Entwicklungshilfe gegen Menschenhandel. Frauenministerin Marie-Josée Jacobs über das Artistinnen-Visum, das schwedische Modell und die internationale Bekämpfung des Menschenhandels

Télécran: Im Ausland wurde Luxemburg in den letzten Jahren mehrmals als Drehscheibe des Frauenhandels bezeichnet, dies vor allem wegen des so genannten Artistinnen-Visums. Warum hält Luxemburg an diesem System fest?

Marie-Josée Jacobs: Dieses spezielle Visum wird tatsächlich vom Ausland teilweise scharf kritisiert. Zu behaupten, Luxemburg sei deshalb eine Drehscheibe des Frauenhandels, ist allerdings nicht annehmbar. Andere Länder haben das Recht, Frauen mit einem luxemburgischen Visum ins Großherzogtum abzuschieben. Allerdings wurde in den letzten Jahren kein einziger solcher Fall verzeichnet. Luxemburg fördert Frauenhandel nicht mehr als andere Länder.

Ob unser Visum-System nun gut oder schlecht ist, darüber lässt sich streiten. Es vereinfacht die Einreise in unser Land. Doch auf der anderen Seite hat es einen großen Vorteil: Wir können kontrollieren, welche und wie viele Frauen sich wann und wo hier aufhalten. Die Frauen befinden sich nicht in kompletter Illegalität, ohne unser Wissen, in unserem Land.

Télécran: Könnten Sie sich vorstellen, dass Luxemburg den Weg Schwedens geht und ein ähnliches Gesetz wie das "über das Verbot des Erwerbs sexueller Dienste" annehmen wird?

Marie-Josée Jacobs: Ich halte die schwedische Politik für sehr innovativ und würde es begrüßen, wenn wir in diese Richtung gehen könnten. Allerdings muss man bedenken, dass eine solche Politik nur funktionieren kann, wenn die Bevölkerung dahinter steht.

Die schwedischen Behörden sind auf Informationen aus der Bevölkerung angewiesen, um den Drahtziehern das Handwerk zu legen. In Luxemburg wäre dazu noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig.

Doch auch in Luxemburg ist das Thema bei weitem kein Tabu mehr. Zahlreiche öffentliche Diskussionsrunden haben die Menschen in den letzten Jahren dafür sensibilisiert. Luxemburg hat sich aber vor allem seit der EU-Ratspräsidentschaft 1997 an internationalen Projekten wie "Daphne" beteiligt und arbeitet mit nationalen und internationalen NGOs zusammen, um den schrecklichen Menschenhandel zu bekämpfen.

Télécran: Was kann man Ihrer Meinung nach tun, um das Problem des Frauenhandels in den Griff zu bekommen?

Marie-Josée Jacobs: Es ist schwierig, etwas gegen Menschenhandel zu unternehmen, weil die Banden, die den Handel organisieren, skrupellos sind und keine Gesetze kennen. Sie setzen die Opfer unter Druck und verhindern somit, dass diese aussagen. Die Frauen lassen sich manipulieren, weil in ihren Herkunftsländern Perspektivlosigkeit, Armut und Hunger herrschen. Wir müssen demnach in der Entwicklungshilfe ansetzen. Wenn wir verhindern können, dass die Frauen ihre Heimat verlassen, weil es ihnen dort schlecht geht, dann sind wir auf dem guten Weg, den Handel zu unterbinden. Andererseits müssen wir auch bei unseren Kindern ansetzen und ihnen früh klar machen, was es für Frauen bedeutet, sich zu prostituieren. Die Frauen befinden sich in schrecklichen Situationen und verkaufen das wichtigste, was sie haben - ihren Körper und ihre Seele. Das Angebot kann man nur abschaffen, wenn keine Nachfrage mehr besteht.

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