Interview mit der Außenministerin über den EU-Gipfel in Brüssel

Deutschlandfunk: Guten Morgen, Frau Polfer!

Lydie Polfer: Guten Morgen!

Eine starke Erklärung gegen den Terrorismus wird von den Regierungschefs erwartet, aber rechnen Sie auch mit konkreten Schritten?

Lydie Polfer: Ja ich glaube schon. Das was wir auf dem Tisch liegen haben, wie Sie gesagt haben, ist schon sehr konkret, und ich bin mir sicher, dass die Regierungschefs auch heute zu einer Einigung darüber kommen werden. Die Justiz- und Innenminister sowie auch die Außenminister haben das schon überarbeitet, vervollständigt, und es sind dort schon konkrete Schritte vorgesehen.

Was denn im Einzelnen?

Lydie Polfer: Ganz klar natürlich zuerst eine verbesserte Zusammenarbeit der Polizeikräfte und der Sicherheitskräfte. Es gibt ja sehr vieles schon, nur was fehlt ist die engere Zusammenarbeit. Da geht es natürlich auch um den politischen Willen und der glaube ich oder hoffe ich wenigstens ist da.

Also eine Angleichung von Ermittlungen und auch die Sicherheitsgesetze und eine bessere Koordination der Geheimdienste? Wird das tatsächlich kommen?

Lydie Polfer: Absolut! Koordination ist vielleicht zu viel gesagt, aber ein Zusammentragen der Fakten, denn darum geht es ja. Viel ist ja schon gewusst, nur es zusammenzutragen und es zusammen auch auszuwerten, um möglichst wirksam vorgehen zu können, da könnte noch viel gemacht werden und ich hoffe, dass dies heute ganz klar zum Ausdruck kommt.

Das ist vielfach die Aufgabe der Innen- und Justizminister. Was können denn die Außenminister konkret zu Anti-Terror-Maßnahmen tun?

Lydie Polfer: Die Sicherheitsstrategie, die sich die Europäische Union unter Solana ja auch gegeben hat, sieht ja ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, wie man den Terror bekämpfen kann. Es geht ja hier nicht nur um militärische Mittel, auch nicht nur um polizeiliche; es ist eben auch die politische Ebene. Da steht auch einerseits schon der Kampf gegen Armut, aber besonders auch um die ungelösten politischen Konflikte, die es gibt, und besonders im mittleren Osten, natürlich im Mittelpunkt unseres Interesses.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU wurde in den letzten Jahren arg gebeutelt durch den Irak-Konflikt und die uneinheitliche Haltung dort. Wird denn nun durch den Terrordruck die EU in diesem Bereich wieder handlungsfähiger?

Lydie Polfer: Ich hoffe es und es sieht auch so aus. Das letzte Jahr war in dem Sinne ein schwieriges Jahr, weil wir in der Analyse ziemlich getrennt waren, aber die Herausforderungen, die auf uns zukommen, zwingen uns einfach - so sehe ich es auf jeden Fall -, enger zusammenzuarbeiten. Denn niemand, so groß man ist, kann das alleine in den Griff bekommen, aber auch kein Land, so klein es ist, kann sich seiner Verantwortung entziehen.

Nun hat gerade London immer darauf bestanden, dass die Außenpolitik ein nationales Recht bleibt, zur Not die gemeinsame Politik mit Vetorecht blockiert werden darf. Wird denn nun Großbritannien Ihrer Einschätzung nach einlenken?

Lydie Polfer: Das werden wir auch noch sehen in den Diskussionen um die europäische Verfassung, die ja nach diesem Gipfel auch in eine neue Phase kommen werden. Es geht vor allem darum, den politischen Willen zu haben, besser zusammenzuarbeiten. Ich glaube auch Großbritannien kann sich dem nicht entziehen. Dass sie auch sehr wirkungsvolle und effiziente Mittel haben, das ist gewusst, und ich glaube schon, dass ihr Wille mitzuarbeiten auch gegeben ist.

Sie haben es angesprochen; das ist auch ein Thema im Ringen um die europäische Verfassung. Also Sie rechnen damit, dass Großbritannien möglicherweise hier der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik doch mehr Raum zugestehen will?

