Dankesrede von Premierminister Jean-Claude Juncker anlässlich des Quadriga-Preises

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich möchte mich bei meinem Freund Bondevig sehr herzlich dafür bedanken, dass er in so kurzer Zeit so viel Nettes über mich zusammentragen konnte. Das hat mich sehr beeindruckt. Man stellt fest, an einem Abend wie diesem, dass man schon so über etwas wie eine Vita verfügt. Das macht einerseits traurig, andererseits stimmt das einen zufrieden. Ich möchte mich auch bei der Jury bedanken. Ich finde, sie hat eine ausgezeichnete Wahl getroffen und zwar weil sie den lettischen Premierminister heute Abend ausgezeichnet hat.

Wenn immer ich in Deutschland einen Preis erhalte, mir eine Ehrung widerfährt, ich überhaupt zu einer Veranstaltung in Deutschland eingeladen werde, bin ich eigentlich sehr überrascht, weil ich so wenig deutsch bin. Ich neige nicht zum Klagen. Ich gebe mich dieser neudeutschen Tugend der permanenten Larmoyanz nur sehr ungern hin. Ich gehöre zu denen, die sich immer noch über die deutsche Wiedervereinigung freuen. Damit überrascht man immer. Es ist immer noch so, dass wenn ich nach Berlin komme, ich gerne nach Berlin komme, weil ich das Brandenburger Tor und die Quadriga - groß und jetzt auch klein - sehr mag, dass ich irgendwo in mein Flugzeug steigen darf und in Berlin lande, ohne dass mir jemand irgendwelche Fragen stellt, sondern dass ich hier begrüßt werde, was zur Normalität der Europäischen wird, dass man wieder nach Berlin, in diese große freie wiedervereinigte Stadt, reisen kann.

Dass ich diesen Preis am 3. Oktober entgegen nehmen darf, freut mich besonders. Dies ist der Tag der deutschen Einheit und deshalb auch der der europäischen Einheit. Es wäre mir eigentlich fast lieber gewesen, ich hätte den Preis am 9. November erhalten, weil ich denke der 3. Oktober ist nur die notarielle Beglaubigung des 9. November.

Über das, was am 9. November 1989 passiert ist, sollten wir uns dauerhaft freuen. Zum ersten Mal seit Kriegsende haben Menschen wieder selbst Geschichte gemacht, anstatt dass Geschichte gegen sie gemacht wurde. Das war doch etwas, diese Bewegung in Deutschland und in Europa. Dass wir jetzt aktiv helfen können, damit europäische Geschichte und europäische Geographie wieder zusammenfinden, ist doch in einer einzigen Generation eine unwahrscheinliche Ereignisdichte.

Alle die dabei sein dürfen, sollten sich darüber freuen und sollten auch dieses Werk weiterführen. Wir sind die Erben derer, die das Werk begonnen haben. Wenn die Generation meiner Eltern, die von den Frontabschnitten, aus den Konzentrationslagern in ihre zerstörten Dörfer und Städte zurückkamen sich so beklagt hätten, wie wir das heute ob der Schwere der Zeit tun, dann säßen und stünden wir nicht hier. Wir sollten das, was wir zu tun haben eigentlich in dankbarer Erinnerung und aus Dankbarkeit für die Generation unserer Eltern tun. Wir sollten es so tun, wie sie es für uns taten, damit es unseren Kindern so gut gehen kann wie es uns ging.

Vielen Dank.

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