Henri Grethen: Wettbewerbsfähige CFL oder soziales Problem. Transportminister Henri Grethen über Güterverkehr im Norden und die Zukunft der Bahn

Luxemburger Wort: Herr Transportminister, heftig kritisiert der Landesverband den "geplanten Personalabbau" beim Güterverkehr auf der CFL-Nordstrecke. Die christliche Eisenbahnergewerkschaft Syprolux erklärte sich solidarisch. Was ist denn nun Sache auf der Nordstrecke?

Henri Grethen: Bei der Bahn steht die Wahl der Zentraldelegation an. Der Präsident des Landesverbands ist auch Kandidat für die Kammerwahlen. In diesen Kontext setze ich diese Protestaktion.

Und in der Sache ...

Henri Grethen: ... muss die CFL in einem europäischen Umfeld arbeiten, das sich verändert. In Zukunft kann man nicht mehr egal was, egal wie machen. 2008 laufen national einzelne gesetzliche Bestimmungen aus, die die Beziehungen zwischen Staat und CFL regem. 2008 laufen aber auch EU-Regel an, die Konsequenzen für die Bahn in Luxemburg haben werden.

Die CFL arbeitet deshalb zurzeit an einer neuen Strategie ...

Henri Grethen: Bereits im Oktober 1999 habe ich die CFL gebeten, mir eine Zukunftsstrategie auf mittlere und auf lange Sicht vorzulegen. Die CFL-Direktion arbeitet daran. Wir haben darüber diskutiert. Der Verwaltungsrat wird demnächst darüber entscheiden.

Können Sie konkreter werden? Auch in Sachen Güterverkehr.

Henri Grethen: Wir sind über das Fact-Finding-Stadium hinaus. Beim Güterverkehr fahren wir im Jahr 29 Millionen Euro Verlust ein. Beim Bustransport haben wir ein Defizit zwischen zehn und elf Millionen Euro im Jahr. Wir müssen also wettbewerbsfähiger werden.

Wie könnte die neue Strategie denn in Sachen Güterverkehr aussehen?

Henri Grethen: Auf der einen Seite muss die Bahn den Unternehmen sagen, dass die jetzigen Tarife zu niedrig sind. Auf der anderen Seite muss die CFL auch ihre eigene Produktivität steigern.

Wann wird das neue Strategiepapier auf dem Tisch liegen?

Henri Grethen: Ich hoffe doch, dass das in zwei, drei Monaten der Fall sein wird.

Verstehen Sie die Gewerkschaften in diesem Dossier?

Henri Grethen: Ich verstehe natürlich die Nervosität der Gewerkschaften. Aber ich muss vor allem die Zukunft vorbereiten. Es bringt nichts, den Kopf im Sand zu verstecken: 2008 kommt. Und wir müssen darauf vorbereitet sein.

Was bedeutet dies konkret für den Güterverkehr auf der CFLNordstrecke?

Henri Grethen: Die CFL-Direktion hat von einer Reorganisation der internen Strukturen gesprochen. Ich kann dies nur bestätigen. Es ist dabei nicht hilfreich, CFL-Interna in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Sie kritisieren also die Protestveranstaltung der Gewerkschaften in Ettelbrück?

Henri Grethen: Der Schuss könnte nach hinten losgehen. Dabei will ich noch einmal betonen, dass es vor allem der Landesverband war, der vorgeprescht ist.

Aber auch der neue Bürgermeister von Ettelbrück, Jean-Paul Schaaf, hat sich etwa mit den Eisenbahnern solidarisch gezeigt. Verschwinden Arbeitsplätze bei der Bahn in der Patton-Stadt?

Henri Grethen: Wenn Abteilungen leistungsfähiger werden sollen, geht das nicht ohne die eine oder andere Maßnahme. Aber was wo und wie geschieht, kann man heute noch nicht sagen.

Aber verfügt die CFL generell über zu viel Personal?

Henri Grethen: Es gibt bei der CFL Abteilungen, in denen Personal abgebaut werden muss. Es gibt aber auch Abteilungen, die zusätzliches Personal benötigen.

Besteht nicht ein gewisser Widerspruch im Abbau des Güterverkehrs auf der Nordstrecke und in der wirtschaftlichen Dezentralisierungspolitik der Regierung?

Henri Grethen: Dieser Regierung kann man ja nun wirklich nicht den Vorwurf machen, sie hätte nicht wirtschaftlich dezentralisiert. Der Norden wurde wirtschaftspolitisch nicht vernachlässigt. Die Industriezone in Lentzweiler ist voll. In Hosingen entwickeln wir mit Erfolg eine regionale Zone.

