Jean Asselborn, "Die Europäische Union in der Welt", Discours à l'université d'été de la Friedrich Ebert Stiftung, Potsdam

Die Europäische Union in der Welt

- seul le discours prononcé fait foi -

Vor 50 Jahren haben sich die europäischen Staaten verpflichtet, Konflikte auf friedlichem Wege beizulegen und in gemeinsamen Institutionen integrativ zusammenzuarbeiten. Im geschundenen Europa der Nachkriegszeit wurde die europäische Einigung als Friedensprojekt ausgerufen. Das Projekt war außergewöhnlich erfolgreich:

Friede, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie herrschen in den EU Mitgliedländern.

Als Zusammenschluss von 27 Staaten mit fast 500 Millionen Einwohnern, die ein Viertel des Bruttosozialprodukts weltweit erwirtschaften und über die Hälfte der Entwicklungshilfe weltweit leisten, ist die Europäische Union zwangsläufig ein globaler Akteur. Wohin man reist und zuhört, überall sind große Erwartungen an Europa zu verspüren.

Erwartungen bei den Beitrittsländern, Erwartungen bei den Ländern denen wir eine europäische Perspektive eröffnet haben, Erwartungen aber auch in unserer direkten Nachbarschaft, Erwartungen in der Welt.

Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und der Türkei haben am 3.10.2005 begonnen und die notwendigen Anpassungen an europäische Normen und Standards haben unter anderem in der Türkei zu einer beeindruckenden Transformation geführt. Die Türkei ist dabei, sich grundlegend positiv zu ändern. Das wird leider nicht überall anerkannt. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass wir hier eine historische Chance haben, die wir nicht verpassen dürfen.

Europa braucht eine zu uns hingerichtete Türkei, eine Türkei die sich kulturell nicht assimilieren sollte, an europäische Standards, aber die als Land der islamischen Welt die Grundwerte in Menschenrechtsfragen mit den unsrigen auf dieselbe Stufe stellt. Die Türkei braucht eine offene, eine politisch erreichbare EU. Eine europäische Türkei ist im Interesse beider Seiten, und darüber hinaus im Interesse der konkreten Allianz der Zivilisationen.

Im Balkan hat die EU dank Ihrer Stabilisierungspolitik einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Beruhigung der Lage geleistet. Die europäische Perspektive ist ein wichtiger Motor für dringend notwendige Reformen. Wir dürfen uns diesen Ländern nicht verstellen, sondern wir sollten unser Versprechen einlösen und Sie aufnehmen, wenn alle Vorbedingungen erfüllt sind. Das ist, aus meiner Sicht, vor allem eine Frage der Glaubwürdigkeit des Friedensprojekts EU schlechthin.

Das Anerkennen einer europäischen Perspektive kann aber nicht überall die Antwort sein: eine verstärkte Europäische Nachbarschaftspolitik, sowie unter deutschem Vorsitz befürwortet, die darauf abzielt, einen auf Menschenrechten, Demokratie und Rechtstaatlichkeit aufbauenden Raum rund um die EU zu festigen und den Reformprozess in den Partnerländern in der Nachbarschaft der Union zu unterstützen, scheint mir daher der absolut richtige Ansatz.

Aber auch über Europa hinaus stellt man mehr und mehr Erwartungen an die Europäische Union. Man erwartet, dass Europa bereit ist, Verantwortung für die globale Sicherheit und eine bessere Welt mit zu tragen. Um dieser Anforderung gerecht zu werden bedarf es eines breiten, alle Instrumente des Krisenmanagements umfassenden Ansatzes; das Miteinander von Konfliktlösung und Friedenssicherung einerseits und Unterstützung beim Wiederaufbau andererseits. Mit exklusiven militärischen Mitteln sind die anstehenden Aufgaben nicht zu lösen.

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) und die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) sind Mittel, mit denen wir den Hauptbedrohungen da begegnen können, wo sie entstehen - sei es Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, das Scheitern von Staaten oder das organisierte Verbrechen. Diese Politiken und Ihre Instrumente werden (und müssen) ständig weiter ausgebaut. Das gibt der EU die unabdingbaren Mittel, glaubwürdig auf der Weltbühne handeln zu können, sei es in zivilen oder in militärischen Aufgaben.

