"Europa 2010: Wege europäischer Wirtschaftspolitik". Le Premier ministre Juncker lors du Wirtschaftstag 2004

Textfassung der frei gehaltenen Rede - Nur das gesprochene Wort gilt

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

das Thema der Rede soll mich nicht davon abhalten die Rede zu halten, die ich ohnehin halten will. Ich freue mich sehr, heute am Wirtschaftstag in Frankfurt teilnehmen zu können. Ich habe bis gestern Nacht halb eins und den ganzen Morgen über an der Sitzung der europäischen Finanzminister teilgenommen, weil ich nicht nur Premierminister, sondern auch Finanzminister in Luxemburg bin. Ich war dankbar die Sitzung der Finanzminister in Luxemburg verlassen zu können, weil hier eine wesentlich bessere Atmosphäre herrscht als gestern Nacht als wir die Haushaltslage Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Griechenland zu erörtern hatten.

So richtig passe ich auch nicht vor deutsches Publikum, weil ich dieser neudeutschen Tugend der Larmoyanz nicht richtig fähig bin. Man beklagt sich so gerne und so heftig in Deutschland, dass ich mich immer frage: Wieso lädt man eigentlich so einen Fundamentaloptimisten wie mich noch zu öffentlichen Vorträgen nach Deutschland ein? Das deutsche Publikum hat man fest im Griff, wenn man ihm erklärt wie schlecht es ihm gehe, und genau dies möchte ich eigentlich nicht tun. Mich stört an den Deutschen, an den Luxemburgern, an vielen anderen, dass wir nur über unsere Schwächen und Defizite reden, über das, was wir nicht können, nicht schaffen, nicht hinkriegen und kaum noch Zeit darauf verwenden, uns unserer Erfolge zu erfreuen. Ich will nichts schönreden. Was nicht klappt, das klappt nicht und das muss man schon klar benennen. Aber so zu tun als ob nichts mehr ginge, ist auch nicht die Stimmung, die wir brauchen zur Erheiterung der Gemüter und zur Antreibung der Wirtschaftskräfte in Europa brauchen. Und wir haben viele Erfolge als Europäer!

Wer den Blick etwas weiter in die Welt schweifen lässt, wird feststellen, dass wir in einer Welt der Kriege, der Konflikte, der Spannungen und Auseinandersetzungen leben und dass wir es in Europa, auf unserem Kontinent, seit Ende des Zweiten Weltkrieges geschafft haben, für friedliche Verhältnisse zu sorgen. So selbstverständlich ist das eigentlich nicht, dass die Menschen in Europa nach dem Inferno des Zweiten Weltkrieges sich dazu aufgerafft haben, Europa und die europäischen Probleme nach neuen Regeln zu gestalten und zu führen. Wenn es früher in den vergangenen Jahrhunderten Konflikte gab, wurden diese mit militärischen Mitteln gelöst. Dass wir dies nicht mehr tun, darüber sollten wir uns eigentlich freuen und sei es auch nur, weil dies die große Lebensleistung nicht meiner Generation, sondern der Generation meiner Eltern ist. Die von der Front nach Hause kamen, aus den KZs, in ihre zerstörten Städte und Dörfer, die jeden Grund hatten, den Kopf hängen zu lassen und die Arme und Hände in den Schoß zu legen. Wenn ich mir die heutige Larmoyanz ansehe und das vergleiche mit der Stimmung nach dem Zweiten Weltkrieg, dann wäre es so, dass die Berliner Trümmerfrauen heute noch um eine Genehmigung nachsuchen müssen, um mit dem Wiederaufbau in Deutschland zu beginnen. Gott sei Dank haben sie keine Genehmigung gebraucht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Europa in zwei Lager eingeteilt. Das schien lange so, als ob dies ein unwiderrufliches Dekret der kontinentalen Geschichte wäre. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, nach den Verwerfungen auch die es in Mitteleuropa gegeben hat, haben wir es als Europäer geschafft – und wer hätte uns das eigentlich zugetraut? –, bis zum 1. Mai 2004 europäische Geschichte und europäische Geografie wieder zusammenwachsen zu lassen, damit die Menschen wieder Hoffnung schöpfen können, was die europäischen Perspektiven und die europäische Zukunft anbelangt. Es gibt keinen Grund in Pessimismus zu verfallen, wenn sich in Europa zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten die These bewahrheitet hat, dass, wenn Menschen wirklich selbst Geschichte machen wollen, dann nicht mehr Geschichte gegen sie gemacht wird. Die Europäer haben in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts selbst Geschichte gemacht, statt Geschichte zu erdulden und darüber sollte man sich eigentlich freuen.

