Luc Frieden: Das Grossherzogtum ist mehr als nur das Bankgeheimnis

Das Bankgeheimnis ist für Luxemburg zum Klischee geworden, wie das Blau des Mittelmeers und die reine Luft der Schweizer Berge, mit dem Unterschied, dass diejenigen welche dieses Klischee, voneinander abschreibend, tagtäglich kolportieren, sich wohl kaum die Mühe gemacht haben, seinen wahren Inhalt und seine Bedeutung zu ergründen.

Ein Blick in Artikel 41 des luxemburgischen Gesetzes über den Finanzsektor, welcher das Bankgeheimnis umfassend regelt, müsste eigentlich genügen, um das Klischee durch eine ausgewogenere Sicht der Dinge zu ersetzen. Verschwunden wäre dann die Mär von den umtriebigen Bösewichten, denn die Geheimhaltungspflicht der Banken und anderen Finanzdienstleister hat keinen Bestand gegenüber der Strafjustiz, genauso wenig wie gegenüber den Aufsichtsbehörden. Die regelmäßigen Inspektionen des IWF und der FATF bescheinigen dem Finanzplatz Luxemburg, dass er den strengsten Standards im Kampf gegen Geldwäsche, Finanzierung des Terrorismus und Finanzkriminalität vollauf genügt. Im konkreten Alltagsgeschäft, unberührt von allen Legenden, funktioniert eine reibungslose und effiziente Zusammenarbeit zwischen der luxemburgischen Justiz und den Aufsichtsbehörden mit ihren ausländischen Kollegen weltweit.

Terroristen und Straftäter finden keinen Schutz, und Missbräuche werden wirksam bekämpft in enger Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden. Im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung oder eines Gesuchs für internationale Rechtshilfe wird das Bankgeheimnis aufgehoben, und die verdächtigen Konten werden eingefroren.

Wer sein Erspartes in Luxemburg anlegt, braucht also nicht zu befürchten, dass es unter einem Dach mit verbrecherischem Geld zusammentrifft. Er kann im Gegenteil darauf vertrauen, dass die gesetzlich verankerte und strafrechtlich geschützte Geheimhaltungspflicht sein Recht zur Wahrung seiner Privatsphäre in finanziellen Angelegenheiten wirksam absichert. Dieses Vertrauen ist sicherlich für viele Kunden, denen das gleiche Sicherheitsgefühl in ihrem Heimatland offensichtlich abgeht, ein Argument bei ihrer Entscheidung, ihr Vermögen in Luxemburg verwalten zu lassen.

Insofern das Bankgeheimnis die Privatsphäre des Bürgers auch gegenüber dem Staat, also auch gegen den Zugriff des Fiskus, schützt, zumindest solange der Bürger die Steuergesetze nicht strafrechtlich missachtet, ist nicht zu leugnen, dass auch steuerliche Beweggründe zum Überführen von Vermögenswerten ins Ausland beitragen können. Der luxemburgischen Regierung ist daran gelegen, dass Kapitaleinkünfte ebenso wie Einkommen durch Arbeit gerecht und vernünftig besteuert werden. Sie hat sich deshalb seit Jahren konstruktiv darum bemüht, auf internationalem Plan einvemehmliche Regeln zur Sicherstellung einer effektiven Besteuerung von Kapitaleinkommen herbeizuführen, ohne dass es dabei zu einer Kapitalflucht außerhalb der EU kommt.

Die im Juni veröffentlichte EU-Richtlinie, welche mit der Möglichkeit einer Quellensteuer eine effiziente Besteuerung ohne Aufgabe des Privatsphärenschutzes gewährleistet und welche die Einbeziehung von Finanzzentren außerhalb der EU mit beinhaltet, stellt das Ergebnis dieser Bemühungen dar. Mit dieser neuen EU-Regelung, die 2005 unter anderem in Luxemburg, den Kanalinseln, der Schweiz und Liechtenstein zeitgleich in Kraft treten wird, wurde das Bankgeheimnis erstmalig von allen EU-Regierungen anerkannt und gefestigt.

Sie ermöglicht es dem Finanzplatz Luxemburg in einem größeren, offeneren Markt und zu fairen Konkurrenzbedingungen, weiterhin all jene Trümpfe auszuspielen, die den Platz zu einem der wichtigsten Finanzplätze weltweit gemacht haben.

Dazu gehört einerseits in erster Linie der politische Wille, den Marktteilnehmern eine freie Entfaltung ihrer Aktivitäten in einem gesetzlich geordneten Rahmen zu ermöglichen und nicht jedes denkbare Instrument bis ins letzte Detail überzuregulieren nach dem Prinzip, dass alles verboten ist, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Dies bedingt, dass die Finanzplatzgesetzgebung ohne Ablass den Marktentwicklungen angepasst wird und dass die Befugnisse und Methoden der Aufsicht mit diesen Entwicklungen Schritt halten.

Erfolgreiches Fondsgeschäft

Sehr deutlich wird das Ergebnis dieser Bemühungen im langjährigen Erfolg des Fondsgeschäfts in Luxembürg, welches in der Vielfalt seiner Gestaltungsmöglichkeiten gerade für den durchschnittlichen Privatanleger von hervorragender Bedeutung ist. In dieselbe Richtung zielt die Entwicklung von vielschichtigen Instrumenten zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge, insbesondere mittels Pensionsfonds und Versicherungsprodukten.

Zu den Trümpfen des Platzes zählen andererseits die geballte Präsenz und das Know-how von Instituten und Spezialisten aus allen Himmelsrichtungen, deren Produktpalette weit über die private Vermögensverwaltung hinausreicht. Hier macht sich bezahlt, dass der Finanzplatz Luxemburg keineswegs erst durch eine Nachfrage der Privatkundschaft aus dem Boden geschossen ist, sondern dass er viel tiefere und ältere Wurzeln im Interbankengeschäft und in der Finanzierung von Unternehmen und internationalen Handelsbewegungen hat, die immer noch weitab der Schlagzeilen wesentlich zu seinen Ergebnissen beitragen. Neu gestaltete Instrumente, wie Verbriefung und Treuhand, sind auch in diesen Bereichen gefragt.

Aber Luxemburg ist nicht nur ein Bankplatz. Auf die Anfänge der industriellen Revolution geht der Sitz des heutigen weltweit größten Stahlherstellers Arcelor (vormals Arbed) zurück. Die Wiege der größten europäischen Hörfunk- und Fernsehgesellschaft RTL Group, 1929 gegründet, steht in Luxemburg. Der Aufstieg zum europäischen Branchenleader erfolgte von Luxemburg aus. Das Gleiche gilt für das weltweit größte Fernsehsatelliten-Unternehmen SES Global (Astra). AOL (America Online) wählte kürzlich Luxemburg als sein Tor zum europäischen Markt für den elektronischen Handel.

Die Breite und Tiefe des Produktangebots, gepaart mit kreativer Professionalität und hoher Qualität der Dienstleistungen in einem von Offenheit geprägten Umfeld, sind der beste Garant für die Zukunft des Finanzplatzes Luxemburg in einem zusammenwachsenden Europa. Die Regierung des Großherzogtums wird auch weiterhin die steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen so gestalten, um diesen vielseitigen, internationalen Finanzplatz auszubauen und konkurrenzfähig zu halten.

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