Bankgeheimnis gar nicht abschaffen - oder überall. Budgetminister Luc Frieden über die europäische Steuerharmonisierung

Wie stark spüren Sie die Furcht vieler deutscher Sparer vor Quellensteuer und Kontrollmitteilungen?

Luc Frieden: Es gab viele Anfragen, aber keinen Abfluß von Kapital. Die Kundschaft weiß, daß viele Vorbedingungen erfüllt sein müssen, bevor Luxemburg der Richtlinie endgültig zustimmt. Im übrigen kommen viele Anleger aus anderen als steuerlichen Gründen nach Luxemburg.

Sie wollen dem Ersatz der Quellensteuer durch Kontrollmitteilungen nur dann zustimmen, wenn zur EU zählende Steueroasen wie die Kanalinseln "identische Maßnahmen" und Drittstaaten wie die Schweiz "gleichwertige Regelungen" einführen. Wie sollen diese aussehen?

Luc Frieden: Alle wesentlichen Punkte der Richtlinie müssen in den Regelungen gleichwertig behandelt werden. Es darf Unterschiede im Detail geben, aber nicht bezüglich des Bankgeheimnisses und der vereinbarten Sätze für die Quellensteuer, die bei der frühestens 2003 geplanten Einführung zunächst 15 Prozent betragen soll und von 2006 an 20 Prozent. Gäbe es in diesen essentiellen Punkten Unterschiede, käme es zu einer Kapitalflucht aus der EU, und das wollen wir verhindern.

Rechnen Sie insgeheim mit einem Scheitern der Gespräche mit den Drittstaaten?

Luc Frieden: Man kann nicht mit dem Scheitern von Verhandlungen rechnen, die noch nicht begonnen haben, und man sollte nicht von Scheitern reden, wenn es auch andere Lösungen geben könnte. So wurde im vergangenen November der Informationsaustausch nur als eventuelles Endziel formuliert; sollten Drittstaaten nicht auf ihr Bankgeheimnis verzichten, könnten wir auch in der EU sehr wohl zu einem System der Quellensteuer unter Beibehaltung des Bankgeheimnisses gelangen.

Investmentfonds werden von der Richtlinie nicht erfaßt, wenn Zinserträge weniger als 40 Prozent ihrer Gesamterträge darstellen. Wer auf Dividenden und Aktien setzt statt auf Rentenwerte, wird also anders behandelt. Ist das fair?

Luc Frieden: Das Modell in dieser Form zu konstruieren, war ein wichtiges Ziel für Luxemburg als einem der führenden Finanzmärkte für Investmentfonds. Es ist aber zudem eine Lösung, die logisch ist, da wir in der EU über keine europäische Lösung für die Behandlung von Aktien verfügen. Die Diskussion um eine einheitliche Richtlinie bezog sich nur auf die Besteuerung von Zinserträgen. Deshalb darf der Besitz von Aktienfonds nicht anders behandelt werden.

Wie sicher vor Quellensteuer und Kontrollmitteilungen an das Finanzamt können sich Aktienfondssparer denn fühlen?

Luc Frieden: Die geplante EU-Richtlinie betrifft nur Zinserträge. Für alle anderen Investmenterträge gelten die nationalen Regelungen, und das wird auch weiterhin so sein. Eine Ausweitung der Diskussion auf Aktienerträge ist absolut kein europäisches Thema zur Zeit.

Bundesfinanzminister Eichel meint, das deutsche Bankgeheimnis für in Deutschland lebende Steuerzahler werde durch die Richtlinie nicht angetastet. Stimmen Sie dieser Interpretation zu?

Luc Frieden: Wenn man den Richtlinienentwurf liest, stimmt das natürlich, denn dieser behandelt nur Nicht-Gebietsansässige. Inhaltlich frage ich mich aber, ob man in einem europäischen Rechtsraum diese Differenzierung bezüglich des Bankgeheimnisses vornehmen kann. Politisch freut es mich, daß auch andere Finanzminister vom Prinzip her nicht gegen das Bankgeheimnis sind. Für mich macht das Bankgeheimnis als Schutz der Privatsphäre Sinn, wenn sichergestellt ist, daß es nicht für kriminelle Zwecke oder Steuerhinterziehung mißbraucht werden kann. Dies wird zum Beispiel mit einer Quellensteuer sichergestellt.

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