Fernand Boden: Eine Agrarpolitik, die zu Überschüssen führt, ist schwer zu vertreten. Le ministre de l'Agriculture au sujet de la politique agricole

Luxemburger Wort: Letztes Jahr hatten wir Sie nach der Zukunft der Luxemburger Landwirtschaft gefragt. Sie sagten, es gebe gute Perspektiven, die Qualität der Produkte sei ausgezeichnet, die Struktur der Betriebe gut. Laut Statec hat die Landwirtschaft aber im Laufe des Jahres an Bedeutung verloren. Ihr Anteil am BIP ging erneut um einige Prozentpunkte zurück. Sind Sie noch immer der Auffassung, dass die Zukunftsperspektiven ausgezeichnet sind?

Fernand Boden: Ich sehe keinen Widerspruch zwischen meinen Aussagen vor einem Jahr und dem Rückgang des Anteils der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt, auch wenn ich es lieber sehen würde, wenn dieser Anteil zunehmen würde. Wir müssen uns allerdings bewusst sein, dass der Anteil der Landwirtschaft am BIP von zwei Faktoren abhängig ist: der Wertschöpfung der Landwirtschaft und des BIP.

Die Wertschöpfung der Landwirtschaft unterliegt natürlich Schwankungen, ist jedoch über die letzten zehn Jahre weitestgehend konstant geblieben, wobei wir 2002 sicherlich einen gewissen Rückgang, vor allem als Folge der Schweinepest, feststellen mussten.

Das BIP in Luxemburg kennt hingegen, mit Ausnahme der beiden letzten Jahre, hohe Steigerungsraten, und so ist es leider normal, dass der Anteil der Landwirtschaft am BIP abnimmt.

Was die Zukunftsaussichten anbelangt, so bin ich weiterhin der Meinung, dass diese gut sind, auch wenn die Landwirtschaft vor großen Herausforderungen steht.

Die Reform der europäischen Agrarreform bringt auch die Luxemburger Landwirtschaft unter Zugzwang. Wie muss sie sich verändern?

Fernand Boden: Die Reformentscheidungen bestehen aus mehreren Elementen, von denen die so genannte Entkopplung der direkten Beihilfen des ersten Pfeilers, also der bisher produktionsabhängigen Beihilfen, sicherlich die größte Veränderung darstellt. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Beihilfen, die zur Zeit im Rahmen des zweiten Pfeilers gewährt werden, also insbesondere Erstinstallierungs- und Investitionsbeihilfen, Agrarumweltmaßnahmen, Landschaftspflegeprämie und Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, von der Entkopplung nicht betroffen sind und in der jetzigen Form bestehen bleiben. Diese letzteren Beihilfen stellen in Luxemburg übrigens einen weitaus höheren Prozentsatz der Gesamtbeihilfen dar als in den meisten anderen Ländern der EU.

Für die entkoppelten Beihilfen wird die so genannte Cross-Compliance eingeführt, das heißt, dass nur derjenige Landwirt die Zahlungen in vollem Umfang erhält, der auch die bestehenden Auflagen in den Bereichen Tierschutz, Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit erfüllt.

Schließlich wurde bei der Milch beschlossen, die Interventionspreise für Butter und Magermilchpulver ab 2004 in mehreren Schritten um 25 bzw. 15 Prozent zu senken. Wenn diese Senkungen voll auf den Erzeugerpreis durchschlagen, werden sie zu etwas weniger als 60 Prozent durch direkte Beihilfen kompensiert. Sind die Absatzwege der Molkerei stärker auf den Markt ausgerichtet, muss dies jedoch nicht der Fall sein. Wir brauchen also einen starken, wettbewerbsfähigen Verarbeitungssektor, der Märkte erschließt, die zukunftsträchtig sind. Hier zu Lande dürfte dies auch weiterhin die verstärkte und konsequente Ausrichtung auf die Produktion von regionalen Qualitätsprodukten sein. In jedem Fall müssen aber auch die landwirtschaftlichen Betriebsleiter ihre Kostenstrukturen genau analysieren, um so bestehende Reserven zu nutzen. Hier ist ebenfalls die Beratung auf allen Ebenen gefordert.

