Jean-Claude Juncker: Discours à l'occasion de l'ouverture de l'année boursière de la Deutsche Börse AG, Francfort

Sehr verehrter Herr Gems,
Sehr verehrter Herr Francioni,
Herr Minister,
Frau Oberbürgermeisterin,
Herr Staatssekretär,

Ich bin so wie die Banker, und wie Sie alle, ich verstehe etwas von dem was vorgeht, und Sie nicht viel mehr.

Ich bin froh, heute Abend hier zu sein. Das sagt man zwar immer, meistens stimmt das auch nicht, heute stimmt es zum grössten Teil. Und ich bin froh hier zu sein, weil ich für die Stadt Frankfurt, nicht nur wegen der Intelligenz und des Charmes der Oberbürgermeisterin, sondern auch wegen der Bedeutung dieser Stadt für die europäische Finanzwirtschaft, grösste Bewunderung habe. Und auch, weil ich mit vielen die hier sind, und mit vielen die den Finanzplatz Deutschland auf Kurs gebracht haben, freundschaftliche Beziehungen pflege.

Deshalb bin ich sehr froh, dass Rolf Breuer hier ist. Ich bin froh, dass mein Freund Wiermetz hier ist, und ich möchte Ihnen hier sagen, dass beide, egal was in den Zeitungen steht, sich um diesen Platz, und um dieses Land, und um Europa sehr verdient gemacht haben.

Und deshalb, aus all diesen Gründen, und aus einigen anderen mehr, bin ich froh heute Abend hier zu sein.

Von Voltaire heisst es, dem französischen Schriftsteller und Philosophen, er hätte gesagt – aber von Philosophen und Schriftstellern wird so vieles behauptet was sich nicht hundertprozentig beweisen lässt – er hätte gesagt, dass Zweifel keine angenehme Voraussetzung wären, Gewissheit jedoch eine absurde Voraussetzung wäre.

Insofern fangen wir das Jahr 2009 in der relativen, aber sehr wahrscheinlichen Gewissheit an, dass es ein wesentlich schwierigeres Jahr werden wird, als das Jahr 2008.

Aber die Vorstellung, dass irgend jemand, ob Banker, ob Politiker, ob Zentralbanker, ob Wirtschafts- oder Finanzexperte, genau sagen könnte, wie sich die Krise, in der wir uns befinden, in den nächsten Wochen, Monaten und darüber hinaus entwickeln würde, ist absurd. Und deshalb bleibt uns wahrscheinlich am Anfang dieses Jahres 2009, für dessen gutes Gelingen ich Ihnen alles erdenkbar Gute wünschen möchte, wohl nur der Zweifel.

Wenn ich Reden vorbereite, was ich nur sehr bedingt tue, lese ich im Flugzeug zu dem Ort, wo die Rede stattfinden soll meistens die Reden derer, die in den Vorjahren geredet haben. Ich hatte die Kanzlerin eben im Wagen am Telefon, die hat mir nichts über ihre Rede aus dem Jahre 2004 erzählt, sondern nur was ich hier zu erzählen hätte, ich komme dem Auftrag in Massen auch nach, aber ich habe die Rede meines Freundes Peer Steinbrück aus dem vergangenen Jahr, im Flugzeug gelesen.

Und ich befinde mich mit vielem, was er letztes Jahr hier im Januar ausgeführt hat in Harmonie, weil er den Mangel an Transparenz im internationalen Finanzwesen bemängelt hat. Er hat die Exzesse sehr kritisiert, die es damals auch schon zu beobachten gab. Er hat Übertreibung und Masslosigkeit verdammt, hat die falschen Anreize, die es in der Branche, muss man sagen, gab oder gibt intensivst kritisiert, hat sich über ungenügende Aufsichtsregelungen aufgeregt, hat sich darüber gewundert, wie viel Vertrauen man eigentlich in die unsichtbare Hand des Marktes hätte, und ähnliches.

Und er hat gesagt, letztes Jahr im Januar, dass es wohl rezessive Tendenzen in den USA gäbe, aber dass wir in Europa und in Deutschland davon weit entfernt wären, und unsere Realwirtschaft davon nichts spüren würde. Und, sagt Peer Steinbrück, es gäbe keinen Anlass zu glauben, dass es im Jahre 2009 zu konjunktureller, ich zitiere, "Umkehrung" kommen könnte.

