Jean-Claude Juncker: Europa gibt derzeit ein erschreckendes Bild ab

Der Luxemburger Premierminister Juncker geht mit seinen Kollegen hart ins Gericht. Die EU benötige Instrumente, um außenpolitische Alleingänge zu verhindern.

Düsseldorf. Jean-Claude Juncker nennt sich selbst einen Euro-Realisten. Vermutlich deshalb ist der Luxemburger Premierminister ein Mann der klaren Worte. Und eindeutige Worte sind in diesen Tagen nötig, denn die Irak-Krise ist auch eine Krise Europas. "Es reicht nicht, dass wir ein wirtschaftspolitischer Riese sind. In Fragen der Außenpolitik erweisen wir uns als der kleinste Zwerg", befindet Juncker im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Kontinent ist tief gespalten: Die Gruppe der Kriegsbefürworter um Großbritannien und Spanien steht dem "Friedensblock" Frankreich und Deutschland unversöhnlich gegenüber. Es sei ein erschreckendes Bild, das Europa derzeit abgebe, sagt Juncker. Von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik könne keine Rede mehr sein. "Ich habe es sehr bedauert, dass sich diese vier Mitglieder des Sicherheitsrates als unfähig erwiesen haben, eine gemeinsame Position zu finden." Dieses Verhalten habe der Glaubwürdigkeit der EU nach innen und nach außen sehr geschadet, resümiert Juncker.

Als im Januar acht europäische Staats- und Regierungschefs einen Solidaritätsbrief an die USA richteten, sprach der Premier von "übereifrigem Gebaren". Auch heute noch übt er scharfe Kritik am Vorgehen der EU-Mitglieder und Beitrittskandidaten. "Das war kein Beitrag zu kohärentem Auftreten", sagt Juncker.

Dabei wolle er jetzige und künftige EU-Mitglieder nicht unterschiedlich in ihrem Handeln bewerten. "Letztlich haben alle Staaten nur von ihrem politischen Freiraum Gebrauch gemacht", sagt der Luxemburger und meint damit auch die Bundesregierung, die mit ihrer frühen Anti-Kriegs-Haltung die Polarisierung in der Union zumindest gefördert hat. Die Spalter der EU seien sich inzwischen des Ausmaßes ihres Handelns bewusst.

Wenn Europa nicht länger als außenpolitischer Zwerg gelten will, muss die Union nach Ansicht Junckers Instrumente schaffen, die einseitige Verlautbarungen verhindern. "Wir dürfen die Staaten nicht sich selbst überlassen." Was bedeutet: Ein europäischer Außenminister muss her, ein Mann, der für die Mitgliedsländer mit einer Stimme spricht und als Brückenbauer fungiert. "Er muss Missverständnisse verhindern und Befindlichkeiten erklären", sagt Juncker auch mit Blick auf das transatlantische Bündnis. "Wenn es um das gegenseitige Verständnis geht, haben Amerikaner wie Europäer große Defizite."

Nach Ansicht Junckers reagieren seine EU-Kollegen positiv auf die Außenminister-Idee. Der EU-Konvent werde entsprechende Vorschläge erarbeiten. "Wenn das auf breiten Konsens stößt, können sich die Regierungen nicht verschließen." Juncker weiß, dass die EU Vertrauen zurückgewinnen muss. "Natürlich fragt man sich, wer einen europäischen Außenminister derzeit überhaupt empfangen würde."

Auch wenn der Luxemburger von einem Krieg noch nicht sprechen will, denkt er weiter. Bei einem Wiederaufbau des Irak gelte es für Europa, wieder mit einer Stimme zu sprechen. Dass dies möglich ist, habe man in Nahost bewiesen. Wichtig sei aber, dass Europa nicht nur als Zahler auftrete. "Wir müssen auch Einfluss nehmen auf die Gestaltung der politischen Situation."

Nicht nur aus diesem Grund lehnt der EU-Politiker es ab, dass sich Europa den USA bedingungslos unterordnet. "Wir müssen den USA sagen können, was man mit uns machen kann und was nicht", betont Juncker. Das sei der "Mut vor dem Freund". Doch den muss Europa noch aufbringen.

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