Jean-Claude Juncker à l'occasion de la remise de prix Walter-Hallstein

Sehr verehrter Herr Dr. Walter,
Herr Prof. Steinberg,
Frau Oberbürgermeisterin,
lieber Jacques Santer,
Herr Staatssekretär,
meine sehr verehrten Damen und Herren
und liebe Freunde,

es fiele mir schwer, müsste ich denen die Belobigendes über mich zusammengetragen haben, energisch widersprechen, weil neben dem persönlichen, was geschildert wurde und was ich in der Rede von Jacques Santer sehr gemocht habe, war dies doch ein Spaziergang durch jüngste europäische Erfahrungen, mit denen ich zu tun hatte. Manchmal indem ich Dinge geholfen habe in die richtige Richtung zu bewegen, manchmal indem ich in ökumenischer Trausamkeit mir anderen gepennt habe und Chancen verpasst habe, die man hätte nutzen müssen um die Dinge etwas schneller in Bewegung zu bringen. Sie können Ihrem Terminplan der Ihnen vorliegt entnehmen, dass wir schon massiv über die Zeit hinaus geschossen sind, die uns eigentlich zur Verfügung stand um […] den Preisträger zu ehren. Ich wusste ja überhaupt nicht, dass man soviel Gutes über mich erzählen kann, dass dies so lange dauert. Aber das führt dazu, dass ich mich etwas kürzer fassen muss und auch möchte.

Ich würde mich ganz gerne bei meinem Vorgänger bedanken, über die netten, nicht immer objektiven Worte die er zu meiner Person hier formuliert hat. Wissen Sie, es ist in der Politik äusserst selten, dass Vorgänger nett über ihre Nachfolger reden. Äusserst selten. Das ist sehr selten, vor allem wenn sie dies in deutscher Sprache tun müssen. In Deutschland ist es sogar so, das nennt man bundesrepublikanische demokratische Normalität, dass auch Nachfolger über ihre Vorgänger und Vorgänger über ihre Nachfolger nie ein nettes Wort finden. Ich nenne das demokratische Abnormalität, dass man über die Parteigrenzen hinweg nicht das eigentlich Verbindende zwischen Menschen, politischen Projekten, Ideen und zielführenden Unterfangen sieht. Aber dass mein Vorgänger so nett über mich gesprochen hat, das hat mich sehr gefreut. Er hat dann auch im Übrigen mit dem was mich an Wissenswertem und an Erfühlenswertem begleitet hat, auch auf europäischen Wegen, wesentliches zu tun.

Ich hätte jetzt Lust eine richtig grosse und grossartige europapolitische Rede zu halten. Aber das geht ja jetzt nicht mehr, weil die anderen schon so lange geredet haben. Ich würde nur ganz gerne einige Sätze sagen. Der Erste, dass ich finde, ich sage dies in die neudeutsche Tugend der Larmoyanz hinein, dass es überhaupt keinen Grund gibt an Europa zu verzweifeln. Wer bedenkt, und sich das vor Augen führt, was wir in Europa alles geschafft haben, der muss stolz auf Europa sein. Und wer sich Europa anschaut, die Art und Weise wie Menschen sich Europa gegenüber verhalten, wie auch führende europäische Politiker über Europa reden, der stellt fest, die Europäer sind trotzdem irgendwo komische Käuze, weil es gibt kein grossartigeres Projekt weltweit zu besichtigen und es gibt niemanden der über Europa so schlecht redet als die Europäer und ihre Politiker. Das ist bekannt. Je weiter man sich von Europa entfernt, je tiefer man in andere Kontinente eindringt, umso stolzer ist man darauf Europäer zu sein. Nicht nur weil es uns unendlich besser geht als fünf Sechstel der Menschheit, auch den Deutschen geht es besser als fünf Sechstel der Menschheit. Das sollte man sich manchmal in Erinnerung rufen, sondern auch, weil die Augen der Welt und die Hoffnungen der Menschen weltweit auf Europa gerichtet sind, weil wir etwas geschafft haben, in den Irrungen und Wirrungen dieser dramatisch komplizierten europäischen Geschichte, wovon andere nur träumen können, nämlich dass wir nach dem 2. Weltkrieg, nach diesen dramatischen Zerrüttungen die Europa durchquert hat im 19. Jahrhundert, aus dem ewigen Nachkriegssatz, „nie wieder Krieg“, ein politisches Programm, eine Hoffnung für Millionen und ein Gebet für Viele gemacht haben. Das hat bis jetzt noch niemand uns nachgemacht und keiner hat es uns vorgemacht. Und wir sind nicht mal stolz darauf. Wir sind ungenügend stolz darauf.