Es erfüllt mich mit massiver professioneller Schadenfreude, dass er sich fundamental geirrt hat.

Aber ich muss zugeben, ich habe um dieselbe Zeit an anderer Stelle und an anderen Orten genau dasselbe gesagt. Insofern haben wir alle, das müssen wir bescheiden zugeben, den Ernst der Lage zu spät erkannt, und wir wurden von der Schnelligkeit der Finanzkrise, und dem schnellen Überschwappen derselben auf die europäische und deutsche Realökonomie doch überrumpelt und überrascht.

Als die Subprime-Krise in den USA begann, war ich nicht überrascht, weil ich hatte so oft im Namen der Eurogruppe, deren Obermufti ich ja bin, dem amerikanischen Kollegen Paulson gesagt, dass es genau so käme. Und er hat mir immer gesagt, weil ein, wie ich immer noch hoffe, sichtbarer Altersunterschied uns voneinander trennt: "My young friend, the markets will do it." They have done it.

Dann wurde mir erklärt, von denen, denen ich zuhöre, also vielen von Ihnen, diese Subprime-Krise würde sich nicht auf die anderen Segmente der amerikanischen Finanzwirtschaft ausweiten. Als sie dies getan hatte wurde mir erklärt, die Infizierung vieler Segmente der amerikanischen Finanzwirtschaft bedeutete nicht, dass sich diese Krise, dieser globale Rückgang, auf die amerikanische Realwirtschaft ausweiten würde. Dann hab ich geglaubt, als sie das getan hatte, es wäre nicht möglich, weil wir ja von der Deconnection zwischen US und europäischer Ökonomie träumten, es könne nicht sein, dass sich diese realwirtschaftliche Infizierung in den USA auf Europa und andere Teile der Welt übertragen würde. Und trotzdem ist all dies gekommen.

Weil Peer Steinbrück ähnlich leichtgläubig ist wie ich, hat er selbstverständlich daraus geschlossen, dass dem nicht so sein könne, weil ja alle sagten, es könne nicht so sein, und deshalb habe ich auch gedacht, es könne nicht so kommen, wie man eigentlich insgeheim im unprofessionellen Bereich des eigenen Denkens dachte, dass es kommen könnte.

Jetzt sind wir in genau der Lage angekommen, weil, entgegen des von Peer Steinbrück apodiktisch formulierten Wunsches an das Jahr 2009, doch zu dieser konjunkturellen "Umkehrung" im Jahre 2008 und 2009 kamen.

Im Jahre 2008 entwickelte sich der nationale Reichtum der Deutschen um 1,3%, - wesentlich höhere Voraussagen hatten die Anfangswünsche des Januars 2008 begleitet. Das war erstaunlich nach einer wirtschaftlichen Entwicklung im Jahre 2007 von 2,5% in der Bundesrepublik, und nach einer 3%igen Entwicklung im Jahre 2006, und nach einer 2,1%igen Entwicklung in den Jahren 1997 bis 2001.

Wir müssen davon ausgehen, dass es eine Konjunkturentwicklung im Euroraum im Jahre 2009 geben wird, die sich mit -1,9% niederschlagen wird, und dass es zu einem Rückgang der Wirtschaftskraft in Deutschland von 2,3% kommen wird. 2,3% wirtschaftlicher Rückgang in der Bundesrepublik ist gleichbedeutend mit 5,5 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen in der Bundeskasse.

Neben diesen wirtschaftlichen Aussichten, die nicht euphorisierend auf uns wirken können, ist ansonsten, und dies halte ich für einen mindestens so gewichtigen Vorgang wie die haushaltspolitischen Entwicklungen, die konjunkturpolitischen Entwicklungen des Jahres 2009, die Lage auf den europäischen Arbeitsmärkten anzumerken. Wir hatten Anfang 2008, eigentlich nach 10 Jahren Eurogeschichte, es erleben dürfen, dass wir die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 30 Jahren in Europa, und vornehmlich in der Eurozone, notieren konnten, mit 7,1% durchschnittlicher Arbeitslosigkeit.

