Jean-Claude Juncker, Transcription du discours tenu lors de la 6e conférence diplomatique allemande, Berlin

- Seul le discours prononcé fait foi -
- Nur das gesprochene Wort gilt -

Herr Bundesaußenminister, lieber Frank-Walter, Monsieur le ministre des Affaires étrangères, mon cher Philippe, meine Herren Staatssekretären, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren Botschafter, meine Damen und Herren.

Ich mag Botschafterkonferenzen sehr. In Luxemburg, wo mir auffällt wenn ich hier in den Saal blicke, dass obwohl, von Luxemburg aus betrachtet, das Ausland wesentlich größer ist, als von Berlin aus betrachtet, wir es doch auf weniger Botschafter bringen als die Bundesrepublik Deutschland, sodass unsere Botschafterkonferenzen in etwas intimeren Räumen abgehalten und durchgeführt werden dürfen. Und ich mag Botschafterkonferenzen sehr, weil sie nie frei von Überraschungen sind.

Beispielsweise liest man im Flugzeug, man hätte 30 Minuten Redezeit zur Verfügung, und liest, der Bundesaußenminister würde kurz, in einem 15minütigen Referat die Debatte einführen. Ich habe das, was er gesagt hat allerdings sehr genossen.

Es ist aber leider so, dass der letzte königliche Hinweis auf die möglichst breite Darstellung dessen, was der Königsweg aus der Verfassungskrise heraus sein könnte, deshalb nicht stattfinden kann, weil ich wegen der überlangen Redenszeit fürs Einführende die Zeit einfach nicht finde, um das auch noch kurz hier unterzubringen.

Überhaupt hat mich die Einladung sehr beeindruckt, weil auf dem, wie ich inzwischen weiß, sehr informellen und indikativen Informationszettel zu lesen war, ich hätte hier zu sprechen, zu dem europapolitischen Kurs am Vorabend der deutschen Präsidentschaft. Was mich schon sehr mit zärtlichen Gefühlen erfüllte, weil ich mir dachte, obwohl wie man auch vorhin hörte, Deutschland immer besser auf die Beine kommt, dass das wohl nicht so sein kann, dass man sich jetzt auf den Einfallsreichtum des luxemburgischen Premierministers verschlägt, um die deutsche Präsidentschaft mit Inhalten zu führen.

Weil ich nun dem deutschen Außenminister in Freundschaft zugetan bin, und dies ist nicht einfach so eine Worthülse, die man zur Prüfung der allgemeinen Wirkung in einen Raum schmeißt, sondern dies ist einfach so, auch aus vorherigen Amtsfunktionen schon, bin ich absolut davon überzeugt, dass diese deutsche Präsidentschaft, wie andere vor ihr, und wie einige wenige andere neben ihr, zu einem vollen Erfolg werden können.

Dies ist, seit ich Amtsträger bin, die nächste deutsche Präsidentschaft die 5. insgesamt, die ich, wenn ich das salopp formuliere, mitmachen darf. Woraus sie erkennen können, dass ich inzwischen zu den Veteranen des europäischen Geschäftes gehöre, und ich hoffe immer noch, dass ich nicht so aussehe, wie Veteranen normalerweise aussehen. Und seit ich Premierminister bin, die 2. Präsidentschaft unter deutschem Vorsitz.

Und wenn ich mich jetzt zurück versetze in die Tage der letzten deutschen Präsidentschaft, am Ende des Jahrhunderts, 1999, am 1. Januar, fing sie an, und das Europabild, wenn ich das Deutschlandbild nicht miteinander vergleichen möchte, dem von heute in Vergleich setze, dann sind doch gewaltig viele Dinge passiert in diesen 6, 7 Jahren zwischen diesen beiden deutschen Präsidentschaften.