Heute - vier Jahre nach der ersten von 16 erfolgreichen Missionen - sind ESVP Operationen nicht mehr wegzudenken. Allein im letzten Jahr gab es zehn ESVP-Operationen der Europäischen Union. Dabei haben etwa 10 000 Europäer in zivilen und militärischen Einsätzen auf drei Kontinenten dazu beigetragen, Krisen zu bewältigen, Frieden zu sichern und Konflikte zu verhüten.

Europäer haben bei der Sicherung des Grenzübergangs Rafah im Gazastreifen geholfen, und sind bereit, ihre Mission wieder aufzunehmen. Sie bilden irakisches Justizpersonal aus und unterstützen die bosnische und die kongolesische Polizei. In Bosnien und Herzegowina schafft die Europäische Union durch ihre bisher größte militärische Operation Sicherheit für die Menschen im westlichen Balkan. Und es waren EU-Soldaten, die im letzten Jahr in der Demokratischen Republik Kongo einen entscheidenden Beitrag zum friedlichen Verlauf der ersten demokratischen Wahlen seit 40 Jahren geleistet haben.

Europas Engagement wird immer stärker wahrgenommen und, wie schon gesagt, auch gewünscht. Bei der Beobachtungsmission in Aceh/Indonesien, bei der europäische Berater die Umsetzung des Friedensabkommens unterstützten, oder bei der Grenzmission in Rafah war die EU der einzige internationale Akteur, den die Konfliktparteien als neutrale "dritte Partei" akzeptierten. Niemand sonst als die Europäische Union hätte in der konkreten Situation diese Verantwortung übernehmen können.

Ein rezentes Beispiel, in welchem die europäische Union effizient und schnell Hilfe geleistet hat, war im Nahen Osten, einer Region mit vitaler Bedeutung für die globale Sicherheit und Stabilität. Als Antwort auf einen dringenden Aufruf des Generalsekretärs der Vereinten Nationen haben EU-Mitgliedstaaten der UNO-Mission im Libanon vor genau einem Jahr 7000 Soldaten, sowie Unterstützung durch See und Luft, zur Verfügung gestellt. Laut damaligem UNO Generalsekretär Kofi Annan, war "das Rückgrat der verstärkten UNIFIL europäisch".

Die EU-Politik bei der Krisenbewältigung hat Vorbildcharakter - durch die Verbindung von militärischen und zivilen Mitteln, durch das Miteinander von Konfliktlösung und Friedenssicherung einerseits und Unterstützung beim Wiederaufbau andererseits. Zivile und militärische Mittel müssen gleichberechtigt entwickelt werden. Der systematische Ausbau der zivilen Fähigkeiten bleibt für uns wichtig, da wir Konflikte zuallererst durch Dialog und zivile Mittel zu lösen versuchen, und nur dort, wo unbedingt nötig, auf militärische Mittel zurückgreifen. Wir müssen sicherstellen, dass unser Instrumentarium, unsere Fähigkeiten und unsere Konzepte mit den rasch ändernden Aufgaben Schritt halten.

In gescheiterten Staaten können militärische Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung und humanitäre Mittel zur Bewältigung der Notsituation erforderlich sein. Regionale Konflikte bedürfen politischer Lösungen, in der Zeit nach Beilegung des Konfliktes können aber auch militärische Mittel und eine wirksame Polizeiarbeit vonnöten sein. Wirtschaftliche Instrumente dienen dem Wiederaufbau, und ziviles Krisenmanagement trägt zum Wiederaufbau einer zivilen Regierung bei. Die Europäische Union ist besonders gut gerüstet, um auf solche komplexe Situationen zu reagieren.

Beispiel Kosovo: Die Lösung der Kosovo-Statusfrage ist entscheidend für die Sicherheit und Stabilität auf dem Westlichen Balkan, dessen sind wir uns nur zu bewusst. Die EU hat daher von Anfang an den Statusprozess aufs Engste begleitet und Präsident Ahtisaari in seiner schwierigen Mission unterstützt. Der Vorschlag Ahtisaaris ist nicht "vom Himmel gefallen". Er ist die logische Synthese der Argumentationen und Positionen in der Kontaktgruppe. Sein Vorschlag liefert die Grundlage für eine Statuslösung durch eine neue Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Für deren Zustandekommen setzt sich die EU intensiv ein. Die EU wird auch entscheidend zur Umsetzung des zukünftigen Status des Kosovo beizutragen haben – mit Personal, sowie mit finanzieller und wirtschaftlicher Hilfe. Die EU hat ihre Bereitschaft dazu erklärt und steht vor der größten und anspruchsvollsten zivilen Mission, die im Rahmen der ESVP bisher mobilisiert wurde.