Diese relativ guten, wenn auch noch nicht befriedigenden Zahlen von den Arbeitsmärkten werden sich relativ dramatisch in den Jahren 2009 und 2010 verschlechtern. Die Europäische Kommission guten Grund hat davon auszugehen, dass sich die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im Jahre 2009 auf 9,3% belaufen wird, und im Jahre 2010, als Konsequenz der sich bis dahin austobenden Wachstumskrise, auf 10,2% steigern wird.

In Deutschland wird diese Bewegung weniger ausgeprägt sein als in anderen Euro-Mitgliedstaaten, auch durch die Wettbewerbsfähigkeit, und auch weil sich die Reformen am deutschen Arbeitsmarkt positiv werden niederschlagen können.

Immerhin bleibt die Tatsache, dass wir in den Jahren 2009 und 2010 mit bedeutend höheren Arbeitslosenzahlen im Euroraum und auch in der Bundesrepublik werden leben müssen. Für 2010 wird uns jetzt vorausgesagt, von der Europäischen Kommission und von anderen Experten, dass eine Trendwende ins Haus stünde, in der Gestalt, dass sich, ich zitiere den Präsidenten der Bundesbank, Herrn Weber, von heute, "gegen Ende dieses Jahres eine Aufhellung ergeben wird, und gegen Mitte des nächsten Jahres, 2010, eine deutlich spürbare Konjunkturverbesserung einstellen würde."

Für den Euroraum ist damit zu rechnen, dass wir ein Wirtschaftswachstum im Jahre 2010 von 0,4% haben werden. Für die Bundesrepublik hiesse dies ein Wirtschaftswachstum von 0,7%. Für beide wird dies bedeuten, dass wir sehr deutlich unter dem Wachstumspontenzial, sowohl der Eurozone als auch der Bundesrepublik bleiben werden.

Nun wird sich diese Trendwende, die jetzt prognostiziert wird, nicht von alleine einstellen können. Die Krise die wir durchschreiten unterscheidet sich wesentlich von dem, was wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Der Abschwung, den wir erleben, wurde herbeigeführt durch eine Finanzkrise die ihren Ursprung in den USA genommen hat, die aber deutliche Auswirkungen auf das globale Wirtschaftssystem hat.

Die Trendwende die es braucht, die wir herbeiführen müssen, die kommt nicht in Form von Deus ex machina, sondern die wird durch gezieltes Tun, durch gezielte Aktionen, durch gezieltes Agieren und durch gut überlegte Interventionen der öffentlichen und der privaten Hände herbeizuführen sein. Dies heisst, dass sich alle Akteure ihrer gesamt-ökonomischen Pflichten bewusst sein müssen, und dass sie dementsprechend werden handeln müssen.

Die Europäische Union, und vornehmlich die Staaten der Eurozone, haben sich im Dezember 2008, nach vielen Vorbereitungen, im Grundsatz darauf verständigt, dass wir Konjunkturpakete in Europa, und vornehmlich in der Eurozone, auf den Weg bringen müssen um die Krise zu stoppen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich dazu verpflichtet insgesamt Massnahmen in Höhe von 200 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen, dies entspricht in etwa 1,5% des Bruttoinlandeinkommens der Europäischen Union, um so über die Aufstellung derartiger Konjunkturpakete die Konjunkturentwicklung positiv zu beeinflussen.

Ich war, bin eigentlich auch jetzt noch kein grosser Anhänger von Konjunkturprogrammen. Mir ist die Ausweglosigkei,t die öffentlichen Finanzen betreffend, in Erinnerung geblieben, in die uns die Konjunkturprogramme der 70er Jahre auch, und vor allem hier in der Bundesrepublik, geführt haben. Insofern habe ich mich sehr zögerlich auf dieses Konzept der Konjunkturprogramme zubewegt, die ich Konjunkturpakete nenne, weil ich ja nicht zugeben möchte, dass ich inzwischen auch ein Anhänger von Konjunkturprogrammen wäre. Aber die Regierungen haben ihre Verantwortung übernehmen müssen, obwohl sie wissen, dass sie Probleme diesen Ausmasses nicht alleine werden meistern können.