Mit der Erweiterung der Europäischen Union von 25 auf 27 Mitgliedstaaten entsteht der größte Binnenmarkt der Welt mit 450 Millionen Verbrauchern. In diesem Binnenmarkt kann man sich frei bewegen. Die Grenzen in Europa haben jegliche Dramatik verloren. Um noch einmal einen Blick in die Welt zu werfen: Wieviel Unheil, wieviel Konfliktdichte, wie viele Probleme entstehen um Grenzen herum, um Zäune herum, um Mauern herum? Wir haben in Europa keine Mauern, keine Zollhäuser, keine Grenzen mehr und wir können uns darüber überhaupt nicht freuen! Es müsste eigentlich ausgemachte Regierungspolitik in Europa sein, mindestens für eine Woche im Jahr die Grenzen wieder einzuführen, damit wir mal wieder merken, was es heißt, Grenzen überwinden zu müssen. Wir wissen ja nicht mehr, dass wir die Grenzen überwinden mussten! Es wäre besser um die Welt bestellt, wenn es weniger Grenzen gäbe und mehr Europa in der ganzen Welt würde der Welt sehr gut tun!

Wir haben in den neunziger Jahren bewiesen, dass wenn wir als Europäer den festen Willen haben etwas zu erreichen, dass wir dies dann auch schaffen. Ich nehme als Beispiel die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, den Euro. Klar hat der Euro Schwachstellen! Es ist nicht alles so wie es sein müsste, aber dass es den Euro gibt, darüber sollten wir uns doch freuen. Der Euro schützt uns vor dem Unheil der Zeit. Ich mag mir nicht vorstellen, dass wir die Wirtschaftskrise in Südostasien, die Finanzkrisen in Argentinien und Russland, den Kosovokrieg, erster europäischer Krieg nach dem Zweiten Weltkrieg, den Irakkrieg, alles das was sich in den letzen Jahren über der Welt zusammengebraut hat, so hinter uns gebracht hätten – und dabei haben wir es noch nicht ganz hinter uns gebracht –, wenn wir den Euro nicht gehabt hätten. Wer als Europäische Union der Fünfzehn mit 14 Währungen gegen den Geist der Zeit hätte antreten müssen, der wäre dabei fast zugrunde gegangen.

Ich bin 1989 als luxemburgischer Finanzminister alle sechs Monate nach Brüssel gefahren, weil irgendjemand am Aufwertungs- oder am Abwertungskarussell gedreht hatte. Diese Sitzungen gibt es heute nicht mehr. Die Europäer bekämpfen sich nicht mehr untereinander, um sich Machtvorteile oder Währungsvorteile zu verschaffen, sondern gemeinsam versuchen wir, indem wir langsam Euro-Strategien aufbauen, gegen die anderen Kräfte der Welt anzutreten, die das europäische Wohl nicht notwendigerweise ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stehen haben. Dass dies inzwischen langsam begriffen wird, möchte ich ausdrücklich begrüßen, obwohl wir nie darüber reden in welcher Lage wir eigentlich wären, wenn es den Euro nicht gäbe, so als ob alle spontan verstünden, welche Vorteile der Euro brächte. Dabei erfreut sich der Euro immer größerer politischer Zustimmung, was mich auch sehr erfreut. Als ich 1991 die Regierungskonferenz leiten durfte, die zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion geführt hat, kam ich mir manchmal vor wie ein Exot, weil ich den festen Glauben daran hatte, dass wir es schaffen könnten, dass wir 1999 den Euro hätten. Und wir hatten ihn auch 1999! Ich habe nie von Schwächen oder Frühgeburt geredet. Ich habe mich nie darüber beklagt, dass es ein schwieriges Unterfangen wäre. Schwierig war es ja auch dieses Konvergenzbemühen in der Europäischen Union zusammenzuführen.