1999 als Gerd Schröder den Vorsitz in der Europäischen Union übernahm, standen keine deutschen Soldaten in der Welt, und an den Brennpunkten der Welt. Auch keine europäischen Soldaten, im europäischen Namen. Heute ist das völlig anders. Und wer, was man manchmal tun sollte, zurück liest was noch 1996, 1997, 1998 am Grund Befindlichkeiten in der innenpolitischen deutschen Debatte bewegt wurde, wenn es um das theoretische Überlegen, ob deutsche Soldaten Einsätze im Ausland überhaupt statthaft wären, gab, der staunt manchmal über den Grad der auch in der innenpolitischen Debatte in Deutschland inzwischen erreichten Normalität.

Ich halte dies für unabhängig von dem dramatischen Background vor dem sich diese Einsätze deutscher Soldaten im Ausland abspielen, für- wenn ich das so sagen darf, obwohl dies missverständlich klingt - für einen Glücksfall in Europa, dass Deutschland sich wieder selbst akzeptiert, und mit Bedacht und mit dem gebotenen Zögern sich der Aufgaben annimmt, die ein Land in der Mitte Europas annehmen muss, das nicht nur die größte Volkswirtschaft, sondern auch das größte demokratische Gewicht auf die Waage bringt, und das Land in Europa mit den meisten Nachbarn ist und deshalb auch das Land mit der größten Verantwortung in Europa und für Europa, und auch für Europa in der Welt ist.

Und ich möchte dies ausdrücklich begrüßen, dass etwas heute normal geworden ist, was in der deutschen Kontroverse der späten 80er und frühen 90er Jahren immer wieder völlig unterging. Dies ist ein Quantensprung deutscher Politik und deutscher Diplomatie. Deutschland agiert international global, und deshalb auch auf gleicher Augenhöhe mit den anderen größten Ländern in der Europäischen Union. Dies tut uns und dies tut hoffentlich den Deutschen insgesamt gut.

1999 wurde auch, während der damaligen Ratspräsidentschaft, zum 1. Mal, ja auch schon über den Königsweg, aber diesmal in die europäische Verfassungskrise hinein diskutiert. Weil der deutsche Außenminister damals, Joschka Fischer, in Köln anlässlich des europäischen Gipfels im Juni 1999, die Idee des Konventes zum 1. Mal erwähnte. Und man dachte, wie man so denkt, dass wenn man alles anders macht, dass dann alles besser wird. So ist das nicht.

Und weil Politiker, wenn sie öffentlich beschimpft werden, ja nicht dazu neigen demjenigen der sich beschimpft Unrecht zu geben, sondern normalerweise eigentlich megafon-mässig die Botschaft noch stärker durch die Welt dröhnt, dass alle von der Welt etwas verstehen, nur die Politiker nicht, hat man sich darauf geeinigt, dass nicht Regierungsmenschen, nicht Diplomaten - Diplomaten sollten nie lachen, wenn Politiker beschimpft werden, weil entweder sind sie kurz vorher beschimpft worden, oder sie werden kurz danach beschimpft werden, insofern sind wir Leidensgenossen; ich sage dies, weil ich ein mit Mühe und Not verkniffenes Lächeln in einigen vorderen Reihen festgestellt habe, als es darum ging, das Unvermögen der Politik zu beschreiben - damals hatten wir also gesagt, okay, das machen Parlamentarier, National-, Europaparlamentarier, einige Regierungsvertreter, und dann rutscht die Sache. Sie ist dahin gerutscht, wo sie hingerutscht ist, die Königsidee Konvent, die eigentlich nicht dazu geführt hat, dass auch Europäer spontan vor Begeisterung auf Tisch und Stühle sprangen, und theoretisch applaudiert haben als Konvent und anschließende Regierungskonferenz ihre Gesamtergebnisse zur Abstimmung gestellt haben.

Vergleiche ich was 1999 war, Jahr in dem am 1. Januar übrigens auch der Euro eingeführt wurde - nicht unter greifbarer Form, sondern unter Vorläuferform, auch wenn einige Spätgerufene ihn damals schon sehr gemocht haben - wenn ich also Januar 1999 vergleiche mit Januar 2007, fällt eigentlich auf im europäischen Kontext, dass die Nachfrage nach mehr Europa jeden Tag stärker wird. Die weltweite Nachfrage nach mehr Europa wird jeden Tag intensiver. Das hat im Übrigen auch mit der deutschen Bereitschaft zu tun, stärkere Verantwortung auf eigene Schultern zu nehmen.