Nun ist ja die Begeisterung im breiten Publikum, wenn auch nicht in dem publizierten Teil der öffentlichen Meinung, spürbar gross, dass die Regierungen jetzt ihre Verantwortung übernommen haben, und ich bin der Meinung, dass es auch keine andere Wahl gab.

Trotzdem möchte ich hier anfügen, dass wir sehr genau darauf achten müssen zu welchen Folgerungen die Anwendung dieser Konjunkturprogramme uns führen werden. Mein Wunsch wäre, dass diese Konjunkturprogramme die angestrebten Ziele erreichen. Ich bin auch der Meinung, dass das von der Bundesregierung aufgelegte Konjunkturprogramm vom Volumen her, und auch von seinen Komponenten her, durchaus dem entspricht, was wir in der Eurozone von Deutschland erwarten konnten, und erwarten dürfen.

Die Mähr, dass die Bundesregierung hier nicht in Europa das abgeliefert hätte, was Europa von der Bundesrepublik und von der Bundesregierung erwartet hätte, muss hier in Abrede gestellt werden. Das was die Bundesrepublik hier an öffentlichem Geld an die Hand nimmt, ist durchaus beachtenswert, und zeigt auch, dass durch die Haushaltskonsolidierung die in den letzten drei Jahren herbeigeführt wurde, Haushaltsmargen in der Bundesrepublik, in den Bundeshaushalten, und auch teilweise in den Ländern und Kommunalhaushalten entstanden, die konsequent genutzt werden können, weil es sie eben gibt, diese Haushaltsmargen, um antizyklische Haushalts- und Finanzpolitik zur Anwendung bringen zu können.

Es gibt andere Staaten der Eurozone, die sich auf Grund unterlassener tugendhafter Arbeit in den letzten Jahren, diese Anstrengungen in derselben Höhe, im selben Volumen, und mit derselben Substanzfestigkeit nicht leisten können. Insofern kam es sehr wesentlich darauf an, dass die Bundesrepublik Deutschland hier als Schrittmacher tätig wurde, und zum Trendsetter europäischer, antizyklischer, durch Haushaltsmargen erlaubter, und insofern mittelfristig tugendhafter antizyklischer Konjunkturpolitik werden konnte.

Trotzdem bleibt, dass wir unsere Schuldenstände nach oben bewegen werden. Trotzdem bleibt, dass die Haushaltsdefizite in allen Ländern der Eurozone relativ substantiell ausgeweitet werden. Trotzdem bleibt, dass wir alleine in der Europäischen Union, wenn ich die Altlasten ausser Betracht lasse, eine zusätzliche, Netto-Neuverschuldung, durch diese Konjunkturpakete bedingt, von 600 Milliarden Euro haben werden. Dies ist im Schnitt gleichbedeutend mit 4% des Bruttosozialproduktes der Eurozone, und mit, im Jahre 2010, 4,4% des Eurosozialproduktes. Wir liegen also in der Tendenz deutlich über dem vom Maastrichter Vertrag akzeptierten Oberdefizitnettoverschuldungsprinzip von 3%.

Ich halte diese Politik für optionslos. Ich bin der Meinung, dass die Staaten in die Nachfragelücke einspringen müssen. Ich bin der Meinung, dass die europäischen Eurostaaten in die Marktlücken, in das Marktversagen, lückenfüllend einspringen müssen, und dass wir deshalb vorübergehend erhöhte, ich sage von meiner Sicht aus, überhöhte Schuldenstände und Defizitbildungsstände in Kauf nehmen müssen. Aber ich kann dazu kurzfristig für das, was es jetzt zu leisten und zu tun gilt, keine real existierende Alternative erkennen.

Ich hätte nur gerne, dass man sehr wohl darauf achtet, dass von der Substanz her die Konjunkturpakete, die jetzt anfinanziert werden, mittelfristigen Bestand haben. Es geht sehr wohl darum, über den Weg von Steuererleichterungen bei Privatpersonen, über den Weg von Absenkung von Teilen der Betriebsbesteuerungslandschaft, über die Ankurbelung der Binnennachfrage, die notwendigen Akzente zu setzen.