Nur wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, dass wir anfangen unsere anfänglichen Erfolge zu verspielen. Wir haben ja die Welt beeindruckt damit, dass wir es schafften, in der Europäischen Union eine einheitliche Währung zu schaffen. Dies hat uns niemand zugetraut, auch die Amerikaner nicht. Ich kann mich stets daran erinnern, dass ich im August 1995 auf offiziellem Besuch bei Präsident Clinton war und als er sagte: „Dann erzählen Sie mir mal ein bisschen was von Europa“, habe ich losgeredet, von dem Euro und anderen Dingen und dann hat er stirnrunzelnd gemeint: „Nein, nein, nein, jetzt die richtigen Themen bitte ansprechen, die Türkei und so.“ Damals schon Türkei! Bei dem amerikanischen Finanzminister gab es dasselbe Szenario. Ich mache meinen Euro-Aufsatz, dann sagte der Mann mit finsterer Miene: „Nein, wir reden doch lieber über Wirtschaftsprobleme“ – als ob der Euro und Wirtschaftsprobleme nichts miteinander zu tun hätten – „und über die Türkei.“ Es hat kein Amerikaner geglaubt, dass wir es schaffen würden!

Ein, zwei Jahre bin ich wieder in Washington und kriege Samstagabends während der Sitzung der Bretton-Woods-Organisation einen Anruf desselbigen amerikanischen Finanzministers. Er sagte: „Sie waren doch vor zwei Jahren bei mir im Büro und haben über den Euro geredet? Könnten Sie bitte mal vorbeikommen, um mir das noch einmal genauer zu erläutern?“ Darauf wurde ich mir der historischen Wichtigkeit meiner Person vollauf bewusst und habe gesagt: „Ich habe keine Zeit“. Schlussendlich haben wir uns Sonntagmorgens um 7:30 Uhr zum Frühstück getroffen, was nicht sehr angenehm war, und ich habe mir damals gedacht: Wenn der amerikanische Finanzminister den luxemburgischen Finanzminister am Sonntagmorgen zum Frühstück einlädt, dann wird das was werden mit dem Euro! Das haben viele eben nicht begriffen, dass wir uns auf gutem Wege befanden, auch deshalb nicht, weil Luxemburg damals eben das einzige Land der Europäischen Union war, was die Konvergenzkriterien überhaupt erfüllte. Ich habe mich lange Jahre gefragt: Was wird das werden, wenn wir den Euro alleine einführen müssen? Gott sei Dank sind andere dann hinzugetreten!

Aber man darf nicht denken, dass nach dieser Konvergenzanstrengung, die wir als Eintrittsbedingung in die Europäische Union erbringen mussten, wir uns jetzt gemütlich zurücklehnen dürfen. Stabilität bleibt ein Grundgebot, ein Dauergebot, eine permanente Aufforderung an die Länder in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Stabilität gehört nicht zum alten Eisen! Es gibt keine europäische Zukunft ohne Währungsstabilität! Deshalb muss man auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Stabilitätskriterien immer wieder bestehen. Dies heißt im Übrigen nicht, dass man in Sachen europäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht zu einigen Abänderungen kommen muss, um den Stabilitätspakt in seiner Anwendung aus dieser zyklusneutralen Sackgasse herauszuführen, um ihn in eine zykluskonformere Realität einzuführen. Das werden wir versuchen unter luxemburgischem Vorsitz von Januar bis Juni 2005 hinzukriegen, wobei sich niemand der Illusion hingeben sollte, dass eine Reform des Stabilitätspaktes zur sofortigen Konsequenz hätte, dass jetzt eine Lockerung der Haushaltspolitik kommen wird. Das wird es in der luxemburgischen Vorschlagsmasse nicht geben!

In wirtschaftlich abgeschwächteren Zeiten muss man den nationalen Haushalten der nationalen Wirtschaftspolitik die Möglichkeit geben, sich etwas Margen zu geben, um konjunkturell gegensteuern zu können, wobei ich nicht zu denen gehöre, die denken, wirtschaftliche Flauten könne man durch Konjunktur-programme beheben. Alle Erfahrungswerte zeigen, dass dies so nicht geht. Aber die Regel muss sein, dass wir in wirtschaftlich stärkeren Zeiten, wo Haushalts-überschüsse eingefahren werden, wieder die Tugend des Sparens entdecken müssen. Wer in guten Zeiten viel Geld verdient, der muss bereit sein, die Mehreinnahmen fast ausschließlich in den Abbau der Schulden und der Defizite einzubringen. Wer dies unterlässt, versündigt sich am Stabilitätsgedanken und damit auch an der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und am Euro.