Und ich sage den Jüngeren unter uns, […] uns Jüngeren möchte ich sagen, wir sollten uns auf die grossen europäischen Leistungen der letzten Jahrzehnte, wir, unsere Generation, nicht allzu viel einbilden. Das waren nicht wir. Das waren die, die aus den Konzentrationslagern nach Hause in ihre zerstörten Städte und Dörfer gekommen sind. Das sind die, die von den Frontabschnitten sich nach Hause schleppten, in allen Ländern Europas und die gesagt haben, das machen wir nie wieder. Wir sind nur winzig kleine Erben. Die, die Soldaten im Krieg waren, wie mein Vater - Jacques Santer hat daran erinnert - viele Deutsche auch, mein Gott, was hatten die mit dem ganzen Blödsinn zu tun? Franzosen, Italiener, viele, die hätten ja jeden Grund gehabt nach Ende des 2. Weltkrieges die Hände in den Schoss zu legen und Gottes Wasser über Gottes Land laufen zu lassen, nach dem Motto zu leben, wir haben gegeben was wir zu geben hatten und wir haben nichts mehr. Nein, die haben die Ärmel hochgekrempelt und haben Europa gemacht. Das war nicht Adenauer, das war nicht Bech, das war nicht De Gaulle - die waren es auch, aber die hätten es nie machen können, wenn es nicht dem tiefempfundenen Wunsch der europäischen Völker entsprochen hätte genau dies zu tun.

Und wenn ich mir manchmal ansehe, auch anhöre, diese irrsinnige Wehklage, das durch unsere Landstriche zieht, so als ob die die jetzt leben die schlimmste Last aller Zeiten zu tragen hätten, mein Gott, wenn ich das vergleiche mit der Lebensgeschichte meines Vaters und seiner Brüder, mit der Lebensgeschichte meiner Mutter, meiner Grosseltern die 5 Söhne in den Krieg schicken mussten und die alle nach dem Krieg in die Hände gespuckt haben und angepackt haben, und ich schaue mir dieses armselige Schauspiel an, was wir oft bieten, weil wir es so schwer haben, muss man sich schämen für diese Zeit und stolz sein auf die Zeit die mal war.

Wären wir in Berlin - weil man verwechselt ja die Städte manchmal wenn man hier steht, das kommt aber davon weil die Dresdner Bank der grösste Einzelspender für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche war, habe ich mir berichten lassen. Das ist sehr gut, weil dies ist auch ein Zeichen europäischen Wiederzusammenlebens, diese herrliche Frauenkirche in Dresden die letzte Woche wieder geweiht wurde. Wären wir in Berlin, könnte ich sagen, wenn die Berliner Trümmerfrauen mit der Mentalität der heutigen, also meiner Generation, an ihre Arbeit herangegangen wären, Berlin würde immer noch in Trümmern liegen.

Das Zweite ist, wir sind nicht mal stolz auf das was war und wir sind auch nicht stolz auf das, was wir zur Zeit eigentlich hinkriegen. Man nennt mich, was ich etwas anmassend finde wenn ich mich selbst so darstellen würde, was ich nicht tue, einen der Architekten der Wirtschafts- und Währungsunion. Das ist eine masslose Übertreibung. Der Euro hat so viele Väter, dass es einem wirklich Leid tun muss um die Mutter. Es ist schlimm wenn man so viele Väter gehabt hat. Als wir dies 1991 in dem Maastrichter Vertrag einschrieben, der am 7. Februar 1992 unterschrieben wurde - Jürgen Stark war auch dabei, er hat mich auf all meinen Stabilitätspfaden immer wieder, wohlwollend, wenn auch manchmal bissig schreibend, begleitet.

Wenn man an die Zeit zurückdenkt, da waren wir wenige die daran geglaubt haben. Man unterschreibt einen Vertrag schnell, aber daran zu glauben, das ist immer das Privileg nur einiger. Ich hätte nie geglaubt, auch ich nicht, dass wir inzwischen 12 Mitgliedsstaaten in der Eurozone haben könnten. Wir haben damals gedacht, es werden 5 oder 6, und die müssten dann zeigen was in ihnen steckt. Nie hätte ich gedacht, dass es 12 wären. Und diejenigen die wirklich daran geglaubt haben, die lassen sich nun wirklich auf einer Hand aufzählen. Abzählen fast. Helmut Kohl hat das immer geglaubt, Theo Waigel auch, ich auch. Und andere halt später. Ich sage manchmal wenn ich in guter Laune bin, wenn die katholische Kirche so viele Spätberufene hätte wie der Euro, es müssten Seminare und Kirchen gebaut werden. Aber das ist halt ein spätes Entdecken einer auch früher schon richtigen Idee zu deren Entdeckung man die zu spät Gekommenen eigentlich nur beglückwünschen kann.