Aber es muss auch so sein, dass die Hauptakzente dieser Konjunkturpakete im Investitionsfeld liegen müssen. Eine Ankurbelung der Konjunktur alleine durch Nachfrage, wird genau die Resultate zeitigen, die derartige Programme auch in der Vergangenheit gezeitigt haben. Dies werden Strohfeuer sein, die zu keinen, die Wirtschaft aufbauenden, Substanzverbesserungen führen werden. Aber wenn wir haushaltspolitische Ausgaben nicht so sehr auf den konjunkturellen Bereich beschränken, sondern in den investiven, mittelfristig Resultate zeigenden Bereich hinüberreichen, dann werden wir nach dieser Krise wesentlich besser aufgestellt sein als vor dieser Krise. Deshalb wäre es mein Wunsch, dass, sowohl hier als auch sonst wo, dem investiven Teil dieser Konjunkturprogramme die Aufmerksamkeit zukommt die ihm zukommen muss.

Es wird immer populärer, wenn nicht sogar populistischer sein, den Menschen sofort Geld in die Hand zu geben. Ich bin auch sehr der Auffassung, dass man die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung, die fragilen Teile der Bevölkerung kaufkraftmässig soweit unterstützen muss, wie es notwendig sein wird sie zu unterstützen.

Aber ich bin sehr der Auffassung, und dies tut das Konjunkturpaket der Bundesregierung, dass der Hauptakzent auf dem investiven Teil liegen muss. Genauso wie ich überzeugt bin, dass wir uns sehr genau bewusst sein müssen, trotz aller Nöte dieser Monate, dass uns das Recht nicht zusteht, zukünftige Generationen über Massen zu beanspruchen. Wir dürfen uns nicht in diese heimelige Atmosphäre langsam anwachsender Defizite und Schuldenberge wieder hineinbewegen. Dies hielte ich für einen schwierigen Weg, nicht so sehr für die Generation der heute Regierenden, der heute Konsumierenden, der heute Investierenden und der heute Lebenden, sondern dies hielte ich für eine schwierig zu gestaltende Bereinigungsaufgabe für die nachwachsende Generation.

Die wird ohnehin jede Mühe haben sich mit dem Thema Sicherung unserer Altersversicherunssysteme auseinander zu setzen. Wir gehen auf eine demografische Lage in Europa zu, die aussergewöhnliche Anstrengungen der nächsten Generation zur Folge haben wird. Wenn wir noch zusätzlich zu diesen noch nicht bewältigten Zukunftsgestaltungsaufgaben im Alterssicherungsbereich, Abtragung der Konjunkturlasten, die wir jetzt anhäufen, hinzufügen, dann wird dies eine Zeit für die nachwachsende Generation werden, die nicht nur von Lebensfreude geprägt sein wird.

Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir sowohl hier, in der Bundesrepublik, als auch in der gesamten Eurozone uns sehr schnell bewusst werden, dass wir nicht einfach so bedenkenlos weitermachen können, sondern dass wir uns auch jetzt innerhalb der nächsten 3, 4 Monaten sehr intensiv um eine Exit strategy aus dieser Defizit- und Schuldenanhäufung kümmern müssen. Wenn es der Wirtschaft wieder besser gehen wird, muss wieder die Haushaltskonsolidierung in voller Strenge einsetzen. Und ich halte es für ein Gebot der politischen Glaubwürdigkeit, dass man den Menschen dies auch jetzt sagt, und nicht erst sagt, wenn es dazu kommen muss.

Es ist nicht vertrauensbildend, Schulden und Defizite anzuhäufen. Vertrauensbildend ist, den Weg aus dieser Schulden- und Defizitanhäufung heraus zu zeigen. Dies ist im übrigen notwendig wegen der Stabilitätsbedingungen, die mit der Einführung der einheitlichen Währung des Euros einhergehen.

Ich mache mir grosse Sorgen, obwohl ich keine instrumentalen Antworten auf diese Sorgen hier parat habe, über die sich auseinander dividierende Zinslandschaft, öffentliche Anleihen betreffend, in der Eurozone. Auf neudeutsch heisst das ja Spreads, und die Spreads bei Staatsanleihen machen mir zunehmend Sorgen. Ich bin sehr dezidiert der Auffassung, dass wir, ohne darüber öffentliche Debatten zu führen, uns im Kreise derer, auf deren einvernehmliche Entscheidung es ankommt, darüber unterhalten wie wir aus der sich abzeichnenden Lage, auf Grund der divergierenden Entwicklungen der Staatsanleihenzinsen, herausbewegen können.