Lydie Polfer: Es geht ja darum, geht man in die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit oder mit Einstimmigkeit. Ich glaube nicht, dass Großbritannien wirklich von der Einstimmigkeit wegkommen wird, aber Einstimmigkeit heißt ja nicht unbedingt, dass man nicht zu einer Einigung kommen kann. Es heißt nur, dass die Interessen eines jeden berücksichtigt werden müssen. In dem Sinne erhoffe ich mir eben eine bessere und engere Zusammenarbeit.

Bei der gemeinsamen europäischen Verfassung geht es auch um die Frage der Stimmengewichtung. Dort gab es zuletzt ja heftigen Widerstand Polens und Spaniens. Spanien hat nun eine neue Regierung, will einlenken. Auch Polen gibt sich kompromissbereit. Wird es hier eine Einigung in diesem Punkt geben?

Lydie Polfer: Es scheint so, dass es Lichtblicke in Richtung einer Einigung gibt, aber die werden glaube ich nicht heute kommen, denn einerseits ist Spanien heute noch vertreten durch die alte Regierung. Die neue Regierung wird erst im April da sein, sodass ich glaube, dass wir trotzdem noch ein bisschen warten müssen, bis wir zu einer endgültigen Einigung kommen werden. Es könnte aber schon sein, dass es Ende Juni so weit wäre.

Es liegt ja ein Kompromiss zur so genannten doppelten Mehrheit auf dem Tisch. Danach würde eine Vorlage die Zustimmung von 55 Prozent der Länder brauchen, wenn das zugleich mindestens 55 Prozent der EU-Bevölkerung entspricht. Ist das der endgültige Kompromiss?

Lydie Polfer: Das sind Kompromisse, die von den einen mit den anderen diskutiert wurden. Es wurde aber noch nie rund um einen Tisch darüber geredet. Das heißt es kann sein, dass der eine oder andere damit einverstanden ist, aber ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, weil wir so eine Runde noch nicht hatten, dass alle damit einverstanden sind. Wir könnten damit sehr gut leben und ich könnte mir auch vorstellen, dass das ein Vorschlag ist, auf den man sich einigen könnte.

Bei der EU-Verfassung hatten ja mehrere Länder Kritik geübt: Österreich beispielsweise gegen die Vorlage, dass künftig nicht jedes Land ständig einen stimmberechtigten Kommissar haben soll. Fürchten Sie denn nun, dass nun, wenn Spanien und Polen nicht mehr in vorderster Gegnerschaft stehen, anderen aus deren Schatten treten und dann wieder für Sorgen und Probleme sorgen?

Lydie Polfer: Das war ja eben die Problemlage. Es gab gewiss ja die große Uneinigkeit über das Stimmverfahren. Aber es gab auch noch auf mehreren anderen Punkten verschiedene Meinungen, und wir haben eine davon angesprochen. Die Kommission, der Widerstand gegen die Vorschläge des Konvents, der war ziemlich groß und nicht nur bei einem Land, nicht nur bei Österreich, sondern bei fast allen neuen Ländern, überhaupt allen. All die neuen Länder haben darauf bestanden, einen Kommissar zu halten, sodass ich glaube, dass wir auch dort einen Kompromissvorschlag ausarbeiten müssen.

Wie steht es um Luxemburg? Haben Sie noch mit irgendeinem Punkt der EU-Verfassung erhebliche Probleme, sodass Sie möglicherweise doch ablehnen?

Lydie Polfer: Nein, nein! Das glaube ich auf keinen Fall. Wir waren mit den Vorschlägen, die auf dem Tisch lagen, zufrieden. Wir hätten damit abschließen können, so wie wir in der italienischen Präsidentschaft, aber auf Ebene der Außenminister gearbeitet haben. Aber auch dort waren die Arbeiten definitiv nicht abgeschlossen und das müssen wir auch noch einmal auf den Tisch nehmen. Das heißt es geht nicht nur um eine Entscheidung; es geht trotzdem um ein, zwei Monate konsequente Arbeit, aber dann ist es absolut möglich.

Lydie Polfer, Außenministerin von Luxemburg, gerade auf dem Weg nach Brüssel. Deshalb auch ab und zu die Aussetzer in der Leitung.

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