Aber nicht nur die Europäer haben uns nicht geglaubt, dass wir das hinkriegen. Auch unsere Partner in der Welt haben es nie geglaubt. Die Amerikaner als allererste nicht. Ich weiss mich noch sehr gut zu erinnern, ich komme ja jetzt in ein Alter wo man anfängt Anekdoten zu erzählen und deshalb bitte ich um Nachsicht, dass ich jetzt hinabgleite in Jugenderinnerungen. Ich war im August 1995 bei Bill Clinton im Oval Office. Dann sagte er, dann erzählen Sie mir mal was in Europa läuft und ich habe dann sofort mit meiner Eurooper angefangen, dass wir das tun. Und so nach 3, 4 Minuten stoppt er mich relativ brutal, das können die Amerikaner ja wenn es sein muss, und sagt, das wird ja eh nichts, wie ist es mit der Türkei und mit dem EU-Beitritt der Türkei? Das war damals schon eine aktuelle Frage. Und dann habe ich dann halt die Platte aufgelegt. Und dann bin ich zum amerikanischen Finanzminister, Rubin hiess der Mann, ein sehr tüchtiger Finanzminister im übrigen und der sagt, kaum dass ich mich dahingesetzt hatte, dann erzählen Sie mir mal ein bisschen was Sie in Europa so machen. Und ich habe dann gedacht, jetzt bin ich in der Treasury, da wo ich richtig zur Sache gehen kann und dann singe ich dann die verschiedenen Eurostrophen die ich dann parat hatte. Das hat ihn sehr gelangweilt und er hat sich auch sofort nach dem Zustand der türkischen Volkswirtschaft erkundigt.

Ein Jahr später, 1996, war ich wieder anlässlich der IMF Sitzung in Washington und dann krieg ich Samstag abends einen Anruf in meinem Hotel vom amerikanischen Finanzminister. Und er sagt, wir hatten doch letztes Jahr ein interessantes Gespräch über die europäische Wirtschafts- und Währungsunion und ich würde dieses Gespräch gerne heute Abend fortsetzen. Eingedank der plötzlichen historischen Dimension, die mich da übermannte, hab ich gesagt, ich hab jetzt leider keine Zeit um dieses Gespräch zu führen. Dann haben wir das Sonntag morgens beim Frühstück geführt. Ich mir gedacht, wenn der amerikanische Finanzminister den luxemburgischen Finanzminister Sonntag morgens zum Frühstück empfängt um über den Euro zu reden, dann haben die in Europa unrecht die nicht glauben, dass wir das schaffen.

Und wir haben das geschafft. Und wir sind erstaunlicherweise nicht stolz auf das Geschaffte, genauso wenig wie wir stolz darauf sind, dass wir es nach diese schrecklichen europäischen Tragödien des 20. Jahrhunderts geschafft haben europäische Geschichte und europäische Geographie wieder zusammenzuführen. Ich bin ja der einzige der sich bei öffentlichen Reden, der der deutschen Sprache mächtig ist, der sich dauerhaft über die deutsche Einheit freuen kann.

Wissen Sie, in deutschen Sälen erreiche ich die grössten Überraschungserfolge wenn ich darüber rede, dass ich froh bin, dass die Deutschen wieder in einer Nation zusammengeführt wurden. Es ist ja eine Schande eigentlich, dass viele deutsche Politiker sich nicht mehr über das was 1989/1990 in diesem Lande passiert ist noch öffentlich freuen dürfen. Und das hat mit Europa so viel zu tun, weil ich halte viel von dem, auch von Kohl immer wieder in Erinnerung gerufenen doppelten Adenauer Satz, dass deutsche Einigung und europäische Einigung zwei Seiten einer Medaille sind. Und wir können uns über diese Dinge eigentlich nicht mehr echt freuen.

