Jean-Claude Juncker sur le résultat du Conseil européen de Bruxelles et les perspectives financières de l'Union européenne de 2007 à 2013

WDR: Finanzielle Vorausschau heißt etwas harmlos der Finanzplan der EU für die Jahre von 2007 bis 2013 über den in den kommenden Monaten verhandelt werden muss, wofür die sechs Nettozahler jetzt erst mal einen Pflock eingerammt haben. Schwierig werden die Verhandlungen sowieso, nach dem Scheitern der Verfassung erst recht, und beendet werden sollen sie im Frühjahr 2005 unter dem Vorsitz Luxemburgs. Dessen Regierungschef Jean-Claude Juncker fragte ich heute, ob der Brief der Sechs nach dem gescheiterten Gipfel eigentlich der richtige Vorstoß gewesen sei.

Jean-Claude Juncker: Also die Initiative war schon vor dem Gipfel geplant, weil man hatte mich gebeten, diesen Brief mit zu unterschreiben. Das habe ich nicht gemacht, weil die Kommissionsvorschläge noch nicht bekannt sind und weil die Finanzierungsfrage im ersten Halbjahr 2005 endgültig geklärt werden muss. Dann ist Luxemburg im Vorsitz der Europäischen Union. Ich wollte mich nicht in einem Lager einsperren lassen. Ansonsten sollte man nicht wieder den Fehler machen, in diesem Lager oder in jenem Lager sich schon wieder fest vorzulehnen.

WDR: Ist das ein Beitrag halt zur Spaltung der EU?

Jean-Claude Juncker: Nein. Dies reflektiert eine Debatte zwischen Nettozahlern, zu denen wir auch gehören, und Nettoempfängern. Die hat Tradition in der Europäischen Union. Insofern ist das kein, wie man im Neudeutschen sagt, regelrechtes "Event".

WDR: Sie haben hier am Wochenende beim Gipfel aus Ihrer Enttäuschung keinen Hehl gemacht, auch ein Kerneuropa in Erwägung gezogen. Wie ernst muss man solche Erwägungen nehmen? Wie praktisch ist so etwas eigentlich möglich?

Jean-Claude Juncker: Diese Erwägungen sind keine Drohungen. Kerneuropa, Europa der zwei Geschwindigkeiten, Europa der variablen Geometrie, dies können keine Ziele an sich sein. Dies ist nicht die Finalität die wir anstreben, aber sehr wohl könnte sich die Konsequenz ergeben, wenn einige oder mehrere sich weigern an der europäischen Streckenführung festzuhalten, dass Kerneuropa die notwendige logische Antwort derer wäre, die gewillt und im Stande sind schneller integrationsweiterführende Schritte zu setzen.

WDR: Haben Sie sich einen Zeitraum gesetzt, bis zu dem Sie das entscheiden wollen, ob Sie ein Kerneuropa, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten in Kauf nehmen?

Jean-Claude Juncker: Ich bin sehr dafür, dass wir jetzt eine Denkpause einlegen, jeder in seiner Ecke und alle gemeinsam und zusammen. Es wird sich in den nächsten Wochen und Monaten ergeben, ob - ja oder nein - die europäische Streckenführung für alle noch gilt oder ob einige die nächste Abfahrt nutzen möchten, um wieder in nationalen Gefilden zu landen. Sollte sich dies schnell herausstellen, dann wird es ohne jeden Zweifel eine Frage der sofortigen Prüfung sein, ob man in Richtung Kerneuropa aufbricht oder ob man versucht, um es ein bisschen salopp zu formulieren, den Laden zusammenzuhalten. Wir sollten jetzt miteinander im Gespräch bleiben, ruhig, kontrovers diskutieren und dann die Schlussfolgerung ziehen, wenn sie sich aufdrängt. Sie drängt sich jetzt noch nicht auf.

WDR: Vielen Dank.

Dernière mise à jour