Le Premier ministre Jean-Claude Juncker au sujet du 10e anniversaire du Traité de Maastricht

DNR: Herr Staatsminister. Als der Vertrag von Maastricht vor zehn Jahren in Kraft trat, wurde von einem historischen Moment gesprochen. Es hieß, die europäische Einigung erhalte durch die Wirtschafts- und Währungsunion und den Vertrag über die Europäische Union eine neue Qualität. Ist Maastricht für Sie eine "success story"?

Jean-Claude Juncker: Ich mag dieses Wort nicht sonderlich und würde eher von einem zur Realität gewordenen ehrgeizigen Projekt reden. Wenn ich darüber nachdenke und ehrlich bin, dann muss ich nämlich zugeben, dass wir Anfang der neunziger Jahre große Zweifel hatten, ob wir den Euro bis zum Ende des Jahrzehnts auf den Beinen hätten. Dass wir es zustande gebracht haben, beweist jedoch, dass es den Europäern immer wieder gelingt, sich selbst und den Rest der Welt zu überraschen wenn sie einen gefestigten Ehrgeiz zeigen. Man darf nicht vergessen, dass die Hälfte der im Augenblick amtierenden Regierungschefs in der EU den Euro anfangs bekämpft haben. Wenn ich also die Skepsis messe, die beim Inkrafttreten des Vetrags geherrscht hat, und den Erwartungshorizont jener Hauptprotagonisten berücksichtige, die den Vertrag zustande gebracht haben, dann bin ich rückblickend beeindruckt.

DNR: Beeindrucken Sie denn nicht die Zweifel die es auch heutzutage noch am Vertrag von Maastricht gibt? Der Euro, der als zusätzliches Wachstumselement gepriesen wurde, konnte nicht verhindern, dass die europäischen Volkswirtschaften lahmen. In den Köpfen der Verbraucher wird zudem der Euro immer noch als Teuro empfunden!

Jean-Claude Juncker: Was die Teuro-Diskussion anbelangt, so mag das ein Teil der Realität sein. Es gab vereinzelte Wirtschaftszweige, die von der Währungsumstellung profitiert haben. Allerdings konnte ein regelrechter Inflationsschub nicht gemessen werden, so dass man unterscheiden muss zwischen effektiver und gefühlter Inflation.

Es ist richtig, dass gesagt wurde, der Euro könne ein zusätzliches Wachstumselement sein. Die heutige Realität ließe einen also vermuten, dass dies eine Lüge war oder dass etwas schief gelaufen ist. Man sollte sich jedoch nur einen Moment vorstellen, wie die Realität aussehen würde, wenn wir den Euro seit 1999 nicht gehabt hätten und uns noch im Europäischen Währungsystem befänden. Hätte es keinen Euro gegeben, dann wäre es nach den Kriegen im Kosovo und im Irak und nach den Finanzkrisen in Asien, Russland und Lateinamerika zu Ab- und Aufwertungen im EWS gekommen, mit allen Konsequenzen die wir von solchen Vorgängen aus der Vergangenheit kennen. Wir hätten also noch weniger Wachstum wenn der Euro uns nicht geschützt hätte.

DNR: Hat der Euro also die Auswirkungen der augenblicklichen Krise abgefedert?

Jean-Claude Juncker: Der Euro wirkte wie eine kleine Festung um die europäische Wirtschaft. Trotzdem muss gesagt werden, dass wir nicht alles richtig getan haben. Die Koordination der Wirtschaftspolitk - als wesentlicher Bestandteil des Maastricht Vertrags - wurde nicht mit dem nötigen Eifer betrieben. Der Euro ist eine gute Sache, aber die ihn begleitende Politik muss besser werden.

DNR: Ein wichtiger Teil des Maastricht Vetrags sind die Euro-Stabilitätskriterien. Länder wie Deutschland, Frankreich oder Italien haben im Augenblick Probleme, sich daran zu halten. Inwiefern ist dies eine Belastung für den Stabilitätspakt ? Ist es vielleicht übertrieben, das Überleben des ganzen Paktes am zeitweiligen Nicht-Respektieren eines Kriteriums festzumachen?

Jean-Claude Juncker: Mit dem Stabilitätspakt und seinen Kriterien hatte ich genug zu tun um zu wissen, dass nie daran gedacht wurde diese Kriterien strikt, automatisch, fetischistisch und mechanisch anzuwenden. Das wurde so deutlich nie gesagt, damit niemand auf die Idee käme, sie nicht einzuhalten.

Man muss hier ein wirtschaftliches Denken anwenden. Deutschland, Frankreich und Italien produzieren 75 Prozent des Bruttoinlandprodukts des Euroraums. Wenn wir diese drei Länder zwingen, ihre Investitionsausgaben zu kürzen, dann rauben wir uns die kleine Chance für frisches Wachstum. Wenn wir also den Konjunkturknick überwinden möchten, dann müssen wir diesen Ländern erlauben - in einem festen Vertragssystem und unter der Voraussetzung, dass sie Pläne vorlegen, wie sie zum Beispiel bestimmte Reformen zu tun gedenken - die Regeln vorübergehend nicht zu befolgen.

DNR: Wie weit darf denn mit den Stabilitätskriterien "gespielt" werden, damit sie einerseits mögliches Wachstum nicht bremsen oder andererseits den Pakt sprengen?

Jean-Claude Juncker: Man darf nicht zulassen, dass die Länder wieder haushalten, als ob sie nicht zum Euro-System gehörten. Deutschland und Frankreich müssen also unter dem Eindruck gehalten werden -  und das werden sie - dass sie die Kriterien einhalten und möglichst schnell alles unternehmen müssen, um wieder in die Nähe der Kriterien zu kommen.

Gäbe es die Kriterien nicht, dann sähe übrigens die Haushaltssituatioun in Deutschland und Frankreich noch verheerender aus. In diesem Fall könnte nämlich niemand beide Länder daran hindern, eine egoistische Wirtschaftspolitik zu betreiben, die Überschuldung anzutreiben und somit den Euro zu schwächen. Man darf also die pädagogische Dynamik, die es mittlerweile in den EU-Finanzministerräten gibt, nicht unterschätzen.

DNR: Muss der Stabilitätspakt verbessert, angepasst, verändert werden?

Jean-Claude Juncker: Der Pakt muss in einzelnen Punkten überarbeitet werden. Ich bin jedoch dagegen, dass dies zu diesem Zeitpunkt passiert. Wenn wir in diesem Moment, in dem einige Länder den Pakt nicht einhalten können, an ihm schrauben, dann entsteht auf den ausländischen Finanzmärkten und unter den nicht-europäischen Investoren der Eindruck, als passten wir die Stabilitätsregeln der jeweiligen Lage an. Dies wäre eine Vertrauenskrise für das ganze Euro-System. Wenn wir jedoch wieder den Punkt erreichen, an dem die Euro-Länder sich deutlicher in Rahmen des Pakts bewegen, werde ich zu den Ersten gehören, die für eine Reform plädieren werden. In vielen Punkten verstößt er einfach gegen den gesunden Menschenverstand.

DNR: Herr Staatsminister, wir bedanken uns für dieses Gespräch.

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