Es war so einfach in den 1980er Jahren, in den 1970er Jahren auch nach Budapest, nach Prag, Sonntagsreden zu schmettern, wo wir den Menschen in Ost- und Mitteleuropa zugerufen haben, verjagt die Kommunisten und ihr seid in Europa willkommen. Und jetzt haben sie an die Tür geklopft und es gibt viele die schleppenden Fusses sich zur Tür bewegen und eigentlich durch die Tür flüstern, so wäre das alles nicht gemeint gewesen. Es ist doch eine aussergewöhnliche historische Leistung der Europäer im Westen und vor allem der Europäer im mittleren Teil des Kontinentes und in Osteuropa, dass sie selbst wieder Geschichte geschrieben haben, anstatt, dass Geschichte gegen die Menschen, wie dies so oft geschah in Europa, geschrieben wurde. Mir ist es lieber auf uns sind die Erwartungen der Menschen aus Prag und Budapest und Warschau gerichtet als immer noch Raketen auf uns gerichtet wären. Früher waren Raketen auf uns gerichtet. Heute sind die Erwartungen auf uns gerichtet. Nicht diejenigen sind kleinmütig, die diesen Erwartungshorizont der Menschen negativ beschreiben. Diejenigen sind kleinmütig die die aussergewöhnliche kontinentale Chance der europäischen Wiedervereinigung nicht spüren, erblicken und in praktische Politik umsetzen.

So hat es das gegeben in einer Welt, deren Teile dauernd auseinander getrieben werden. Dies kann man weltweit besichtigen, dass es einen Kontinent gegeben hat, der sich in Freiheit und durch den freien Willen der Menschen wieder in seinem Schosse hat zusammenschliessen können. Darauf sollten wir eigentlich stolz sein, als uns über die Mühsal der Zeit zu beklagen. Mir ist es lieber die Welt in Europa ist so wie sie im Jahre 2005 ist, als die Welt wie sie im Jahre 1985, 1955, 1965 oder 1975 war. Alles ist eigentlich besser geworden. Darüber sollten wir uns freuen.

Mich freut auch dieser Preis, weil er den Namen von Walter Hallstein trägt. Es gab, als ich so 5, 6, 7 war, 3 Politikernamen, die ich als kleiner Bub gekannt habe: Kennedy, De Gaulle und Hallstein. Wie viele dass noch wissen wer De Gaulle und Kennedy war, wage ich nicht zu hinterfragen. Dass es nicht sehr viele gibt, die noch wissen wer Walter Hallstein war, das wage ich zu behaupten. Dies ist ein schlimmes Zeichen für die oberflächliche Geschichtsbetrachtung unserer Zeit, weil Walter Hallstein hat sowohl als deutscher Staatssekretär im Auswärtigen Amt als auch als späterer Kommissionspräsident unendlich viel, sowohl für sein Vaterland als auch für die europäische Gesamtentwicklung, geleistet. Er war derjenige der mit dabei war, als im Jahre 1952 die europäische Gemeinschaft für Stahl und Kohle aus der Taufe gehoben wurde. Diese bombastische historische Erkenntnis, dass man die Kriegsinstrumente der Vergangenheit aus den nationalen Fängen befreien müsste, Kohle und Stahl, und in supranationalen europäischen gestaltenden Fingern zusammenführen müsste.

Nicht Hallstein und nicht Monnet und nicht Schuman waren die ersten die dies erdacht hatten. Schon Coudenhove-Kalergi in den 20er Jahren, hatte genau diesen Plan geschmiedet, mit vielen andern. Wir denken ja immer die Geschichte hat mit uns angefangen, so war es Gott sei Dank nicht. Diejenigen die vor dem Krieg schon europäische Gedanken zielorientiert zu spinnen wussten, sind die eigentlichen Väter der europäischen Idee. Léon Blum, der erste sozialistische Ministerpräsident Frankreichs hat auf dem Weg in den Zug ins KZ gesagt, wenn wir es nicht schaffen aus diesem europäischen Krieg den letzen Krieg gemacht zu haben, dann wird Europa dauerhaft zerstört werden. Spinelli, der aus seinem italienischen Inselexil, von den Faschisten in Fesseln gelegt, über europäische Dinge sinnierte, hat gesagt, der Nationalstaat ist an seinem Ende angekommen. Immer wieder Ideen wie man europäische Dinge zusammenführen könnte.

