Michel Wolter: Druck von unten

Télécran: Wie kommt es, dass nun gleich drei Fusionen anlaufen?

Michel Wolter: Im Gegensatz zu den ersten Projekten vor 30 Jahren kommt der Wille zur Fusion diesmal von unten und wird nicht vom Staat diktiert. Auch erkennen immer mehr Bürgermeister, dass ihrer Gemeinde einfach die "masse critique" für die Erfüllung zahlreicher Dienste fehlt.

Télécran: Spielt nicht auch die angespannte Finanzlage eine Rolle?

Michel Wolter: Ich glaube, es ist eher die Erkenntnis, dass nur eine relativ große Gemeinde den Bürgern ausreichend Dienstleistungen bieten kann. In vielen kleinen Gemeinden ist noch nicht mal das Sekretariat täglich geöffnet. Kläranlagen, Schulen und Kinderbetreuung sind alleine nicht mehr zu bewältigen und Syndikate helfen nur bedingt.

Télécran: Wie kommen die Fusionsverhandlungen voran?

Michel Wolter: Bei Bastendorf-Fouhren sind sie abgeschlossen und das Fusionsgesetz geht noch dieses Jahr auf den Instanzenweg. Bei Wilwerwiltz-Kautenbach laufen die Gespräche auf Hochtouren. Auch hier wird die Fusion 2006 in Kraft treten. Clerf, Munshausen und Heinerscheid haben einen anderen Weg eingeschlagen. Sie legen zuerst ihre Dienste zusammen und stimmen sich sehr eng ab. Nach diesem Prozess nehmen wir die Fusion für 2012 in Angriff. Bei der Größe der neuen Gemeinde kann ich mit dieser ruhigeren Gangart gut leben.

Télécran: Wie kam die Fusionsprämie von 2.500 Euro pro Einwohner zustande?

Michel Wolter: Bei einer Fusion werden oft Gemeindegebäude gebaut oder renoviert sowie Infrastrukturen angepasst. Wir unterstützen diese Vorhaben mit einer Prämie, die allerdings zweckgebunden ist. In einer gemeinsamen Konvention werden die zu verwirklichenden Projekte festgelegt. Die Summe von 2.500 Euro entspricht dem Geldwert, den die Fusionsgemeinden vor 25 Jahren erhielten.

Télécran: Wenn "arme" Gemeinden fusionieren, entsteht noch keine reiche Gemeinde. Wo liegen die Vorteile einer Fusion?

Michel Wolter: Mittelfristig entsteht ein Einsparungspotenzial, die Dienstleistungen werden rentabler und eine große Gemeinde erhält auch eine höhere "Dotation de l'Etat". Außerdem empfehle ich einen Blick über die Grenze nach Belgien oder Frankreich. Der Begriff "arme Gemeinde" erlangt dann eine andere Bedeutung...

Télécran: Halten Sie an der 3.000-Einwohner-Grenze für eine lebensfähige Gemeinde fest?

Michel Wolter: Eine Gemeinde darf nicht nur um der Gemeinde willen bestehen. Um ihre Aufgaben sinnvoll zu erfüllen, braucht sie ein Minimum an Bevölkerung. Erfahrungen im Ausland zeigen, dass sich viele Gemeindedienste erst ab 3.000 Einwohner lohnen.

Télécran: Rechnen Sie mit weiteren Fusionen?

Michel Wolter: Ja, denn auch wenn der Staat die Fusion nicht zwangsweise verordnet, muss sich die Politik doch fragen, wie hoch sie künftig kleine Gemeinden noch unterstützen will. Die Fusionsfrage hängt oft nur am Bürgermeister und ist damit eine Generationsfrage. Die Zentralschulen begünstigen den Mentalitätswandel und die Kinder sind der treibende Motor. Der Druck von unten nimmt zu. Die Bevölkerung toleriert ein mangelhaftes Angebot in ihrer Gemeinde immer weniger.

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