Obwohl ich etwas überrascht bin, aber ich habe darüber keine gefestigte Meinung, dass, nachdem die Ratingagenturen jetzt mit Kübeln von Dreck überschüttet wurden, eigentlich nicht sehr zu Unrecht, wir uns jetzt auf die Bewertung der Ratingagenturen, die Bonität der Staaten betreffend, bedenkenlos einlassen. Man hat sie gescholten, beschimpft und geohrfeigt, weil sie vieles nicht gesehen hätten. Und wenn ich eine Ratingagentur wäre, ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, ich werde ja dauernd geratet, aber wenn ich raten würde, würde ich mir jetzt auch sagen, jetzt werde ich mal ein bisschen strenger. Jetzt sage ich mal, ihr Italiener, ihr Griechen, ihr Portugiesen, ihr Spanier seid überhaupt nicht so gut wie ihr tut, dass ihr wärt, damit ich nachher nicht beschimpft werde, dass ich einiges übersehen hätte.

Aber dass man die Ratingagenturen massiv kritisiert, und sich jetzt ohne irgendetwas zu überprüfen, ihnen bedenkenlos an den Hals wirft, wenn es um die Bonitätseinschätzung der Eurostaaten geht, dies überrascht mich schon einigermassen. Aber ich bin nicht ganz sicher, dass sich die Ratingagenturen zurzeit sehr irren würden, wenn es um die Einschätzung der Bonität einiger Eurostaaten geht. Insofern hielte ich es für ein Gebot der Vernunft und der Vorsicht, sich dem anzuschliessen was an Einschätzungen in den letzten Tagen und Wochen von den Ratingagenturen angeboten wurde.

Der Supergau, der durchaus hätte passieren können nach der Breite und der Tiefe der sich auf die Realwirtschaft übersetzenden Krise zu urteilen, wurde eigentlich dadurch verhindert, dass die Europäische Zentralbank, und auch die nationalen Zentralbanken sonst wo, sich durchaus als auf der Höhe ihrer Aufgaben befindlich zu präsentieren wussten.

Die Europäische Zentralbank war die erste, die im August 2007 die notwendigen Massnahmen ergriff. Niemand weiss mehr, vor allem diejenigen nicht mehr, die nur der englischen Sprache mächtig sind, dass die Bank of England, und die britische Regierung sich mockierend über Kontinentaleuropa, und über die Europäische Zentralbank äusserten, indem sie sie des hyperaktiven Tuns bezichtigten, als die Europäische Zentralbank sehr schnell die notwendigen Liquiditätsvorkehrungen im August 2007 traf. Dies hat sich insgesamt als richtig herausgestellt. Und es hat sich als richtig herausgestellt, dass diejenigen Recht behielten, die ohne Unterlass, ohne Pause und trotz massivster Kritik, an dem Prinzip der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank festhielten. Dies ist die Europäische Zentralbank, die das Gesamtinteresse der Eurozone im Auge behält, und die dementsprechend auch agiert.

Wie sich überhaupt herausstellt, dass der Euro, dessen Einführung wir zum 10. Mal am 1. Januar gefeiert haben, die Europäer schützt. Sie müssen sich eine Sekunde vorstellen, was im Währungseuropa zurzeit los wäre, wenn es den Euro nicht gäbe. Und übrigens nicht zum ersten Mal. Während der südostasiatischen Finanzkrise, während der russischen Finanzkrise, der argentinischen Finanzkrise, während und nach dem Irak-Krieg, anlässlich der Attentate in Washington, New York am 11. September 2001, angesichts der massiv angestiegenen Ölpreise im zurückliegenden Jahr, wäre es in Europa, hätten wir noch das europäische Währungssystem gehabt, zu massivsten Verwerfungen gekommen. Ich möchte mir nicht vorstellen wollen, welchen Kurs die Deutsche Mark inzwischen erreicht hätte, wenn es den Euro nicht gäbe. Und ich möchte mir nicht vorstellen, welche wettbewerbsfördernden, konkurrierenden Abwertungen einige Währungen Südeuropas inzwischen vorgelegt hätten, wenn es den Euro nicht gäbe.

