"Lifting für Luxemburg" Interview mit Innenminister Michel Wolter über das Integrative Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept

Luxemburger Wort: Herr Minister, zwei Jahre hat sich die Ausarbeitung des IVL hingezogen. Herausgekommen ist ein Dokument, das belegt, dass die jetzige Lebensweise in Luxemburg ohne einschneidende Maßnahmen nicht mehr funktionsfähig ist. Wie geht es nun weiter?

Michel Wolter: Erst einmal will ich vorausschicken, dass wir es mit dem Integrativen Verkehrs- und Landesplanungskonzept geschafft haben, verwaltungsübergreifend zusammenzuarbeiten. Hier waren nicht, wie des öfteren in der Vergangenheit, Einzelkämpfer am Werk. Nein, wir waren imstande, Teamarbeit zwischen sechs Ministerien zu verrichten.

Von dieser gemeinsamen Grundlage ausgehend, konnte eine sehr detaillierte Bestandsaufnahme gemacht werden, wo, wie Sie schon sagten, die Diskrepanz zwischen den Strukturen von heute und den Herausforderungen von morgen deutlich aufgezeichnet wird.

Nun ist die Diskussionsrunde eröffnet und jeder darf, wie bei der Konsultierungsdebatte die Deputierten, seine Ansichten zur Vereinbarkeit von Arbeit, Wohnen und Verkehr darlegen. In einer nächsten Etappe muss sich dann herausstellen, ob wir auch bereit sind, den Worten Taten folgen zu lassen.

Immerhin ist die Diskussionsbereitschaft schon jetzt klar erkennbar. Die Leute wollen über den Inhalt des IVL informiert werden.

Michel Wolter: Das ist richtig. Wobei die Tatsache, dass es uns gelungen ist, das IVL in der Öffentlichkeit zu thematisieren, meiner Meinung nach verdeutlicht, dass die Menschen ihr Umfeld, beispielsweise den alltäglichen Verkehrsstau auf dem Weg zur Arbeit, immer mehr als eine Belastung empfinden. Die Menschen merken, dass es so nicht weitergehen kann. Und sie erkennen, dass das IVL Lösungen anbietet: Dezentralisierung und Regionalisierung, Verbesserung des Öffentlichen Transports, Reorganisation der administrativen Strukturen, Anpassung der Wohnungsbaupolitik, Erhalt von Grüngürteln.

Unzulänglichkeiten erkennen und daraufhin Lösungen vorschlagen ist eine Sache. Diese Lösungen in die Tat umsetzen, wiederum eine andere.

Michel Wolter: Diesen Schritt zu wagen, ist ohne Zweifel eine Frage des Willens. Wollen wir zurück zum Luxemburg der kurzen Wege? Wollen wir den Arbeitsplatz nahe am Wohnort? Wollen wir den öffentlichen Transport in unmittelbarer Nähe? Beantworten wir diese Fragen mit Ja, dann müssen wir auch dementsprechend vorgehen. Und zwar alle - Staat, Gemeinden und jeder einzelne Bürger.

Das große Problem ist doch, dass Luxemburg mit knapp 500 000 Einwohnern an Strukturen gefesselt ist, die einst im 19. Jahrhundert für 200 000 Einwohner geschaffen wurden. Nehmen wir nur den administrativen Aufbau mit seinen zwei Gerichtsbezirken, drei Distriktskommissariaten, vier Wahlbezirken, zwölf Kantonen und 118 Gemeinden. Das Integrierte Verkehrs- und Landesplanungskonzept zeigt uns nun schonungslos auf, dass diese Strukturen aus der Postkutschen-Ära aufgebrochen werden müssen.

Was bleibt, ist die Gefahr, dass das Konzept zerredet wird und letztlich Opfer des hier zu Lande beliebten Nein-Sager-Reflexes wird. Besteht bei allem Handlungsbedarf nicht das Risiko, dass das IVL ein zahnloser Tiger bleibt?

Michel Wolter: Was für mich zählt, ist, dass allen Akteuren die Gelegenheit geboten wird, das IVL unter die Lupe zu nehmen und mitzudiskutieren. Ebenso zählt für mich aber, dass es am Ende eine Instanz geben muss, die Entscheidungen treffen kann, die dann auch mit Leben erfüllt werden. Wobei wir heute die nach meinem Empfinden ungute Erfahrung machen, dass Minoritäten und ihre Meinungen Majoritäten in Schach halten können. Da stellt sich die Frage, ob am Ende eines Weges jeder sein Einverständnis geben muss.

Das hört sich nach Dirigismus an. Wie steht es da um die Gemeinden und ihre Autonomie?

Michel Wolter: Autonomie heißt ja nicht, dass die Gemeinden tun und lassen können, was sie wollen. Das Prinzip der Eigenständigkeit bedeutet schließlich nicht, dass die kommunale Ebene nationalpolitische Weichenstellungen ignorieren darf. National- und Kommunalpolitik dürfen nicht in entgegengesetzte Richtungen laufen!

Und das gilt auch für das IVL. Wenn darin z.B. eine dichtere Bauweise vorgeschlagen wird und die Regierung sich dahingehend entscheidet, dann muss sich dies auch im kommunalen Bebauungsplan widerspiegeln.

Sie sprachen vorhin die Distriktskommissare an. Bieten die Regionalisierung und das künftige Zusammenwirken Staat/Gemeinden nicht die Gelegenheit, ihr Aufgabengebiet zu redefinieren?

Michel Wolter: Schon bei der Debatte über die Kompetenzverteilung zwischen Staat und Gemeinden hatte ich eine Anpassung ihrer Rolle angeregt. Als Vertreter des Staates in den Regionen kann ich mir die Distriktskommissare sozusagen als Motor bei der Umsetzung der auf nationalem Niveau vorgegebenen Entscheidungen vorstellen.

Bleibt noch die Frage nach der Großregion. Wäre ihre Einbindung nicht zuletzt aufgrund der mittlerweile über 100 000 werktäglichen Pendler opportun gewesen?

Michel Wolter: Ich denke, dass wir zuerst einmal unsere Probleme lösen sollten, ehe wir uns der Großregion annehmen. Ich denke aber auch, dass das IVL sehr wohl der Problematik der Pendlerströme Rechnung trägt, sei es durch die Organisation des Öffentlichen Transportes, sei es durch die Ansiedlung von Gewerbegebieten.

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