Und parallel dazu, wo wir von außen her, wo wir extern so sehr als Europäische Union gefordert sind, sind wir intern, was europäische, strikt europäische Innenpolitik anbelangt, von Krisen geschüttelt. Ich weiß sehr wohl, und Philippe wird das nachher auch in aller poetischen Gesamtschilderung zu nuancieren versuchen, dass viele denken, wir wären nicht in einer europäischen Krise. Er wird das nachher sehr genau erklären, dass wir nicht in einer europäischen Krise sind. Ich sage das jetzt schon, dann brauche ich es nachher nicht zu sagen, wir sind doch in einer europäischen Krise. Das wird an unserer Freundschaft überhaupt nichts ändern können, aber wir sind in einer Krise. Wir haben dort eine kleine Meinungsverschiedenheit. Ich denke manchmal auch Philippe, wenn das luxemburgische Volk nicht per Referendum Ja gesagt hätte, sondern Nein gesagt hätte, und Frankreich hätte Ja gesagt und nicht Nein, und ich würde hier stehen und Du auch, dann würde ich auch sagen, es ist keine Krise. Und du würdest sagen, doch, es ist eine Krise. Dies ist wie gesagt temporäre Anschauungssache.

Jedenfalls fällt auf, dass extern viele Aufgaben an Europa heran getragen werden, intern wir aber schwächer aufgestellt sind, als dies am Ende des letzten Jahrhunderts, am Anfang der deutschen Präsidentschaft 1999 der Fall war. Und deshalb kommt auf die nächste deutsche Präsidentschaft größte Verantwortung zu. Und der deutsche Bundesaußenminister hat ohne jeden Zweifel Recht, dass im Mittelpunkt dessen, was zu leisten sein wird, die Wiederbelebung der Verfassungsdebatte stehen muss. Ich glaube aber, man kann dies nur halbwegs erfolgreich, von der Perspektive her betrachtet, in Angriff nehmen, wenn man sich im Vorfeld dessen, was unter dem Arbeitstitel Verfassungsgebung in der Europäischen Union zu passieren hat, einige Dinge weggeräumt werden, die sich, weil es sich um dicke Brocken handelt, so einfach nicht wegräumen lassen.

Ich finde schon, dass es Aufgabe des deutschen Ratsvorsitzes sein muss, wie überhaupt der deutschen Politik, und zwar konstant, ein regelrechtes neu-altes Plädoyer für die Europäische Union und für die europäische Einigung insgesamt zu führen.

Nur die Krise, die wir in der Europäischen Union haben, ist ja im eigentlichen Sinne des Wortes, nicht nur einfach eine politische Krise, die man beheben könnte, wenn es diese Völker nicht gäbe, die einen daran hindern, dies zu tun. Die eigentliche Krise ist doch nicht die, dass Deutsche und Franzosen weniger von einander verstehen, als beide denken, dass sie von einander verstünden, die eigentliche Krise ist doch die, dass die europäische Bevölkerung selbst eigentlich tief gespalten ist, wenn es um europäische Integration geht.

Mitte der 50er, Anfang der 60er Jahre, bis in die späten 70er Jahre hinein, war das Europathema kein kontroverses Thema. Alle wollten Europa, alle wollten auch Europa mehr, und alle wollten immer schon Europa gehabt haben wollen, wenn ein Stück mehr Europa passierte.

Man hat, als ich noch jung war, regelrecht öffentliche Veranstaltungen zum Thema organisiert: "Wie schaffen wir es diese Grenzen in Europa wegzukriegen?" Die Grenzen von denen die Menschen damals wussten, dass sie die blödeste Erfindung sind, zu der die Menschheit je fähig war!

