenten der Europäischen Kommission. Deshalb bin ich der Auffassung, dass wir derartige Instrumente nicht brauchen und dass sie mehr Durcheinander schaffen, als dass sie dem besseren europäischen Miteinander dienlich wären.

Diese Vorstellung, jetzt da Europa auf dem Sprung in die Erweiterungsatmosphäre ist, macht es notwendig, dass wir jetzt die Institutionen umbilden. Dieser Vorstellung kann ich mich auch nur teilweise anschließen. Mir ist schon klar, dass wenn wir zu 25 am Tisch sitzen und morgen zu 27 und dann zu 28, dass es eine Straffung der Debatten bedarf und dass es einer größeren Kompromisswilligkeit der am Tisch vertretenen Staaten braucht. Mir ist schon klar, dass wir in vielerlei Hinsichten, wo wir heute noch mit Einstimmigkeit entscheiden, zu Mehrheitsentscheidungen übertreten müssen, was stringent zur Folge hat, dass auch das Parlament adäquate Mitbestimmungsrechte überall dort erhält, wo der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Mir ist schon klar, dass dies auch beispielsweise in Steuerfragen zukünftig der Fall sein muss, weil man auf Dauer nicht in Steuerfragen mit der Einstimmigkeitsregel die Welt bewegen kann. Das hört in Luxemburg nicht jeder gerne und wird nicht jeder in Deutschland gern an seinem eigenen Leid erfahren. Wenn wir erst einmal mit Mehrheit den Regelsatz der Mehrwertsteuer von 16 auf 21 Prozent erhöhen, dann werden viele heißblütige Europäer sich noch die Frage stellen, ob das so gut war, dass man dort mit Mehrheit entscheiden kann. Aber irgendwo muss man wissen: Man kann mit Einstimmigkeit alleine nicht mehr vom Fleck kommen! Wenn wir erst einmal in Souveränitätsbereichen essentiellster Natur wie Steuerpolitik oder den Eigeneinnahmen der Europäischen Union einstimmig entscheiden werden, dann muss dies auch bei gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik möglich sein. Dann müssen wir auch mit Mehrheit in außenpolitischen Fragen abstimmen. Und dann wird jeder sich die Frage stellen müssen, ob er das politisch will, ob er es sich das politisch leisten kann, seinem Parlament, seiner öffentlichen Meinung, seinem Volk, seinem Land , seinem Staat, seiner Nation zumuten zu müssen, dass jetzt nicht mehr der nationale Premierminister, die nationale Regierung, das nationale Parlament entscheidet was in Sachen Außenpolitik passiert, sondern dass dies die Europäer auf dem Wege der Mehrheitsentscheidung leisten müssen.

Da bin ich der Meinung, dass man nicht von heute auf morgen von der Konsensregel abrücken und blindlings ins Wasser der Mehrheitsentscheidung hinüberrudern kann. Dies wird lange Jahre brauchen. Wir müssen es zuerst lernen, gemeinsame Außenpolitik zu wollen, sie gestalten zu wollen, sie inhaltlich fühlen zu wollen. Erst wenn wir unter Beweis gestellt haben, dass wir diesen Willen auch haben, dass dieser Wille unbrüchig ist, dass er nicht vom ersten Konflikt, so wie jetzt, schon wieder auseinander bricht, dann kann man diese instrumentale Verfeinerung auf den Weg bringen. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir das jetzt tun müssen, nicht um es morgen schon zur Anwendung zu bringen, sondern um den Weg zu zeigen, um zu zeigen, dass die europäische Zukunft, die Vertiefung der europäischen Integration sich wegbewegen muss von den Zwängen des intergouvernementalen Ko-Regierens hin zu einem effizienten Regieren, auch in der Außenpolitik, nach der bewährten Gemeinschaftsmethode, d.h. Vorschlag der Kommission, Abstimmung mit Mehrheit im Rat, Ko-Zuständigkeit des Europäischen Parlamentes in den meisten Bereichen.