Insofern muss man auch den Deutschen in aller Bescheidenheit sagen, es geht Deutschland wesentlich besser mit dem Euro als es Deutschland gegangen wäre, im gegebenen Augenblick, mit der Deutschen Mark.

Der Ursprung der Krise, ich habe dies gesagt, liegt im Finanzsektor, und ich bin sehr der Auffassung, dass man die in Washington, auf Ebene der G-20 verabschiedeten Finanzmarktreformen dringend durchführen muss, weil wir auf Dauer auf einen funktionierenden Kapitalmarkt angewiesen sind, wenn wir weiterhin daran interessiert sind, ein konstantes, inflationsfreies, beständiges Wachstum in der Eurozone und in der Welt zu haben.

Die Marktwirtschaft ist auf funktionierende Finanzmärkte angewiesen, und die Marktwirtschaft, die sozial bleiben muss, und die weniger sozial geworden war, ist auf Wirtschaftswachstum auf Grund des Einbringens privaten Kapitals angewiesen.

Ich sehe das private Kapital sich nicht adäquat auf seine normalen, natürlichen Zielorte zubewegen. Ich bin allerdings auch nicht der Auffassung, dass staatliches Kapital auf Dauer zu den Zutaten wird gehören können, aus dem sich Marktwirtschaft strukturell zusammensetzen wird.

Ich bin sehr dezidiert der Auffassung, dass es zu Kapitalbeteiligungen, unter verschiedenster Form, durch staatliche Hände keine Alternative gibt. Ich bin aber auch der Auffassung, dass sich die Staaten möglichst schnell aus dieser neu erworbenen Verantwortung zurückziehen sollten, weil ich Staaten prinzipiell für nicht geeignet halte, Unternehensentscheidungen zielorientiert fällen zu können, und durchführen zu können.

Dies setzt allerdings voraus, dass die Finanzinstitute, die Banken, denen massiv geholfen wurde, nicht wegen deren schönen Augen, sondern wegen deren Bedeutung für die Flüssigerhaltung der realen Wirtschaft, Abstand nehmen sollten von dem, durch gute Argumente und Beweise unterlegten Verdacht, dass sie zu einer Kreditverengung, in Teilen jedenfalls, beitragen würden.

Wenn ich mit Banker rede bei uns, hier, sonst wo in Europa, behaupten alle Banken und Banker, eine Kreditverengung gäbe es nicht. Wenn ich mit Betrieben aus der Realwirtschaft rede, behaupten dieselben, diese Kreditverengung gäbe es. Irgendwer muss sich da täuschen. Und es wäre gut, wenn man Sorge dafür tragen würde, dass Marktversagen im Banken- und Kreditbereich nicht stattfindet.

Es ist aber nicht nur eine Finanzkrise. Ohne Behebung der Finanzkrise, ohne relativ kurzfristige Behebung der Finanzkrise, wird es keine Erholung der Realwirtschaft geben können. Es ist auch eine Krise der Realwirtschaft, und an dieselbe muss man appellieren, dass sie jetzt nicht Opfer leichter Entscheidungen wird. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass ein Unternehmen, und ein Unternehmer, die sich mit einem Rückgang ihrer Auftragslage konfrontiert sehen, sich zu Entlassungen genötigt sehen, zu Freistellungen, wie dies zärtlicher heisst. Klar ist, dass das Verhalten eines Einzelnen rational sein kann, dass aber dasselbe rationale Verhalten aller zu sehr irrationalen Konsequenzen, sowohl wirtschaftlich als auch sozial und arbeitspolitisch führt.

Insofern ist dafür zu plädieren, dass Entscheidungsträger in der Realwirtschaft sehr wohl zur Kenntnis nehmen was es an öffentlichen Konjunkturprogrammen, und an die Finanzmärkte unterstützende Massnahmen gibt, damit sie nicht vorschnell zu negativen Entscheidungen die Arbeitsmärkte betreffend, kommen. Ansonsten bewegen wir uns in einen Teufelskreis hinein, von wachsender Arbeitslosigkeit, die sich sehr schnell in Massenarbeitslosigkeit übersetzen kann, was wiederum mit einem Kaufkraftverlust breiterer Bevölkerungsteile verbunden ist, was wiederum dazu beiträgt durch die Kombination aus Massenarbeitslosigkeit, und aus massivem Rückgang der breiten Kaufkraft, dass es nicht zu konjunktureller Erhohlung, auch und vor allem durch Binnennachfrage angetrieben, kommen können wird.