Als die Grenzen dann plötzlich weg waren, kam mehr Kriminalität, kamen mehr Drogen, gab es keinen Schutz mehr. Das zu Erreichende, und das Erreichte war, in der ersten Hälfte der europäischen Integrationsgeschichte immer etwas, was man sehr begrüßte. Heute ist das zu Erreichende immer populärer als das Erreichte, weil das Erreichte systematisch mies geredet wird. Und deshalb fehlt vielen der Mut über das noch zu Erreichende überhaupt noch öffentliche Debatten, und öffentliche Reflexionen und Nachdenken anzustellen.

Es ist heute in Europa so, dass die Hälfte der Bevölkerung in fast allen unseren Ländern, jedenfalls querfeldein durch den Kontinent, gerne mehr Europa hätte, ein besseres Europa hätte, ein Europa, das weiterführende Integrationsschritte macht, und die andere Hälfte der Bevölkerung in allen Ländern, und querfeldein über den Kontinent die denkt, dass wir heute schon zu viel Europa haben. Und wenn es 50% der Menschen gibt, die gerne mehr hätten, und andere 50% denen das bisher Erreichte schon zu viel ist, dann sind Königswege und einfache Wege sehr schwer zu finden, obwohl es alle Bedenken, die in der Europadebatte, auch dort wo deutsche, französische, italienische, britische, niederländische, luxemburgische Befindlichkeiten aufeinander prallten, als Erörterungsthema in den letzten Jahren schon gab. Alle diese Punkte wurden eigentlich in der Verfassung mit relativ klaren, auch wenn es sich um Kompromisse handelte, Antworten versehen.

Diese europäische Verfassung beantwortet viele Fragen, die jetzt gestellt werden, die Antworten wurden schon formuliert. Und deshalb muss man sich mit den Gegenstimmen zu Europa stärker auseinandersetzen als wir dies in der Vergangenheit taten.

Ich nehme das Thema Erweiterung. Erweiterung war doch Anfang der 90er Jahre das Riesenthema in Europa. Die Menschen waren auch mit ihrem Herzen dabei, es war fast ähnlich wie der ewige Friedensdiskurs, der über 30, 40 Jahre hinweg gepredigt wurde und von dem ich lese, und ich weiß das ja auch, dass er nicht mehr reicht, um junge Menschen zu erreichen. Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, überhaupt kein Grund ihn aufzugeben, das bleibt ein Thema in Europa: "Krieg und Frieden". Und deshalb wird man, wenn man über Europa redet, immer wieder den Friedensdiskurs auch neu beleben.

Ich kann überhaupt nicht erkennen, dass Europa kriegsfrei gewesen wäre in den letzten 10 Jahren, wenn ich mir das ansehe, was auf dem Balkan zu beobachten war. Und ist ein Krieg im Nahen Osten nicht auch, ein bisschen wenigstens, ein Krieg in Europa? Und ist das Friedensthema nur dann ein Thema, wenn wir denken, wir hätten es in Europa erledigt, so nach dem Motto: Bei uns wird nicht mehr geschossen, und es ist uns egal, dass bei euch geschossen wird. Nein, das Friedensthema bleibt ein eminent wichtiges europäisches Thema. Und deshalb fand auch die Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa anfänglich so viel Sukkurs bei den öffentlichen Meinungsbildern und bei der dann öffentlich gebildeten Meinung, weil die Menschen spürten, hier geht es um Krieg und Frieden, hier wachsen Geographie und Geschichte so zusammen, dass sie zum allerersten Mal friedlich zusammengeführt werden können, ohne dass wir dies mit kriegerischen und militärischen Mitteln begleiten müssen. Und die Menschen haben gespürt, hier entsteht etwas Wichtiges.

Was haben wir eigentlich aus diesem Traum, dass die Europäer endlich mal wieder an etwas glaubten, gemacht, in der Politik, in der Publizistik, sonst wo? Wir haben diese Erweiterung als Bedrohungskulisse den Menschen erklärt. Wir haben davor gewarnt, was dies alles kostet, wie viele Menschen, als ob die Wilden jetzt kommen würden, aus Ost- und Mitteleuropa, über diverse europäische Täler und Berge hereinbrechen würden. Und die Menschen haben Angst gekriegt. So macht man keine Politik.