Niemand weiss, oder fast niemand weiss, dass die ersten Pläne zur Europäischen Union von der polnischen Exilregierung in London entworfen wurden. Die polnische Exilregierung die mit der tschechischen Exilregierung zusammen einen Plan über eine politische Union Westeuropas vorlegte, und diesen herrlichen Satz als Abschlusssatz schrieb: „Wir müssen die Westeuropäer überzeugen mitzumachen“. Wir, die wir dauernd erklären den Polen, den Balten, allen andern wie die Dinge zu handhaben sind in Europa, sollten daran erinnert werden, dass die eigentlichen Aufbruchideen des Europas nach dem 2. Weltkrieg, im 2. Weltkrieg von den ost- und mitteleuropäischen Exilregierungen in London formuliert wurden. Das macht eigentlich bescheiden im Umgang mit denen, von denen wir immer sagen sie wären die neuen Mitgliedstatten. Die sind so Alteuropäer wie wir auch. Es ist nicht ihre Schuld, und es ist nicht unser Verdienst, dass wir in der Sonne und sie im Schatten der europäischen Nachkriegsentwicklung aufgewachsen sind.

Hallstein hatte dies erkannt, so wie vor ihm auch schon Churchill. Ich bin von der Lebensleistung Churchills nicht sonderlich beeindruckt, obwohl dies anmassend klingt, wenn man dies so sagt, weil man muss das ganze Churchillleben sehen um ihn vollumfänglich werten zu können. Wir sehen immer nur den zweiten nobleren Teil dieser Vita. Aber immerhin hat er 1947, als die paneuropäische Bewegung zum ersten Mal in Den Haag tagte, auf dem Höhepunkt seiner moralischen Autorität angekommen - Mitterand war im Saal, Adenauer war im Saal, viele Philosophen, andere - gesagt, wir fangen heute im Westen an was wir eines Tages im Osten zu Ende führen werden. Man muss die prophetische Kraft, die perspektivische Stärke der Männer der Zeit eigentlich vor Augen haben, um heute nicht zu kapitulieren vor den Irrungen und Wirrungen des Tagesgeschehens.

Wissen Sie, die Geschichte wird von vielem was wir so machen überhaupt nichts zurückbehalten. Nicht alles was morgen in der Zeitung steht wird dauerhaft zur Geschichte werden. Dass wir uns jetzt über finanzielle Vorausschauungen nicht einigen werden, das wird die Welt nicht dauerhaft in Erinnerung haben. Auch die spannenden Debatten, die wir mit der europäischen Zentralbank über Stabilitätskriterien, ihre Einhaltung und ihren nicht dauerhaft permanente und tugendhafte Beobachtung haben, das wird nicht das sein was eines Tages in den Geschichtsbüchern steht.

Was eines Tages in den Geschichtsbüchern steht sind die Leistungen derer die vor uns da waren. Wir sollten höllisch darauf aufpassen, dass wir, meine Generation nicht als die Generation in die europäische Geschichte eingeht, die es verpasst hat die Dinge zu richten so lange es noch Zeit war die Dinge endgültig zu richten. Meine grosse Sorge ist, wenn wir jetzt alle europäische Prozesse nicht irreversibel machen, wenn wir jetzt das europäische Wasser nicht in die Kanäle leiten, die nicht mehr von der Wasserflut überschritten werden kann, dass die, die nach uns kommen dies nicht mehr tun werden. Wissen Sie, der Unterschied zwischen meiner Generation und denen die nachkommen, ist ein ganz einfacher. Wir sind nicht Kriegsgeneration. Wir sind nicht mal Wiederaufbaugeneration. Wir sind eine Generation die eigentlich dankbar sein müsste für das was sie mitgekriegt hat, aber wir wissen noch von unseren Vätern und von unsern Müttern und von unseren Grosseltern, wie das war. Die die im Jahre 2030, 2040 die europäischen Länder regieren und die europäischen Gesellschaften animieren werden, die werden nichts mehr davon wissen. Die können in ihrer eigenen Lebensrichtung oder in der Biografie der Eltern keine Elemente, nicht mal Spurenelemente wieder entdecken, die sie dazu brächten, diesen europäischen Aufbruch ein zweites Mal in Angriff zu nehmen.

Wir sind die Letzten die diese Dinge endgültig regeln können. Im Jahre 2040 wird die Erinnerung an Hitler und an Stalin, diese Schreckensfiguren des 20. Jahrhunderts so verblasst sein wie unsere Erinnerung an Wilhelm II. und an Clemenceau. Man wird nichts mehr wissen. Deshalb müssen die wichtigen Dinge jetzt gemacht werden.

Wir haben überhaupt keine Zeit zu verlieren. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass wir jetzt alles überstürzen sollten, aber letztendlich, vor der Verantwortung der Geschichte, ist dies die letzte Generation die diese Dinge endgültig richten können.

Ich verstehe diesen Preis als einen Auftrag in diese Richtung.

Vielen Dank.

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