Jean-Claude Juncker: Kein Bankgeheimnis für Terroristen

Welt am Sonntag: Herr Juncker, die deutschen Politiker erklären nach den Terroranschlägen vom 11. September unisono, dass sie gut auf das Bankgeheimnis verzichten können. Können Sie das auch so locker?

Jean-Claude Juncker: Politiker sollten sich einfach ausdrücken und trotzdem kompliziert denken, anstatt einfach zu denken und sich kompliziert auszudrücken.

Tief gründiger haben wir es nicht: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gesagt, dass alles getan werden müsse, um die Finanzquellen der Terroristen trockenzulegen, und dass das Bankgeheimnis kein Grundpfeiler des Rechtsstaates sei. Wirtschaftsminister Werner Müller hat erklärt, er hänge nicht am Bankgeheimnis.

Jean-Claude Juncker: Ich habe zum Bankgeheimnis auch kein erotisches Verhältnis. Wenn es sich so verhalten würde, dass man in allen Staaten der Welt einvernehmlich darauf verzichten würde, dann würde ich mich dieser Bewegung problemlos anschließen.

Wie wichtig ist das Bankgeheimnis im Kampf gegen den Terrorismus?

Jean-Claude Juncker: Die Frage stellt sich so nicht, weil das Bankgeheimnis in seiner bereits bestehenden Form für Terroristen und Kriminelle keine Schutzfunktion ausübt. Es wäre auch schrecklich, wenn dem so wäre. Der Staatsanwalt kann bei Verdacht ermitteln, ohne dass ihm das Bankengeheimnis entgegengehalten werden darf.

Der Ruf der deutschen Politiker und von Bundesbankpräsident Ernst Welteke ist also reiner Populismus?

Jean-Claude Juncker: Mir steht es nicht an, die deutschen Politiker zu kritisieren. Ich kann nur feststellen, dass das Bankgeheimnis Terroristen nicht schützt. Im Übrigen ist es so, dass verdächtige Konten bei der Terrorismusfinanzierung auch dort aufgetreten sind, wo es kein Bankgeheimnis gibt. Dass ist auch verständlich, da auch Terroristen wissen, dass sie das Bankgeheimnis nicht schützt.

Fürchten Sie, dass andere EU-Staaten zusätzlichen Druck auf Luxemburg ausüben werden?

Jean-Claude Juncker: Ich bin daran gewohnt, dass man Luxemburg immer besondere Aufmerksamkeit schenkt. Es geht nicht, dass Luxemburg als Drehscheibe des internationalen Terrorkapitals gesehen wird. Das lasse ich mir auch nicht bieten. Komischerweise ist es so, dass immer wenn in Paris, London oder Frankfurt Bin-Laden-Gelder auftauchen, das als Erfolg der Ermittlungsbehörden gilt, während wenn in Luxemburg Geld aus kriminellen Quellen entdeckt wird, das als Beweis angeführt wird, dass der Finanzplatz faul ist.

Wie schätzen Sie die Bemühungen der Schweiz ein, sich von ihrem Bankgeheimnis zu trennen?

Jean-Claude Juncker: Wir führen ja nicht nur Gespräche mit der Schweiz, sondern auch mit abhängigen Territorien einiger EU-Mitgliedsstaaten. Diese Gespräche laufen jedoch nicht zielorientiert und ergebnisgebunden. Drittstaaten wie die Schweiz erklären, dass sie auf das Bankgeheimnis nicht verzichten wollen. Die Schweiz zeigt sich da sehr resistent.

Im portugiesischen Feira hatte die EU im Sommer 2000 beschlossen, dass das Bankgeheimnis in der EU aufgelöst wird, unter der Bedingung, dass dieses auch an bedeuten den Finanzplätzen außerhalb der EU passiert. Die Beschlüsse sind also hinfällig geworden?

Jean-Claude Juncker: Wenn Drittstaaten wie die Schweiz und die abhängigen Territorien wie die Isle of Man bei ihrer Haltung bleiben, kommt es nicht zu einem EU-internen Austausch von Informationen. Dann wird auch Luxemburg sein Bankgeheimnis nicht aufgeben.

Es bleibt also alles beim Alten?

Jean-Claude Juncker: Nein, es darf nicht beim steuerlichen Status quo bleiben. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass wir zu einer adäquaten Kapitalertragssteuer innerhalb der EU kommen und wir mit den Drittstaaten verhandeln, damit sie flächendeckend eingeführt wird. Die Schweiz lässt erkennen, dass sie an einer Quellensteuerlösung mitwirken will. Daher räume ich dieser Piste eine größere Chance ein.

Gesamtwirtschaftlich ist die Situation nach den Terroranschlägen noch düsterer als sie bereits schon war. Steht eine Rezession bevor?

Jean-Claude Juncker: Nein, das denke ich nicht. Es wird zu einer weiteren Abkühlung des ohnehin schwachen Konjunkturverlaufs kommen.

Ist Deutschland mit seinem geringen Wachstum das Sorgenkind der Europäischen Union?

Jean-Claude Juncker: Sorgenkind der EU ist die EU selbst. In der EU macht man sich natürlich Sorgen über die Länder, die besonders substanzielle Wachstumseinbrüche haben. Das sind Italien, Frankreich und Deutschland. Ich sage das nicht im schulmeisterlichen Ton, sondern verbunden mit der Frage, wie ein weiterer Abschwung verhindert werden kann. Ich habe im Übrigen nicht den geringsten Zweifel, dass der Bundesfinanzminister seinen Konsolidierungskurs beibehält. Hans Eichel ist nicht nur Spar-Hans in der Bundesrepublik, sondern auch in Europa.

Sie haben vor ein paar Wochen gesagt, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zu werden, entspreche nicht Ihrer Lebensplanung. Wie fest steht denn Ihre Lebensplanung?

Jean-Claude Juncker: Meine Lebensplanung ist ein fast offenes Koordinierungsverfahren. Es gibt nur einen festen Punkt: Ich will nicht EZB-Präsident werden.

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