Wenn es eine generöse Idee gibt, wenn es die bereitwillige Zustimmung viele auf unserem Kontinent zu neuen Abenteuern und zu neuem Ufer gibt, dann dürfen wir diesen massiven Willen der Menschen von der Politik her nicht klein reden, indem wir warnen, nuancieren, abwägen, den Menschen eigentlich sehr oft, aus absolut durchsichtigen innenpolitischen Motivationslagen heraus, die Lust an Europa vertreiben, anstatt den Menschen Lust auf Europa zu machen.

Und deshalb müssen wir diese Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa weiterführen. Dort sind dann Themen, wie die neue europäische Nachbarschaftspolitik sehr gezielt anzusprechen. Dies wird ja auch vom deutschen Ratsvorsitzenden, soweit ich das sehe, sehr intensiv betrieben werden. Und wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, wo liegen die Grenzen Europa, und wie kann diese Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa anders gestaltet werden, als bisher. Erstmal kann sie genau so gestaltet werden wie bisher, dort wo es möglich ist. Zweitens kann sie nicht mehr so gestaltet werden, als bisher, wenn die Kriterien, die Beitrittskriterien nicht streng, strenger und am strengsten beachtet werden. Und drittens wird man nicht deshalb zu einem Feind einfältiger Konzepte, wenn man über komplizierte Konzepte auch mal nachdenkt.

Ich kann mir nicht vorstellen - aber ich konnte mir schon vieles nicht vorstellen, was dann trotzdem schlecht gemacht wurde - dass die Europäische Union ihre Substanzkraft in der Sache behält, wenn wir auf eine Europäische Union mit 35 oder vielleicht mehr Mitgliedern zusteuern, ohne Verfassung, und ohne Überprüfung der Gesamtkonstruktionen. Und mir scheint es schon überlegenswert, ob wir nicht Kanäle mit Wasser füllen könnten, die die Wassermengen so zusammen führen, dass in dem einen Teil des Meeres das Wasser zusammen läuft, das aus den Quellen der vollen EU-Mitgliedschaft gespeist wird, und in anderen Meeresbuchten das Wasser zusammenläuft, das auch von denen vom Urquell her gespendet wird, die fast Vollmitglieder der Europäischen Union sind, aber es nicht ganz sind, weil sie es nicht können, oder weil wir es nicht wollen, weil wir es nicht schaffen, sie zu absorbieren, wie dies in einem schrecklichen Neudeutsch inzwischen heißt.

Die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union ist nicht unbegrenzt. Und weil sie nicht unbegrenzt ist, wird es so etwas wie besondere Verhältnismäßigkeit in unserem Umgang mit einigen Staaten, die gerne Mitglied der Europäischen Union werden würden, geben müssen, damit wir dieses Gewässer anständig kanalisieren können. Eine Art konzentrische Kreise um die Europäische Union herum, wo es immer wieder volle Vollmitglieder geben wird, dann aber auch andere Staaten, die diese volle Vollmitgliedschaft so nicht leisten können.

Woraus sich ergibt, dass in fine so etwas wie ein harter Kern entstehen könnte. In fine, wenn nichts mehr geht, als nur noch das. Ich bin sehr allergisch gegen die Vorreiter der Idee der Pioniere, des harten Kerns, der geschlossenen Veranstaltung eigentlich. Nicht, weil ich nicht dächte, dass dies einmal eine Notwendigkeit sein könnte, um aus der Sackgasse heraus zu kommen, wenn wir zu 25, 27, 30 oder mehr, einfach nicht mehr weiter können. Dass sich dann die finden, die von weiter tragenden Ambitionen animiert sind, um mehr Europa zu halt weniger zu machen, das schließe ich überhaupt nicht aus. Aber das, was jetzt am Markt gehandelt wird, dass man von vornherein sagt, es gibt einige Dinge, die machen wir, zu 5, zu 6, zu 10 oder zu 12, und viele andere Dinge machen wir überhaupt nicht gemeinsam und lassen die anderen machen, erinnert mich daran, dass es in der Geschichte der Menschheit schon oft Pioniere gab, die wussten, dass sie irgendwo hin wollten, aber nicht wussten wo sie ankommen möchten. Die Idee des Pioniergeists ist in der romantischen Literatur stark verbreitet. In der Politik ist es gut, wenn man sich auf die Reise macht, dass man auch ein Reiseziel hat, und nicht plötzlich andere darüber wird rätseln lassen, wo man eigentlich angekommen ist. Und deshalb bei aller Ehrfurcht vor dem Pioniergeist, wäre es gut, wenn man auf die Tugenden des elementaren Kompasses manchmal in die Hand nehmen würde, um besser zu sehen, was man eigentlich gerne hätte und dass andere von dem verstünden, was man selten versteht, und deshalb sollte man Abstand nehmen von derartigen Ideen.