Wenn wir diese Dinge unberührt lassen, wenn wir jetzt die Irakkrise zum Vorwand nehmen, nichts zu tun, dann wird in zehn bis fünfzehn Jahren niemand mehr die Kraft aufbringen, dieses Thema noch einmal aufzugreifen und in geordnete europäische Bahnen einfließen zu lassen. Deshalb muss man jetzt, auch wenn man nicht sofort effizienter "diplomatisieren" und "veraußenpolitisieren" kann, trotzdem den Weg zeigen, wie wir uns, auf mehrere Etappen verteilt, von der intergouvernementalen Konsensregel - was sehr oft eine Dissensregel ist - hinbewegen können zu einer Politik aus einem Guss und die setzt Mehrheitsentscheidungen auch im Bereich der Außenpolitik voraus. Wenn wir dies jetzt nicht tun, werden wir es später nie mehr schaffen.

Im Jahr 2030 wird Europa von Menschen regiert werden, die nicht jenseits von Gut und Böse sind, die das Böse nie erlebt haben und deshalb noch lange nicht im Guten angekommen sind. Die Kinder der heute lebenden Generation, werden von den Gräueltaten des letzten Weltkrieges nichts mehr wissen. Die Menschen, die im Jahre 2030 leben, sind von Hitler und Stalin so weit entfernt, wie ich heute von Clemenceau und Wilhelm II. Von daher ist es die Aufgabe meiner Generation, die Dinge jetzt in Angriff zu nehmen. Die, die nach uns kommen, werden dies nicht mehr tun können, weil ihnen der historische Background fehlt, weil ihnen die Übermittlung der Eltern fehlt, weil all das Schlimme, was im letzten Jahrhundert zwei Mal über Europa hereinbrach überhaupt keine nachfühlbare Größe für sie ist. Wir, die wir jetzt regieren, sind die Erben der Gründergeneration und die Sachverwalter der demnächst Geborenwerdenden. Aus diesem Grunde darf man bei der Neuausrichtung des europäischen Vertrages, bei der Verfassungsgebung für die Europäische Union das Zukünftige nicht aus dem Blick verlieren, sondern die Dinge so anlegen, dass das was heute noch nicht geht, morgen gemacht werden kann, wenn die Geister reich sind und wenn die Erfahrungen so geworden sind, dass sie von allen geteilt werden können. Da darf man sich durch die Schwierigkeit der Aufgabe nicht abdrängen lassen.

Selbstverständlich ist auch die Erweiterung der Europäischen Union nach Ost- und Mitteleuropa eine ungewöhnliche Herausforderung für die dort lebenden Menschen wie auch für uns, die wir die alten Mitglieder der Europäischen Union sind. Aber die Mutlosigkeit, die diesen Prozess manchmal begleitet, ist doch erschreckend. Die Aufgabe, die wir uns auferlegt haben, ist überwältigend. Entweder wir schaffen sie, oder wir werfen Europa wieder zurück in die Verfehlungen seiner Vergangenheit. Die Europäische Union bleibt ein großartiges Friedensprojekt. Sie muss auch im Bereich der Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa als ein derartiges begriffen werden. Europa ist ein alter Kontinent und dieselben dramatischen Fragen, die diesen alten Kontinent über Jahrhunderte durchquert haben, werden diesen Kontinent auch in Zukunft durchqueren. Da soll niemand sich eine Illusion machen. Dämone sterben nie. Dämone schlafen immer nur. Wenn wir sie nicht wieder wachrütteln wollen, wenn wir sie in sanftem Schlaf belassen wollen, dann müssen wir diesen europäischen Kontinent politisch auf dem Wege der Integration und nach der Gemeinschaftsmethode jeden Tag stärker zusammenfügen, dann muss diese Europäische Union eine Union immer stärker zusammenwachsender Staaten werden, ohne dass dies hieße, dass das Nationale vergessen würde.