Meine andere Sorge ist die, dass, wenn die Dinge komplizierter werden, die Gedanken einfacher werden. Und wenn die Gedanken einfach werden, dann sind wir sehr schnell an den Pforten des dunklen Raums von Protektionismus, und von beggar-my-neighbour-policies. Und deshalb ist es essentiell wichtig, dass das was in Washington im November angeleiert wurde, auf Ebene der G-20 Staaten, in Rom übernächste Woche, auf Ebene der G-7 Staaten, weitergeführt wird, und Anfang April in London anlässlich des Folgetreffens der G-20 Staaten zum Abschluss gebracht wird.

Meine feste Überzeugung ist die, dass alle Konjunkturprogramme der Welt, und alle Konjunkturprogramme Europas zu keinem Ergebnis führen, wenn wir die Lage an den Finanzmärkten nicht in den Griff kriegen. Und es wäre vermessen zu behaupten, wir hätten die Lage an den Finanzmärkten zurzeit im Griff.

Deshalb braucht es, über das innereuropäische Zusammenwirken hinaus, eine anzustrebende Kooperation mit anderen Teilen der Welt, mit den USA, mit China und einigen anderen, weil nur eine multilaterale Vorgehensweise uns auf Dauer von den Irrungen und Wirrungen wird entfernen können, die uns in die Lage hineingeführt haben, in der wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden.

Aber selbst wenn es dies alles nicht gäbe, und selbst wenn dies alles vorbei sein wird, und irgendwann wird es ja vorbei sein, muss es unsere Sorge sein, als Euro Volkswirtschaft und als nationale Volkswirtschaften dann besser aufgestellt zu sein als vor dieser Krise. Selbst wenn all dies nicht so wäre, wäre es immer noch so, dass wir Unrecht hätten, wenn wir uns nicht auf die Gefahren besinnen würden, die sich aus den globalen Ungleichgewichten ergeben, die wir zurzeit weltweit feststellen.

Wir beklagen über Jahre, als Europäer, globale Ungleichgewichte, wir beklagen über Jahre, als Euromitgliedsstaaten, die Tatsache, dass wir mehr als andere unter diesen globalen Ungleichgewichten zu leiden haben. Aber Tatsache ist, dass diese globalen Ungleichgewichte eine Tendenz haben zuzunehmen, anstatt dass sie eine Tendenz haben müssten abzunehmen.

Die Ausweitung des doppelten amerikanischen Defizits, sowohl die Zahlungsbilanz betreffend, als auch die öffentlichen Haushaltsdefizite betreffend, sind absolut besorgniserregend. Die Vorstellung, dass auf Dauer der Rest der Welt die amerikanischen Defizite finanzieren werden würde, ist eine aberwitzige Vorstellung. Dies würde noch einige Jahre gut gehen, aber irgendwann würde es zu einem grossen Knall diesbezüglich kommen.

Und dies, in Kombination mit sich dramatisch verringernden Zinssätzen – wogegen ich hier nicht an-argumentieren möchte, aber absolut niedrige Zinssätze sind sehr oft am Ursprung zukünftiger, grösserer gesamtwirtschaftlicher Krisen gewesen – aus der Kombination von globalen Ungleichgewichten und niedrigen Zinssätzen ergibt sich ein hochexplosives Gemisch, nicht für die nächsten zwei Jahre, sondern für die Zeit danach.

Wir sollten dafür Sorge tragen, dass die Menschen nicht denken, dass wenn wir aus diesem Krisenengpass heraus sind, wir aller Probleme ledig wären, sondern sollten dafür sorgen, angesichts dieser wachsenden globalen Ungleichgewichte, dass wir auch dies sehr genau im Auge behalten.

Was ich Ihnen eigentlich sagen wollte, und das ist die einzig positive Botschaft, die ich heute Abend zu vermitteln habe, wir leben in spannenden Zeiten.

Vielen Dank.

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