Die Entkopplung bringt mit sich, dass die einzelnen Produktionsbereiche immer weniger direkt unterstützt werden. Im Rindfleischsektor wird dies wahrscheinlich zu einer Marktentlastung führen und gegebenenfalls mittelfristig zu positiven Preisentwicklungen. Mittel- und langfristig sehe ich für die Luxemburger Landwirte, die ihre Produktionskosten im Griff haben und marktorientiert produzieren, durchaus Perspektiven, wenn es uns gelingt, den Verarbeitungsbereich zu stärken und zu modernisieren. Wir dürfen da nicht allzu sehr vom Ausland abhängig werden, sondern möglichst gemeinsam alles tun, um hier zu Lande Mehrwert und Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Preise sollen auf allen landwirtschaftlichen Produkten gesenkt werden, damit die Agrarerzeugnisse aus Europa mit den Weltmarktpreisen konkurrieren können. Wie soll der Landwirt das bewerkstelligen, wenn man gleichzeitig von ihm mehr und mehr Qualität verlangt?

Fernand Boden: Die im Juni beschlossene Reform begreift nur für die Milch Senkungen der Interventionspreise, in anderen Worten der garantierten Preise. Der Markt muss dieser Entwicklung jedoch nicht unbedingt oder nicht im vollem Ausmaß folgen. Es gibt Beispiele, insbesondere im Rindfleischbereich, wo die Interventionspreise gesenkt wurden, die Marktpreise jedoch stabil blieben, insbesondere bei Qualitätsprodukten. Es geht also darum, die garantierten Preise so zu gestalten, dass Überproduktion, die wir nur mit Subventionen auf dem Weltmarkt absetzen können, nicht angekurbelt wird und dass der Landwirt ein Produkt herstellt, das der Markt verlangt.

Es stimmt, dass die Ansprüche und Anforderungen an die Produkte und an die Landwirte höher werden. Der Verbraucher muss dies auch honorieren. Ansprüche werden auch von der Gesellschaft gestellt: Umweltschutz, Tierschutz, Lebensmittelsicherheit, Landschaftspflege. Diese werden nicht oder nur ungenügend über den Markt entgolten.

Warum müssen wir unsere Preise überhaupt anpassen? In den Augen vieler Landwirte sind Welthandelsorganisation und Europäische Kommission ein Haufen weltfremder Funktionäre. Wie würden Sie den Landwirten die Notwendigkeit der Liberalisierung der Agrarmärkte tiberzeugend erklären?

Fernand Boden: Ziel der Reform ist es, die gemeinschaftliche Agrarreform so zu gestalten, dass sie noch stärker als bisher den Ansprüchen der Verbraucher und der Landwirte gerecht wird, und dies mit Instrumenten, die auch im internationalen Umfeld vertretbar sind. Die in der Reform beschlossenen entkoppelten Beihilfen sind nicht handelsverzerrend und sollen eine extensive Landwirtschaft fördern. Eine Agrarpolitik, die zu Überschüssen führt, die mit Exporterstattungen auf dem Weltmarkt abgesetzt werden, ist schwer zu vertreten. Wir müssen diesen Effekt mindern. Die Reformen werden dies tun.

Ihr Wunsch ist, die Vermarktung der Luxemburger Produkte besser zu bewerkstelligen. Welche Maßnahmen wurden bislang getroffen, welche stehen noch an?

Fernand Boden: Das Agrargesetz und seine Ausführungsbestimmungen sehen einerseits Maßnahmen vor zur Verbesserung der Verarbeitung und der Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte und andererseits Maßnahmen zur Vermarktung von Qualitätsprodukten. In meinen Augen steht der Rahmen zur Förderung von Initiativen in diesem Bereich.

Centralmarketing und Cepal durchlaufen derzeit eine schwierige Phase. Wird der Staat der landwirtschaftlichen Vermarktungsorganisation unter die Arme greifen?

Fernand Boden: Dadurch, dass Luxlait seine Zusammenarbeit aufgekündigt hat, schrumpfte der Umsatz des Unternehmens zur Hälfte. Ein Unternehmen, das 500 Angestellte beschäftigt, kann nicht so ohne weiteres allein gelassen werden, wenn gravierende Probleme auftreten. Die Regierung kam mit Cepal zusammen und hat auch die Kurzarbeit zugestanden. Im Rahmen der Gesetze, die bestehen, will die Regierung dem Unternehmen unter die Arme greifen. Verhindert werden soll, dass Angestellte entlassen werden müssen oder schlimmstenfalls der Betrieb eingestellt werden muss. Die Landwirte, die vor 50 Jahren das Agrocenter schufen, wollten den Landwirt als Bestandteil der Handelskette stärken. Die Idee eines solchen genossenschaftlichen Apparates ist mehr denn je aktuell.

Leider aber haben sich die Landwirte in verschiedene Gremien aufgegliedert, während die Nahrungsmittelindustrie sich mehr und mehr konzentriert hat.

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