Das Europa der Resultate muss geleistet werden in den nächsten 6 Monaten. Und ich denke schon, dass die deutsche Ratspräsidentschaft hier besonders gut aufgestellt ist, um all dies zu bewirken. Einige Voraussetzungen müssen hier auch geschaffen werden.

Das Thema Globalisierung kann man nicht seminaristisch einfach abhaken, und sagen, jetzt machen wir einen Plan gegen Globalisierung, und wir geben uns 8 Monate Zeit, und dann haben wir die Globalisierung im Griff. Die wichtigste Antwort haben wir eh geliefert auf die Globalisierung, und das ist die europäische Wirtschafts- und Währungsunion.

Ich kann immer nur staunen, wenn man sich, vor allem im angelsächsischen Raum, manchmal auch im skandinavischen, darüber den Kopf zerbricht, was Europäer jetzt in Sachen Globalisierung auf die Wege bringen sollten. Gut, da ist vieles zu tun, aber Grundvoraussetzung war die europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Was wäre denn geworden aus Europa, aus dem europäischen Währungssystem, während des Irakkrieges und danach, was wäre denn geworden während der südostasiatischen Finanzkrise, und der russischen und lateinamerikanischen Finanzkrise? Was wäre denn passiert im europäischen Währungssystem, nachdem Frankreich und die Niederlande "Nein" gesagt haben zu dem europäischen Verfassungsvertrag? Was wäre denn jetzt passiert, angesichts der Libanon-Krise? Ich bin doch Veteran, der als Finanzminister in den 80er und 90er Jahren pausenlos an Realignment Sitzungen in Brüssel teilgenommen hat. Und weil ich ja noch nicht so verkalkt bin, weiß ich mich ja noch daran zu erinnern, womit ich meine Samstags- und Sonntagsfreizeit eigentlich verbracht habe.

Wann immer etwas in der Welt passierte, mussten die europäischen Finanzminister zusammentreten, um das zerbröckelnde Zement des europäischen Wirtschafts- und Währungssystem einigermaßen beieinander zu halten. Das brauchen wir alles nicht mehr zu tun. Wir wissen wohin die Reise geht, und wir wissen, dass wir durch den Euro stark sind, und unsere Wirtschaft unter den Irrungen und Wirrungen des Zeitgeistes und der Zeitverwirrungen nicht mehr leidet. Insofern muss die Stärke dieses Euros wesentlich, auch von ihrer, sagen wir , internen Organisationsweise, verbessert werden.

Und wir brauchen mehr Koordinierung an gemeinsamer Wirtschaftspolitik. Wir brauchen gleiche Augenhöhe bei Respektierung der jeweiligen Zuständigkeit in unserem Dialog mit der Europäischen Zentralbank, und wir brauchen ein geschlossenes Auftreten der Eurozone, wenn wir mit unseren Währungspartnern in der Welt, G7, IMF und jetzt multilaterale Überwachungsinstrumente zur Eindämmung der globalen Ungleichgewichte reden.