Nationen sind keine provisorischen Erfindungen der Geschichte. Nationen können nicht einfach an die Garderobe zum 21. Jahrhundert abgegeben werden. Wir sind doch gerne Luxemburger. Sie sind gerne Deutsche. Das hindert uns trotzdem nicht daran Europäer zu sein. Europa ist kein Ersatz für die Nation. Europa ist die notwendige Verlängerung der Nationen, die sich freundschaftlich begegnen, die der Nation das Edle dadurch zurückgeben, dass sie das die Nationen Trennende für immer auf dem europäischen Kontinent verschwinden lassen. Europa bleibt ein komplizierter Kontinent, den man nicht mit der intergouvernementalen Methode in den Griff kriegen kann. Wenn man den europäischen Dingen ihren Lauf lässt, dann laufen sie auch. Daher ist es besser, man nimmt die Dinge, die kontinentalen Dinge in den Griff und deshalb brauchen wir mehr Europa, mehr Gemeinschaftsmethode, mehr gemeinsam wachsendes Europa, das wir anreichern können mit den vielfältigen nationalen Erfahrungen, mit den nationalen und regionalen Kulturräumen.

Die Vorstellung, die viele umtreibt, manchmal unter europäischem Arbeitstitel, nämlich um aus der Vielzahl gewachsener europäischer Politik nun ganze Teilbereiche wieder herauszubrechen, zu renationalisieren, sie wieder in die exklusive Zuständigkeit nationaler Regierungen und nationaler Parlamente zu führen, ist eine sehr gefährliche. Ich bin auch der Meinung, dass auf der Ebene des Ministerrates, auf der Ebene des Europäischen Parlaments, auf der Ebene der Europäischen Kommission manchmal Dinge gemacht werden, die einem normalen Menschen nicht nachvollziehbar darstellbar sind. Das Gleiche machen wir aber auch in unseren nationalen Parlamenten, macht jeder von uns in seinem Privatleben mindestens einmal pro Tag. Dass dies auch in Europa immer wieder vorkommt, ist eine Sache, die man akzeptieren muss. Das heißt noch nicht, dass man das Kind mit dem Bade ausschütten muss.

Wer jetzt nicht begreift, dass wir uns von dem intergouvernementalen Weg absondern müssen hin zu einem stärker europäisch geprägten Weg, der wird es auch nach erfolgter Erweiterung nicht tun. Ich bin dagegen, dass man die bald 27 Mitgliedstaaten in zwei Kategorien einteilt: die Fünfzehn, die Zehn und dann die Zwei. Das ist keine europäische Sicht der Dinge. Ich habe Verständnis für einige Kritik an den Kandidatenländern, aber ich stelle auch fest, wenn man die zehn Kandidatenländer kritisiert weil sie in der Irakkrise ihren Standpunkt vorgetragen haben, dann muss man auch die Fünf in der Europäischen Union kritisieren, die das ohne jede Not in die Welt hinausposaunt haben. Dann darf man auch nicht so tun, als ob die einen die europäische Weisheit in vollem Maße hätten, wobei eigentlich im Kreis der alten Europäer die zu orten sind, die nationale Alleingänge probiert haben bevor es zu europäischen konsensfähigen Reglungen kam.

Wenn wir jetzt nicht aufpassen und es zulassen, dass aus dieser Europäischen Union - weil sie nicht gefestigter wirkt, als sie ist - wieder eine gehobene Freihandelszone entsteht, mit sehr wenigen politischen Ferment-Elementen, dann werden wir diesem europäischen Kontinent einen Anzug überziehen, der viel zu einfach ist, um diesen komplizierten europäischen Kontinent in den nächsten 30 Jahren kleiden zu können. Dafür haben wir zu sorgen, die Generation von heute. Der Schuss darf nicht nach hinten losgehen, sondern wir müssen uns in die Zukunft projizieren, um sicherzustellen, dass die, die nach uns kommen ein geordnetes Europa vorfinden das nicht aus sich selbst zur Ordnung finden wird, wenn wir uns nicht Überzeugungen und Instrumente an die Hand geben, um diesen Kontinent, der ein komplizierter, ein zerworfener Kontinent bleibt, in Frieden in den nächsten Jahrzehnten zusammenhalten zu können. Dafür braucht man einigen Mut, dafür braucht man viel Ausdauer. Die Strecke ist lang und wir brauchen Muskeln.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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