Wieso soll ein Südpole nach Österreich auswandern? Premier Juncker über die Sanktionen, die Macht Brüssels und die Ängste der Bürger

Kommenden Montag sind Sie auf Besuch in Wien. Werden Sie im Unterschied zu Gerhard Schröder auch FPÖ-Minister treffen?

Jean-Claude Juncker: Ich organisiere meine Reise nicht anhand des Programms, das andere absolviert haben. Ich werde den Kanzler treffen, den ich seit Jahren schätze und dem ich freundschaftlich verbunden bin. Ich werde auch den Finanzminister treffen. Österreich und Luxemburg haben ja gemeinsame Interessen.

Sie haben keine Berührungsängste wie Herr Schröder?

Jean-Claude Juncker: Ich habe keine, allerdings muss jeder wissen: Wer mich berührt, wird auch berührt.

Wie meinen Sie das?

Jean-Claude Juncker: Wenn es kontroverse Themen gibt, dann werde ich sie zur Sprache bringen.

Bei den Sanktionen haben Sie mitgetan. Eine Torheit?

Jean-Claude Juncker: Da ist eine Partei an die Macht gelangt, die sich im Wahlkampf - etwa in der Ausländerfrage - als nicht einwandfrei solide erwiesen hat. Dass es da zu einer Reaktion im EU-Ausland kommt, war klar. Aber ich räume ein: Eine gehobene Form der Staatskunst waren die Sanktionen nicht.

Die Österreicher verstehen nicht, warum die EU auf Berlusconi so zahm reagiert hat.

Jean-Claude Juncker: Es hat in der EU unfreundliche Kommentare gegeben, was schon sehr ungewöhnlich ist.

In den Medien vor allem ...

Jean-Claude Juncker: Nein, auch von der Politik. Viele haben zum Ausdruck gebracht, die neue italienische Regierung, wenn sie einmal gebildet ist, stünde unter Beobachtung. Das wird normalerweise nicht gesagt, wenn in der EU ein politischer Wechsel ansteht. Da gibt es also schon Parallelen.

Aber die Beobachtung wird anders aussehen als vor einem Jahr bei Österreich.

Jean-Claude Juncker: Wir haben nach den Irrungen und Wirrungen um Österreich uns in Nizza den Artikel 7 gegeben. Hätten wir ein derartiges Instrumentarium schon früher gehabt, hätten wir uns viel Ärger und viel Verwirrung erspart.

Zur Osterweiterung: Die Ängste des Anrainers Osterreich sind groß.

Jean-Claude Juncker: Wenn es Ängste gibt, muss man sich damit beschäftigen. Wenn die Politik sich nicht damit beschäftigt, beschäftigt sich die Angst mit der Politik. Insofern kann ich nachvollziehen, warum Österreich und Deutschland um Garantien bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern ersuchen. Sonst halte ich die Angst, die eine diffuse Ängstlichkeit ist, für grundsätzlich nicht berechtigt.

Spielen Sie da auf die Erfahrung Luxemburgs mit den Portugiesen 1986 an?

Jean-Claude Juncker: Ja. Vor deren Beitritt waren bereits 14 Prozent unserer Bewohner Portugiesen. Nach deren Beitritt ist der Zustrom zurückgegangen. Das wird bei Ungarn und Polen nicht anders sein. Die Leute schöpfen Hoffnungen, dass sich die Dinge vor Ort stabilisieren.

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