Die deutsche Präsidentschaft, speziell der Außenminister, hat viel Energie, viel Engagement investiert um die Positionen der 27 EU-Staaten auf einem und demselben Gleis zu verankern. Die EU-Position ist klar: wir wollen weder eine unilaterale Unabhängigkeitserklärung, noch ein unilaterales Veto eines P5 Landes. Der Status quo kann auch keine Option sein. Darum sind diese Tage so wichtig in New York im Sicherheitsrat, um alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen um eine Lösung im Rahmen der UNO zu finden. Russland kann nicht in einem Neinsager-Status quo verweilen. Die USA haben Verantwortung zu übernehmen und die Kosovo-Albaner anzuspornen, nicht aus dem UNO-Mechanismus auszuscheren.

"Donner du temps au temps" war der Lieblingsspruch François Mitterands. Weil "zu früh" oder "zu spät", meistens nicht definierbar sind, bleibt nur eins: der Dialog; weitere Verhandlungen in den kommende Wochen zwischen Belgrad und Pristina in New York auf Basis der Ahtisaari Vorschläge. Geschieht dies nicht, riskiert viel Konfliktpotential auf dem Balkan aufzukommen, mit im Hintergrund einer weiteren großen Wunde im Vertrauensverhältnis der Russen und Amerikaner, und einer EU, die dann kaum noch in der Lage ist, an einem gemeinsamen Seil zu ziehen. Diejenigen, die solches im Schilde führen sollten, spielen mit der Stabilität im Balkan. Dies wäre eine schwere Niederlage für den Multilateralismus, eine Einladung zum Unilateralismus folglich.

Serbien muss ein Teil der Lösung sein. Wenn Serbien nicht stabilisiert ist, bleibt der gesamte Balkan instabil. Auch hier muss die Lösung eine europäische sein. Die EU hat die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien wieder aufgenommen. Die Tür zu Europa ist also für Serbien offen. Sind die Bedingungen erfüllt – und ich brauche hier nicht die Wichtigkeit einer Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal zu unterstreichen – wird auch Serbien sich weiter der Union annähern können.

Beispiel Afghanistan: Ich bin mir der Afghanistan-Debatte in Deutschland wohl bewusst. Vor einigen Wochen war ich selbst in Afghanistan, um mir ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Der Satz "Unsere Sicherheit beginnt am Hindukush" ist sicher keine hohle Phrase. Wenn wir in Afghanistan scheitern, wird das weitläufig zu spüren sein: nicht nur in der direkten Nachbarschaft Afghanistans sondern auch mitten in Europa. Schlagwörter: Drogen, Terrorismus, regionale Instabilität. Wir haben keine Alternative zur Unterstützung Afghanistans. Die Lösung darf jedoch nicht nur militärisch sein: wir müssen global, integriert vorgehen. Die ganze internationale Gemeinschaft muss sich aktiv an der Lösung beteiligen. Die NATO ist ein Teil der Antwort. Die Vereinten Nationen spielen weiterhin eine vitale Rolle. Sie sind und bleiben führend. Aber es ist auch wichtig, dass die EU als solche, nicht nur als einzelne Mitgliedsstaaten, Ihren Beitrag zum globalen Lösungsansatz leistet und seit Mitte Juni mit einer Polizeimission vor Ort ist. Das internationale Engagement ist kritisch. Auch hier gilt: Ohne Entwicklung keine Sicherheit, genauso wie es ohne Sicherheit keine Entwicklung geben kann.

Die internationale Gesellschaft muss von der afghanischen Regierung verlangen können:

1. mit Pakistan auf eine neue, höhere Ebene der Kooperation vorzustoßen
2. den Menschen in Afghanistan zu sagen, dass Soldaten und Zivilisten, wie NGO Mitarbeiter, im Lande sind, um der Rechtstaatlichkeit, der Sicherheit und der Gerechtigkeit in ihrer Gesellschaft eine Chance zu geben, und nicht das Gegenteil.