Ich sage es deshalb, weil ich es überhaupt nicht mag, wenn man so tut als ob schon alleine das Nachdenken über das Regelwerk des Stabilitätspaktes automatisch zu einer Lockerung der Stabilitätsbemühungen führen müsste. Dies wird jedenfalls nicht Teil der Vorstellung der luxemburgischen Ratpräsidentschaft sein. Ganz im Gegenteil!

Damit der Euro auf Dauer Bestand hat, damit die Europäer auch Hoffnung schöpfen können aus dem was abläuft, aus dem was sich perspektivisch ergibt, müssen wir Ernst machen mit dem Umsetzen der Lissabon-Agenda, der Lissabonner Reformagenda. Alle reden von der Lissabon-Agenda und niemand weiß genau was Sache ist. Wir müssen den Menschen erklären, dass die Lissabon-Agenda ein Reformprozess ist, der es den Europäern, Unternehmen, Mittelständern, auch den Arbeitnehmern erlauben wird, etwas optimistischer in die Zukunft zu blicken.

Es ist ein unwahrscheinlicher Vorgang, eine politische Verirrung, dass das Unwort des Jahres inzwischen das Wort „Reform“ ist. Wer früher in der Politik von Reformen redete, der war sich des Applauses sicher, wer heute über Reformen redet, der macht sich suspekt, der wird argwöhnisch beäugt, dem traut man die schlimmsten Dinge zu. Früher waren Reformen positiv, heute sind sie schon alleine vom Ausdruck her negativ behaftet. Wir müssen die Reform als Gesellschaftsentwurf rehabilitieren und das können wir am besten dadurch, dass wir Ernst machen mit der Umsetzung der Lissabon-Agenda, mit den Zielen, die einfach darauf ausgerichtet sind, dass wir bis zum Jahre 2010 aus der Europäischen Union den wettbewerbfähigsten Teil der Weltwirtschaft gemacht haben, indem wir uns konsequent auf den Weg zu einer voll ausgebauten Wissensgesellschaft machen werden. Das müssen wir tun. Ob wir das bis zum Jahre 2010 schaffen, da habe ich erhebliche Zweifel, denn die Umsetzung der Lissabon-Agenda hat schon respektable Verspätung.

Aber wir müssen dies tun, denn die Konkurrenz wird zwar nicht bedrohlicher, aber immer stärker. Wir sollten uns an den Gedanken gewöhnen, dass die Europäer nicht intelligenter oder arbeitsamer sind als die Menschen sonstwo in der Welt. Das was wir in China zur Zeit erleben, das was wir morgen in Indien erleben werden, das was wir in weiten Teilen Südostasiens zur Zeit erleben, zeigt deutlich: Die Europäer müssen sich anstrengen, um ihre Stellung in der Welt zu behalten. Es reicht nicht in finsterer Arbeiterromantik davon zu reden, dass wir das europäische Sozialmodell erhalten möchten. Wir müssen etwas tun, damit wir dieses europäische Sozialmodell erhalten können und dazu gehört, dass wir die Lissabon-Agenda umsetzen. Nun ist Lissabon ein Stichwort geworden, das eigentlich alles und nichts bezeichnet. Es ist daher von Nutzen, einige Punkte aus dieser Lissabon-Agenda so zu isolieren, dass die Menschen verstehen, was wir eigentlich tun. So ganz ohne Erfolg war dieses Treffen im Übrigen nicht, weil Europa, Europa der Fünfzehn, seit Verabschiedung der Lissabon-Agenda sechs Millionen Arbeitsplätze entstanden sind, weil seit Verabschiedung der Lissabon-Agenda die Beschäftigungsquote in Europa von 62,6% auf 64,5% angehoben wurde. Aber wir sind noch meilenweit von der Beschäftigungsquote von 71% entfernt, die die Amerikaner erreicht haben. Die Beschäftigungsquote der Amerikaner entwickelt sich allerdings rückläufig, von 71,4% auf 71%.

