Regelung im europäischen Interesse. Premierminister Jean-Claude Juncker über den Finanzplatz Luxemburg und die vorgesehene Steuerharmonisierung

Herr Premierminister, wird die in der Europäischen Union vorgesehene Steuerharmonisierung den Finanzplatz Luxemburg nachteilig treffen, obwohl die luxemburgische Regierung großen Anteil an ihrem Zustandekommen hatte?

Jean-Claude Juncker: Wir haben uns sehr um diese europäische Regelung betreffend Zinsbesteuerung bemüht Dies geschah trotz vieler Verdächtigungen, die darin bestanden, dass man vermutete, Luxemburg würde die Zinsbesteuerung hintertreiben wollen. Wir sind seit Jahren aktiv bemüht, dieser Regelung zum Durchbruch zu verhelfen. Schon 1997 während unserer Präsidentschaft haben wir das Steuerpaket aufgelegt. Die Schlussfassung hat sich dadurch verzögert, dass es uns Mühe kostete, die Partner in und außerhalb der Europäischen Union davon zu überzeugen, dass in diese Regelung auch Länder außerhalb der Union, die über Finanzplätze verfügen, einbezogen werden mussten – Beispiel Schweiz. Diese Verhandlungen sind (zum Beispiel mit der Schweiz, den englischen Kanalinseln) prinzipiell zum Abschluss gebracht worden. Die Regelung, die jetzt getroffen wurde, ist im europäischen Interesse. Sie sieht eine adäquate Zinsbesteuerung vor; sie ist aus Luxemburger Sicht finanzplatzschonend. Es kommt zu einer zweigeteilten Lösung: Einige Länder, wie Belgien, Österreich und Luxemburg, können mit einer Quellensteuer starten und werden dies auch fristgerecht 2005 machen. Die anderen Länder treten in ein System des Informationsaustausches ein. Das Bankgeheimnis in Luxemburg bleibt bestehen; es wird nur dann aufgehoben, wenn die Schweiz im Jahre 2011 ein Gleiches tut.

Hat sich Luxemburg gegenüber den anderen Finanzplätzen genügend abgesichert?

Jean-Claude Juncker: Die Antwort ist ein klares Ja. Die luxemburgische Art und Weise, Verhandlungen zu führen, wird in der Union als sehr effizient empfunden und hat zum guten Ruf des Großherzogtunis beigetragen. Die Akteure des Finanzplatzes befinden sich jetzt in einem sicheren Planungsumfeld. Es wird nicht mehr diskutiert und polemisiert – jeder weiß von nun an, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Jeder kann nun planen.

Wird sich die Beschäftigungslage Luxemburgs auf die benachbarte Großregion (Belgien, Lothringen, Rheinland-Pfalz) auswirken?

Jean-Claude Juncker: Luxemburg hat ja aufgehört, ein Finanzplatz zu sein, dessen Domäne das Privatkundengeschäft ist. Die in Luxemburg angebotene Finanzpalette ist wesentlich breiter und lässt sich nicht auf das Privatkundengeschäft verkürzen. Ansonsten ist die Regelung so, dass vielfältige Angebote überhaupt nicht in den Anwendungsbereich der europäischen Vereinbarung fallen, so dass ich durch die getroffene Übereinkunft per se keinen substanziellen Arbeitsplatzverlust befürchte.

Was halten Sie von dem institutionellen Gefüge Europas, wie es der von Giscard geleitete Konvent vorgeschlagen hat? Was halten Sie vom Bundesstaat Europa? Fühlen Sie sich als kleiner Staat benachteiligt in dem vom Konvent vorgeschlagenen System?

Jean-Claude Juncker: Wir begrüßen das von dem Konvent erzielte Ergebnis in vielerlei Hinsicht, weil es doch erhebliche Fortschritte in sich birgt und auch garantiert. Wir sind allerdings der Meinung, dass das institutionelle Gefüge – so wie von Giscard und seinem Konvent angelegt – nicht dem Transparenz- und Leserlichkeitsimperativ entspricht, und wir werden uns in der anstehenden Regierungskonferenz (am 4. Oktober) bemühen, dass die institutionellen Vorschläge des Konvents präzisiert werden, wobei Sorge dafür getragen werden muss, dass dem intergouvemementalen Zuschnitt nicht die Vorfahrt eingeräumt wird, sondern dass die Gemeinschaftsmethoden so weit wie möglich zum Durchbruch kommen. Die Beschlüsse der Regierungskonferenz sollen bis zum Jahresende umgesetzt werden. Ich stimme mit dieser Terminierung überein. Ab 4. Oktober werden wir darauf drängen, dass der institutionelle Zuschnitt präzisiert wird. Insgesamt sehe ich ein positives Bild.

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