Beispiel Naher Osten: Dort flankieren die zivilen EU-Missionen - am Grenzübergang Rafah und beim Aufbau der palästinensischen Polizei - unser politisches Engagement zur Wiederbelebung des Quartetts und zur Unterstützung von Palästinenserpräsident Abbas. Im Nahostkonflikt ist es der EU gelungen, dank der deutschen EU-Präsidentschaft an erster Stelle, durch die Wiederbelebung des Nahost-Quartetts, eine neue Dynamik internationaler Zusammenarbeit zu schaffen. Die EU hat sich darüber hinaus besonders für eine stärkere Einbindung arabischer Staaten in die internationalen Friedensbemühungen engagiert und in diesem Zusammenhang erstmals die Arabische Liga und die israelische Außenministerin zum Allgemeinen Rat zu Gesprächen über die Friedensinitiative der Arabischen Liga eingeladen. Die Lage in der Region ist jedoch leider immer noch dramatisch. Gaza ist abgesplittert. Die EU muss die humanitäre Hilfe im Gaza-Streifen fortsetzen. Wir können nicht 1,4 Millionen Menschen ihrem Schicksal überlassen. Israel muss unbedingt mehr Grenzgänge öffnen. Zwei Übergänge wie derzeit sind einfach nicht genug. Wir müssen wieterhin Präsident Abbas aktiv unterstützen. Mit dem UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon muss laut und klar gesagt werden, dass ein totaler wirtschaftlicher und sozialer Kolapps in Gaza droht, d.h. die Perspektivlosigkeit wird Hass, Terror und Fanatismus provozieren.

Die Sicherheit Israels, das hat der Libanonkrieg 2006 gezeigt, ist mit militärischer Macht in Zukunft nicht zu gewährleisten. Israel braucht Friedensverhandlungen. Sein Überleben ist Funktion eines globalen Friedensplans im Nahen Osten.

Der Stop neuer israelischer Siedlungen in der West-Bank, der Stop des Mauerbaus vor allem in Jerusalem, die Überweisung aller gesperrten palästinensischen Zoll- und Mehrwertsteuergelder, die heute mehr als 600 Mio Euro betragen, die Freilassung der mehr als 9000 Palästinenser, sind Elemente die es erlauben würden, die Friedengespräche wieder aufzunehmen.

Nach dem Wahlsieg der Hamas 2006 hat die EU alles unternommen um die palästinensische Bevölkerung weiterhin zu unterstützen. Im Jahre 2006 hat die EU mehr Hilfsgelder für die besetzten Gebiete zur Verfügung gestellt als das Jahr zuvor. Das wissen leider viel zu wenige. Wir hatten auch sehr große Erwartungen an die Regierung der Nationalen Einheit, die nach dem Gipfel von Mekka zustande kam. Die EU war bereit, mit dieser Regierung zusammenzuarbeiten, falls drei Bedingungen erfüllt sind: Anerkennung des Existenzrechts Israels, Verzicht auf Gewalt und Anerkennung der bereits beschlossen Abkommen. Unter diesen Bedingungen wären auch Kontakte zu gemäßigten Ministern der Hamas möglich geworden. Mann kann sich fragen, ob die Politik der EU gegenüber der Hamas die richtige war, ob wir nicht mehr hätten tun können. Nun, wir hoffen alle, dass das heutige Olmert-Abbas Gespräch die dringend nötigen Impulse einleiten wird.

Balkan, Afrika, Naher Osten, Asien: Die aktuelle Bandbreite des EU-Engagements bei der Krisenbewältigung beweist, wie weit wir in kurzer Zeit gekommen sind. Die Geburt der ESVP wurde jedoch diesseits und jenseits des Atlantiks auch mit Skepsis begleitet. Man befürchtete eine Konkurrenz zur NATO und eine Duplizierung der Aufgaben. Dabei läuft die konkrete Zusammenarbeit bei einzelnen Operationen gut, sei es in Bosnien und Herzegowina, bei der Unterstützung der Afrikanischen Union für Sudan/Darfur oder im Kosovo, wo EU und NATO im Hinblick auf die geplante ESVP-Mission eng zusammenarbeiten.

Die Europäische Sicherheitsstrategie sagt zu Recht "In gemeinsamem Handeln können die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika eine mächtige Kraft zum Wohl der Welt sein".

Für die EU sind die USA nach wie vor der Partner, mit dem wir die wichtigsten und vielfältigsten Beziehungen haben. Das transatlantische Verhältnis steht auf einer Basis, die auf gemeinsamen historischen Erfahrungen, sehr ähnlichen Interessen und vor allem auf gemeinsamen Werten gründet. Nun gab und gibt es hinsichtlich der Prioritäten, aber auch der Instrumente und Methoden, unterschiedliche Auffassungen zwischen der EU und den USA.