Die Beschäftigungsquoten müssen angehoben werden. Wir dürfen uns auf Dauer nicht damit abfinden, dass wir diese massiv überhöhten Arbeitslosenzustände in der Europäischen Union haben und wir müssen auch den Wert der Arbeit wieder neu entdecken. Was mich an dem allgemeinen Ambiente, das in der Europäischen Union herrscht stört, ist dass die Arbeit schlecht geredet wird. Viele tun so, als ob die Arbeit sie eigentlich an der sinnvollen Ausschöpfung ihrer Freizeit massiv stören würde.

Die Zukunftsparole kann nicht „weniger Arbeit“ sein. In Europa muss mehr, intensiver und produktiver gearbeitet werden als wir dies zur Zeit tun. Das bedeutet übrigens auch, dass wir einige Reformansätze etwas ernster nehmen. Diese Regulierungswut mit der wir wirtschaftliches Tun überall in Europa, vor allem in Deutschland und in Luxemburg, überzogen haben, können wir nicht so weiterführen. Es ist ja inzwischen so, dass wir in der Praxis das verbieten, was in der Theorie nicht möglich ist. Wenn jemand wirklich etwas kann, und den Beweis hat, dass er etwas kann und dass er damit Arbeitsplätze schafft für andere, dann erklärt man ihm, dass in der Praxis nicht sein kann, was in der Theorie ist, d.h. dass mehr damit beschäftigt sind, Regulierungen auszubauen als Regulierungen abzubauen.

Ich habe mir in Luxemburg – ich bin sehr deutsch in dieser Beziehung – vorgenommen, Ernst zu machen mit dem Abbau administrativer Hemmnisse. Deshalb habe ich eine Behörde gegründet, um dem Regierungswortschwall der Behörden den Garaus zu machen. Die Behörde besteht aber nur aus einem Mann und dieser eine Mann bin ich selbst. Wir müssen den Abbau der Überregulierung zur Chefsache machen! Ich habe feststellen müssen, dass in den letzten fünf Jahren meiner Amtsperiode die Regulierung um 57% zugenommen hat, ohne dass ich es bemerkt hätte. Ich hätte gerne, dass wir in den nächsten fünf Jahren in Luxemburg minus 57% Regulierung haben werden und dann werde ich die Zahl auch vor der Wahl bekannt geben.

Wir müssen sehr darauf achten, dass wir das Gesamtgleichgewicht des Lissabon-Prozesses nicht stören. Lissabon hat mit Wirtschafts- und Sozialreformen sowie mit Umwelt zu tun. Der Gedanke, umweltpolitische Maßnahmen würden Standortvorteile mindern, ist ein falsches Urteil, wenn umweltpolitische Vorteile sozialwirtschaftliche Verlängerungen sind und mit gesundem Menschenverstand durchgeführt werden.

Aber der gesunde Menschenverstand ist sehr unterschiedlich verteilt. Man muss ihn aufspüren, um ihn so polen zu können, dass man aus dem gesunden Menschenverstand wieder den Stoff macht aus dem Politik gemacht werden kann und dazu muss auch gehören, dass wir nicht abseits stehen, wenn in der Welt geforscht und entwickelt wird. Wir müssen 3% unseres gesamteuropäischen Bruttosozialproduktes zu Zwecken der Forschung und der Entwicklung bereitstellen. Dieser Trend, dass die besten europäischen Köpfe den Atlantik in die falsche Richtung überqueren, um in Amerika glücklich zu werden und Erfolge zu feiern, muss umgekehrt werden. Europa muss wieder ein Kontinent werden, wo Innovation, Forschung und Lehre eine feste Adresse haben, anstatt dass die tüchtigsten und klügsten Köpfe nach Amerika auswandern müssen, weil ihnen in Europa niemand zuhört, weil es kaum noch Banken gibt, die Risikoinvestitionen so unterstützen, wie sie unterstützt werden müssten. Europa darf nicht nur von Innovation leben, sondern muss auch Innovation machen.

Das lebenslange Lernen muss selbstverständlich auch ein europäisches Thema werden, weil wir uns aus dieser auch sentimentalen Sackgasse herausbewegen müssen, dass Arbeitslosigkeit, die plötzlich auftritt als Veränderung eines Wirtschaftsumschwunges eine absolute individuelle Katastrophe ist. Nein, jeder muss dauernd so fit und flott sein, dass er ohne größeren Probleme einen anderen Job übernehmen kann, wenn das, was er sein halbes Leben gemacht hat, plötzlich nicht mehr geleistet werden kann.

Vielen Dank!

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