Deutschland gefährdet Wachstum in ganz Europa. Le Premier ministre au sujet de la CIG, de la future Constitution européenne et du Pacte de stabilité.

BILD am SONNTAG: Herr Premierminister, in einem historischen Schritt will sich Europa eine Verfassung geben. Nächste Woche reisen Sie zum entscheidenden Gipfel nach Rom ...

Jean-Claude Juncker: ... wo wir den Verfassungsentwurf nachbessern müssen - nicht in der Substanz, aber in wichtigen Details. Wenn wir die Vorschläge von Herrn Giscard d'Estaing und seinem Konvent zur Reform der europäischen Institutionen unverändert übernehmen, werden wir ein chaotisches Tutti-Frutti-Europa erleben.

BILD am SONNTAG: Was meinen Sie?

Jean-Claude Juncker: Wir müssen vor allem Klarheit schaffen, welche Aufgaben der neue Ratspräsident, der gemeinsame Außenminister und andere Institutionen bekommen sollen. Die Vorschläge im Verfassungsentwurf sind nebulös und haben handwerkliche Mängel. Sie gefährden die Handlungsfähigkeit der EU.

BILD am SONNTAG: In Luxemburg planen Sie eine Volksabstimmung. Was ist, wenn die Bürger das europäische Grundgesetz scheitern lassen?

Jean-Claude Juncker: Europa wird seine Verfassung bekommen, davon bin ich überzeugt. Grundsätzlich wäre es gut, wenn das Volk in möglichst vielen Mitgliedstaaten über die neue Verfassung abstimmen könnte. Schicksalsfragen des europäischen Kontinents sollten nicht in abgedunkelten Räumen entschieden werden.

BILD am SONNTAG: Die EU ist auch eine Wertegemeinschaft. Darf ein Bezug auf Gott im europäischen Grundgesetz fehlen?

Jean-Claude Juncker: Europa ist wesentlich vom Christentum geprägt worden. Ein Gottesbezug würde mich als Christdemokrat nicht stören. Ich respektiere aber, dass andere Staaten das nicht wollen - und möchte keinen Glaubenskrieg provozieren. Man kann in Europa an Gott glauben, ohne dass er in der Verfassung steht. Gemeinsam mit Deutschland und Frankreich wirbt Luxemburg für eine "Europäische Sicherheits und Verteidigungsunion".

BILD am SONNTAG: Soll die EU in Konkurrenz zur NATO treten?

Jean-Claude Juncker: Keine Sorge, wir planen keinen Putsch gegen die NATO oder die Vereinigten Staaten. Unabhängige Verteidigungsstrukturen halte ich für ein Stück europäischer Normalität. Es liegt in unserem Interesse, selbst entscheiden zu können, wovon wir uns bedroht fühlen und was wir dagegen unternehmen. Wirtschaftlich hat sich Deutschland vom Musterknaben zum Sorgenkind Europas entwickelt... . .. was auch wir in Luxemburg zu spüren bekommen. Deutschland trägt nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern für die gesamte Euro-Zone. Wenn der deutsche - und der französische - Wirtschaftsmotor nicht bald anspringt, schlittert ganz Europa in die Rezession.

BILD am SONNTAG: Was muss in Deutschland passieren?

Jean-Claude Juncker: Neben Strukturreformen im Gesundheits- und Rentensystem halte ich das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe für unverzichtbar.

BILD am SONNTAG: Ist es klug, die Steuersenkung auf Pump zu finanzieren?

Jean-Claude Juncker: Ich möchte mich nicht in die Finanzierungsdebatte einmischen. Nur so viel: Wer Wachstum stimulieren will, darf die Maastricht-Grenze für das Staatsdefizit nicht als allein selig machendes Gebot begreifen.

BILD am SONNTAG: Sie geben den Euro-Stabilitätspakt auf?

Jean-Claude Juncker: Keineswegs. Haushaltsdisziplin ist wichtig. Es muss aber möglich sein, mit den eisernen Regeln von Maastricht vorübergehend lockerer umzugehen. Dies kann toleriert werden, wenn die Staaten folgende Verpflichtung eingehen: Sobald die Konjunktur wieder anspringt, werden die Mehreinnahmen für Schuldenabbau verwendet.

BILD am SONNTAG: Politiker aus Luxemburg haben Europa entscheidend mitgeprägt. Ihnen werden gute Chancen auf den neuen Posten an der Spitze des Rates eingeräumt. Wollen Sie Präsident von Europa werden, HerrJuncker?

Jean-Claude Juncker: Das entspricht nicht meinen Plänen. Im Juni 2004 kandidiere ich wieder bei den Parlamentswahlen in Luxemburg. Wenn ich aus dem Ergebnis ablesen kann, dass die Luxemburger ihren Premierminister behalten wollen, werde ich sie nicht enttäuschen.

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