Lydie Polfer: Beispielhaftes Luxemburg

Télécran: Am 1. April 2004 wird die EU zehn neue Staaten aufnehmen. Steht Europa damit am Ende oder am Anfang eines langwierigen Prozesses?

Lydie Polfer: Sowohl als auch. Europa ist am Ende einer Phase der Trennung. Seit dem Zweiten Weltkrieg lagen bedingt durch die schwierigen politischen Verhältnisse Welten zwischen Ost- und Westeuropa. Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 kam die erste Wende. 14 Jahre später steht nun eine noch größere Wiedervereinigung an – und damit steht Europa wieder am Anfang eines neuen Friedensprozesses.

Télécran: Was wird sich mit einem Europa der 25 ändern?

Lydie Polfer: Jedes neue Mitglied bringt viele neue Herausforderungen mit sich. In puncto Organisation wird es sicher nicht einfacher. Ein Beispiel: Bei wichtigen Diskussionen kam bislang immer jedes Land zu Wort. Das wird jetzt fast unmöglich. In Zukunft muss sich deshalb jedes Land noch gründlicher auf die internationalen Zusammenkünfte vorbereiten.

Télécran: Worin sehen Sie die Stärken eines großen Europas?

Lydie Polfer: Die bestehenden Mitgliedsstaaten bringen starken Rückhalt und viel Erfahrung mit in die vergrößerte Gruppe, vor allem auf politischer und wirtschaftlicher Ebene. Und das wird helfen, bestehende Probleme wie die Korruption in den neuen Ländern in den Griff zu bekommen. Um weitere Probleme zu vermeiden, sind Übergangsphasen geplant, wie zum Beispiel bei der Öffnung des Arbeitsmarktes.

Télécran: Inwiefern wird Luxemburg nach der EU-Erweiterung noch eine Rolle spielen?

Lydie Polfer: Luxemburg ist und bleibt ein kleiner Staat. Und genau deshalb ist unser Land für die neuen EU-Mitglieder wichtig. Viele fürchten zurzeit noch, ihre Identität zu verlieren. Luxemburg liefert ihnen das beste Beispiel dafür, dass ein kleines Land nicht in der großen Menge untergeht. Als Außenministerin habe ich darauf bestanden, die neuen EU-Länder zu besuchen und die jeweiligen verantwortlichen Politiker zu treffen. Denn das schweißt zusammen. Werden später wichtige Abstimmungen auf europäischer Ebene stattfinden, müssen wir kleinen Länder uns durchsetzen können.

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