Jean-Claude Juncker interviewé par la chaîne allemande ZDF

ZDF: Guten Tag, Herr Juncker.

Jean-Claude Juncker: Guten Tag.

ZDF: In der Irak-Krise haben ja die Europäer ganz klar versagt. Welche Lehren muss die Gemeinschaft Ihrer Meinung nach daraus ziehen?

Jean-Claude Juncker: Wir haben in der Irak-Krise versagt. Wir haben alles geboten, nur nicht eine gehobene Form der Staatskunst. Deshalb weiß jeder: Wenn Europa nur als wirtschaftliche Macht, nicht aber als politische Kraft zur Kenntnis genommen wird, dann wird Europa über keinerlei Einfluss verfügen. Es kommt jetzt darauf an, aus dieser spezifischen Krise die richtigen Lehren zu ziehen, d.h. Ernst zu machen mit dem Europa der politischen Kraft, die weltweit aktiv werden kann.

ZDF: Aber wie kann das gelingen, Herr Juncker? Deutsche und Franzosen denken ja schon weiter, planen ein Kern-Europa aus einigen wenigen Staaten, die dann ihre eigene Außen- und Sicherheitspolitik machen. Aber würde das nicht die Spaltung der Europäischen Union weiter vertiefen?

Jean-Claude Juncker: Der Beitrag, den wir jetzt zu leisten haben, kann nicht in einer noch tieferen Spaltung der Europäischen Union bestehen. Aber einige müssen vorgehen. Wir brauchen jetzt eine Koalition der Integrationswilligen. Die müssen sich um einen Tisch setzen, diese Integrationswilligen, und einen Kreis bilden der offen ist für alle. Es geht nicht darum, einen Europa-internen Putsch gegen die Vereinigten Staaten von Amerika vom Stapel zu lassen. Man wird nicht dadurch zum besseren Europäer, dass man sich im Gegeneinander zu Amerika bewegt. Wir brauchen die transatlantische Solidarität und die transatlantische Solidität, aber wir brauchen ein eigenständiges analysierendes, eigenständig denkendes, eigenständig handelndes Europa. Daran müssen wir arbeiten.

ZDF: Herr Juncker, wie würde dieses Kern-Europa, wie würden diese wenigen Staaten, die sich als Kern-Europa bezeichnen, Europa wieder Gewicht und Stimme verleihen können? Wie sollte diese Außenpolitik dann aussehen?

Jean-Claude Juncker: Also wir haben ja auch in Frage der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion eigentlich mit einer Kern-Gruppe gestartet, jedenfalls sehr bewusst das Risiko einer kleinen Zahl Euro-Staaten in Kauf genommen. Dann sind es plötzlich zwölf geworden. Und genauso wird das auch in Sachen gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geben wird.

Es kommt jetzt darauf an, dass wir gemeinsame Unterfangen auf dem Weg bringen. In Mazedonien passiert heute der erste Schritt. Dort leistet die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Muskelarbeit für die Zukunft. Wir müssen darüber reden, wie wir militärische Synergien zustande bringen, wie wir nationale Streitkräfte besser miteinander verzahnen können, auf dem Weg zu einer Europäischen Armee, was ein jahrzehntelanges Unterfangen sein wird. Wir müssen über gemeinsame Kommandostrukturen nachdenken. Dies ist der Stoff aus dem die zukünftige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gemacht werden wird, wobei es mir schon darauf ankommt, deutlich zu machen, dass gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eben mehr ist als Militärisches zusammenarbeiten zwischen den verschiedenen Staaten der Europäischen Union.

Politik im 21. Jahrhundert, damit die Menschen des 21. Jahrhunderts auch zu diesem 21. Jahrhundert passen, muss ein Mix sein aus Politik, aus politischer Begleitung sich anbahnender Konflikte und aus militärischen Elementen. Die Vorstellung, dass wir jetzt Europa zu einem militärischen Muskelprotz machen würden, auf jedwede politische Einigungsversuche verzichten würden, das ist eine Vorstellung, der ich mich nicht anschließen kann.

ZDF: Klare Worte von Jean-Claude Juncker. Vielen Dank für dieses Gespräch.

Dernière mise à jour