Aber zum Europaresultat gehört auch, dass man die Voraussetzung dafür schafft, dass das passieren kann, worauf viele Menschen warten. Viele Menschen erwarten sich von Europa, dass wir als geschlossene Kampfformation im Kampf gegen das internationale Verbrechertum und den Terrorismus auftreten. Es braucht hier mehr, obwohl das sehr wichtig ist, als die Zusammenarbeit der Geheimdienste, und das Zusammenlegen der Polizei und geheimdienstlichen Erkenntnisse und Verfolgungsmethoden. Es braucht auch in einigen Teilbereichen innerer Angelegenheit und der Justiz, dass wir die Möglichkeiten des bestehenden Vertrages nutzen, um zu mehr mehrheitsbasierten Entscheidungen im Rat mit Mitentscheidung des europäischen Parlaments zu kommen.

Dies ist in einem Föderalstaat wie Deutschland ein besonderes schwieriges Thema, aber ich halte es nicht für eine Voraussetzung dafür, dass wir in einigen wesentlichen Zukunftsdomänen die Europäische Union den Menschen wieder wesentlich näher bringen, als dies zurzeit der Fall ist.

Und schließlich gibt es die Verfassungsdebatte, und sich anlehnende Königswege, über die zu reden man natürlich wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen müsste, als ich jetzt noch habe.

Ich glaube, dass hier auf Deutschland eine besonders große Verantwortung zukommt.

Erstens, ich hatte dies einführend gesagt, hat Deutschland die meisten Nachbarn in der Europäischen Union und hat auch ein Gespür dafür entwickelt, anderen zuzuhören, ob große oder kleine, ob nahe oder entfernte Verwandte.

Dieser Wille allen zuzuhören, niemanden von dem deutschen Radarschirm zu verlieren, ist in Deutschland unverkennbar, wenn es um die Vorbereitungen und dann die Durchführung der deutschen Ratspräsidentschaft geht. Ich halte das für eine deutsche Tugend, die andere nicht missen möchten, weil die Deutschen uns die besten Nachbarn geworden sind, die die Deutschen uns je waren. Und insofern wird dies eine logische Fortsetzung auch während des deutschen Vorsitzes finden.

Deutschland hat auch durch vieles was in den vergangenen Jahren geleistet wurde, auch durch die Lebensleistung aller deutscher Kanzler bisher, inklusive der jetzigen, deren Lebensleistung selbstverständlich hier nicht zu bilanzieren ist, dies wäre ja töricht, dazu beigetragen, dass im europäischen Ausland gewusst ist, auf die Deutschen ist in der Europapolitik Verlass. Mit diesem Gewicht deutscher Glaubwürdigkeit muss man wuchern können, um andere in die richtige Richtung sich absetzen zu lassen.

Es wäre gut, wenn in dieser europäischen Verfassungsdebatte unter deutschem Vorsitz, die falschen Optionen eingeschläfert würden. Falsche Option wäre, dass man sagt, alles weg, wir fangen ganz von vorne an, wir verhandeln neu. Ich wünsche viele Freude.

Weil die Luxemburger im Übrigen auch denken, wenn etwas Wichtiges passiert, muss man immer denselben Premierminister haben, wünschte ich mir eigentlich diese Option. Weil wenn neu verhandelt wird dauert das 15 Jahre, und dann bin ich noch 15 Jahre da, weil sie denken, also besser mit dem, als mit einem anderen. Ich wünsche mir das nicht wirklich, ich wünsche auch sonst niemandem das wirklich.

Neuverhandlung geht nicht. Wieder Vorlegen in 2 Ländern die Nein gesagt haben, geht ohne Abänderung auch nicht. Die Vorstellung, dass man die 16 Staaten, die mit Finnland, demnächst den Vertrag ratifiziert haben werden, dazu zwingen könnte aus Gründen, die ihren Ursprung in den beiden Ländern finden, die mit Nein bei ihren Referenden votiert haben, dass man die 16 zwingen könnte noch einmal zu ratifizieren, geht so einfach auch nicht. Und dass man in den beiden Staaten, die per Referendum Ja gesagt haben, Spanien und Luxemburg, jetzt quietschfidel nach ein paar Monaten, sich dem staunenden Volk präsentieren könnte, und sagen: "Also ihr habt Ja gesagt, aber das und das und das müssen wir ändern", und die Menschen denken dann genau deshalb hätten sie Ja gesagt, das wird auch nicht gehen.

Soviel zum Königsweg.

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