Ich bin mit vielen Entscheidungen der jetzigen Regierungspolitik der Vereinigten Staaten nicht einverstanden: das Gefangenenlager Guantánamo, das vorgeschlagene Raketenschild, der geheime Transfer von Gefangenen in Länder, die es mit Menschenrechten nicht so ernst nehmen, usw. Wenn es um Werte geht, darf es nicht eine amerikanische und eine europäische Schiene geben. Menschenrechte sind universal, unteilbar und generell.

Eine enge Partnerschaft zwischen der EU und den USA ist für beide Seiten unverzichtbar. Es gibt kaum eine Krise – von Afghanistan über Iran bis zum Kosovo – wo die transatlantischen Partner nicht gemeinsam um Lösungsansätze bemüht sind. Im Nahostkonflikt haben wir durch die Wiederbelebung des Quartetts die Tür zu einer Lösung zumindest wieder ein kleines Stück weit aufgemacht. Gegenüber dem Iran und seinem Nuklearprogramm ist es uns gelungen, die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft zu wahren. Bei der zivil-militärischen Stabilisierung Afghanistans arbeiten wir eng mit der NATO und den USA zusammen. Das gleiche gilt für die geplante ESVP-Mission im Kosovo.

Dies ist nur ein Bruchteil der internationalen Fragen, die eine enge transatlantische Abstimmung fordern.

Die EU hat mehr Einwohner als die USA und Russland zusammen. Sie darf und braucht nicht ein Spielball zwischen beiden letzten zu sein. Die EU auf gleicher Augenhöhe anzusiedeln, politisch, kulturell, wirtschaftlich und strategisch, ist eine Aufgabe, die eine multipolare Welt uns abverlangt. Die EU muss sich selbst als politische Entität sehen, die mächtig ist, klare einheitliche Positionen zu beziehen, und sich die Mittel für dessen Umsetzung selbst in die Hand geben.

Meine Damen und Herren,

In seinem Bericht an die General-Versammlung der Vereinten Nationen, im März 2005, stellte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan fest "dass wir ohne Entwicklung keine Sicherheit genießen können, dass wir ohne Sicherheit nicht in den Genuss der Entwicklung kommen und dass wir beides nicht genießen können, wenn nicht die Menschenrechte geachtet werden".

Ich teile die Ansicht, dass wir ein integriertes Konzept der kollektiven Sicherheit brauchen. Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte greifen ineinander und stärken sich gegenseitig. Die Europäische Union setzt diese Erkenntnis aktiv in ihrer Politik um.

Ich habe in den letzten Minuten versucht, zu illustrieren wie die Europäische Union durch politisches, ziviles und militärisches Krisenmanagement zu Frieden und Sicherheit in der Welt beiträgt.

Im Bereich Entwicklungshilfe will ich mich auf ein paar Fakten beschränken, die eigentlich für sich selbst sprechen: die Europäische Union und Ihre Mitgliedstaaten repräsentieren kollektiv 55% der offiziellen, weltweiten Entwicklungshilfe. Es war auch die EU, die, nebenbei bemerkt unter Luxemburger Vorsitz, in Vorbereitung auf den UN-Gipfel 2005 und der 5-Jahres-Bilanz der Millenniumentwicklungsziele, ihre Entschlossenheit bestätigt hat, das international festgelegte Ziel von 0,7% des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe 2015 kollektiv zu erreichen. Im Jahre 2010 sollten wir bei 0,56% liegen. Bis 2015 bedeutet dies 20 Milliarden Euro Entwicklungshilfe zusätzlich pro Jahr. Ein beachtlicher Fortschritt also, aber auch hier darf man die Relativität, ja die Maβstäbe nicht verdrängen.

Die EU ist außerdem der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner für Entwicklungsländer und bietet besonders bedürftigen Ländern – den Least Developed Countries – spezifische Handelsvorzüge an.

Unsere Verantwortung, globale Armut zu bekämpfen beruht jedoch nicht nur ausschließlich auf moralischer Verbundenheit. Wir müssen auch erkennen, dass unsere Hilfe dazu beiträgt, eine stabilere, friedlichere, wohlhabendere und gerechtere Welt zu schaffen. Eine Welt, die als Ort der Gerechtigkeit und der Chancen für alle wahrgenommen wird, ist sicherer für die Europäische Union und ihre Bürger.