Und in Wiltz?

Henri Grethen: Da sind die Regeln klar: Ich bin einverstanden, dass wir aus der Wiltzer Industriebrache eine nationale Zone machen. Aber es soll ja nun eher in Richtung interkommunale Zone gehen. Ich warte noch immer auf die Entscheidung der Gemeinden Wiltz und Winseier. Übrigens haben wir rund 30 Millionen Euro in die Modernisierung der Strecke Wiltz-Kautenbach gesteckt. Das ist doch kein Pappenstiel.

Wehret den Anfängen, sagen die Gewerkschaften. Doch die Nordstrecke als solche ist nicht in Gefahr?

Henri Grethen: Nein. Absolut nicht. Es kann höchstens sein, dass gewisse Aktivitäten, wie etwa der Güterverkehr, nur noch unter bestimmten Bedingungen durchgeführt werden.

Welche Bedeutung kommt der Nordstrecke eigentlich im Hinblick auf das europäische TGV-Netz zu?

Henri Grethen: Die Nordstrecke ist Teil einer Verbindung zwischen Liège und Metz über Luxemburg. Und somit auch zwischen den TGV-Verbindungen nach Nord- und Südeuropa. Diese Idee müssen wir noch entwickeln.

Immer mehr Güterverkehr geht von der Schiene auf die Straße. Begrüßen Sie diese Entwicklung eigentlich?

Henri Grethen: Je mehr Güterverkehr auf der Schiene ist, desto besser. Aber ich kann ja niemanden zwingen.

Ist vielleicht der Lastwagen-Transport zu billig?

Henri Grethen: Das ist so eine Sache: Die Bahn kann einfach nicht alles transportieren. Sie ist wettbewerbsfähig für große Ladungen. Bei vielen kleinen Ladungen ist sie das nicht.

Aber auch langfristig ist für Sie – und da spreche ich jetzt den Staat als Aktionär der CFL an – der Güterverkehr Teil des Kerngeschäfts der Bahn?

Henri Grethen: Ja, der Güterverkehr ist Teil des Kerngeschäfts der CFL. Dabei macht aber der Stahltransport zwischen 75 und 80 Prozent des Umsatzes aus. Hinzu kommt, dass Arcelor auch 25 Prozent des belgischen Güterverkehrs und knapp sieben Prozent des französischen in Auftrag gibt. Dieser Kunde kann sich schon morgen anders organisieren und alle Transporte bei der belgischen Bahn ordern. Dies ist ja demnächst in Europa möglich. Wir als Land müssen dafür unser Schienennetz zur Verfügung stellen. Aber wir können niemanden zwingen, mit der CFL zu fahren. Deshalb brauchen wir eine wettbewerbsfähige Eisenbahn. Sonst kriegen wir ein soziales Problem. Und das will ich nicht!

Stellen die neuen Güterkorridore in Belgien und Frankreich eigentlich eine ernstzunehmende Gefahr dar?

Henri Grethen: Wir haben Abkommen mit Belgien und Frankreich, dass dies nicht der Fall sein wird. Lediglich der zusätzliche Verkehr soll über die neuen Strecken laufen.

Bleiben Subventionen an den Güterverkehr aber auch nach 2008 möglich?

Henri Grethen: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das hängt auch von der nächsten Kommission ab. Aber wenn es möglich sein sollte, können wir nicht nur die CFL subventionieren. Dies muss dann auch für ausländische Unternehmen gelten.

Ist diese Liberalisierung der Bahn eigentlich eine gute Sache?

Henri Grethen: Ich habe sie nicht erfunden. Wir haben in Brüssel zusammen mit Belgien und Frankreich gegen das Zweite Bahnpaket gestimmt. Wir brauchten dringender gemeinsame soziale und sicherheitstechnische Mindeststandards und Normen.

Was halten Sie von der Syprolux-Idee einer CFL-Tripartite?

Henri Grethen: Sie ist im Moment verfrüht. Der Staat sitzt ja schon als Aktionär in einer Bipartite mit den Gewerkschaften am Tisch.

Ist die CFL für Sie eigentlich ein Unternehmen, wie jedes andere auch?

Henri Grethen: Noch nicht, aber die Bahn muss in diese Richtung gehen. Sonst hat sie keine Überlebenschance. Wissen Sie, die Dinosaurier sind ausgestorben.

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