Aber trotz der beachtlichen Erfolge – Grund zur Selbstzufriedenheit haben wir nicht. So lange noch 1200 Kinder stündlich an Hunger sterben und so lange eine Milliarde Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag überleben müssen, so lange haben wir noch keinen Anlass, uns auf den Lorbeeren des größten Hilfegebers der Welt auszuruhen. Ganz im Gegenteil, wir müssen unsere Anstrengungen noch weiter verstärken.

Meine Damen und Herren,

In einer Welt von globalen Bedrohungen hängen unsere Sicherheit und unser Wohlstand immer mehr von einem wirksamen multilateralen System ab.

Die Aktion der EU auf der globalen Bühne ist als Beitrag zu einer stärkeren Weltgemeinschaft, gut funktionierender internationaler Institutionen und einer völkerrechtlichen Weltordnung zu verstehen.

Auf dem Weg zu einer kohärenten Außenpolitik und einer wirksamen Krisenbewältigung haben wir bereits große Fortschritte erreicht. Die Europäische Union verfügt inzwischen über Instrumente, die wirksam eingesetzt werden können.

Die Europäische Union hat ihr volles Potential jedoch noch nicht erreicht. Um unser Potential voll auszuschöpfen und einen entsprechenden Beitrag zu leisten, müssen wir unsere Kapazitäten und Instrumente bündeln. Dies gilt für die gesamte Palette der uns zur Verfügung stehenden Instrumente der Krisenbewältigung und Konfliktverhütung, einschließlich unserer Mittel im politischen, diplomatischen, militärischen und zivilen, handels- und entwicklungspolitischen Bereich.

Europa ist in der Tat nicht nur ein Projekt für Europa, sondern ein Projekt, das wir exportieren müssen und von dem andere auch profitieren sollten.

Meine Damen und Herren,

Mit der Berliner Erklärung und der Einigung auf eine Vertragsreform ist die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union langfristig gesichert. Beim europäischen Rat im Juni haben wir uns auf ein Mandat für die nun einzuberufende Regierungskonferenz verständigt. Das Mandat ist präzise und erlaubt einen zügigen Abschluss noch unter portugiesischer Präsidentschaft. Damit könnten die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 bereits auf einer neuen vertraglichen Grundlage durchgeführt werden.

Es ist extrem wichtig, dass wir unsere internen Meinungsverschiedenheiten überwinden und kohärent auftreten können. Wenn wir es fertig bringen, unsere verschiedenen Programme und Politiken zu bündeln, wird Europa als starker Partner mit seinem breiten Instrumentarium unumgänglich sein. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch die finanziellen Mittel unserer Ambitionen geben. Die aktuellen Budgets der GASP und der ESVP sind geradezu lächerlich. Falls Europa wirklich ein globaler Akteur sein will, müssen wir uns auch die finanziellen Ressourcen geben, die einer solchen Rolle angemessen sind.

Die Substanz der Verfassung konnte gerettet werden. Der Außenminister hat zwar seinen Titel ändern müssen, aber seine Kompetenzen sind die gleichen geblieben. Die Außenpolitik der EU wird durch die Einführung des Amtes eines "Hohen Vertreters der Union für Außen-und Sicherheitspolitik" sowie durch den Europäischen Auswärtigen Dienst wesentlich gestärkt. Der Hohe Vertreter wird mehrere Funktionen in sich vereinen: Er wird Vize-Präsident der Kommission für Außenbeziehungen und gleichzeitig den Vorsitz im Rat für Außenbeziehungen führen. Unterstützt wird er durch einen Europäischen Auswärtigen Dienst.

Eine kohärente Außenpolitik und das Sprechen mit einer Stimme werden jeden Tag wichtiger für ein Europa, das sich in der Welt behaupten will.

Meine Damen und Herren,

Wir leben in einer Welt von komplexen Herausforderungen und neuer Chancen. Die Europäische Union besitzt das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen wie auch zur Nutzung der Chancen zu leisten. Eine aktive und handlungsfähige Union kann Einfluss im Weltmaßstab ausüben. Mit der Einigung auf eine Vertragsreform sind wir diesem Ziel einen Riesenschritt näher gekommen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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