"Mehr Multilateralismus - eine Chance für Luxemburg". Interview mit Außenministerin Lydie Polfer über den EU-Lateinamerika-Gipfel in Guadalajara

Luxemburger Wort: Frau Polfer, Sie haben Luxemburg beim EU/Lateinamerika-Gipfel vertreten. Was waren die Schwerpunktthemen dieses Treffens?

Lydie Polfer: In Mexiko standen zwei Themen im Mittelpunkt. Erstens der Multilateralismus. Zweitens die soziale Kohäsion. Was die internationale Zusammenarbeit angeht, so waren sich alle Gipfelteilnehmer eins, dass die Rolle der Vereinten Nationen gestärkt werden muss. Dies, um globale Probleme zu lösen und Konflikte zu verhindern. Was die soziale Kohäsion anbelangt, so wurde auf die enormen Armutsprobleme Lateinamerikas hingewiesen. Dort leben 45 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. 60 Prozent des Reichtums teilen sich 20 Prozent der Bevölkerung.

Und Europa soll helfen, diese Probleme zu lösen ...

Lydie Polfer: Die Staaten Lateinamerikas drängen auf eine noch engere Kooperation mit der EU. Vor allem wird der Ausbau der Handelsbeziehungen gewünscht. Europa ist bereit zu helfen. Dabei drängt die europäische Seite aber auf Reformen im Sinne von mehr Rechtsstaatlichkeit. Dazu muss man sagen, dass Lateinamerika in den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritte zur Festigung demokratischer Strukturen gemacht hat.

Luxemburg war in Guadalajara mit einer neunköpfigen Delegation vertreten. Welche Bedeutung hatte das Treffen überhaupt für unser Land?

Lydie Polfer: Im ersten Semester 2005 hat Luxemburg den EU-Vorsitz. Demnach müssen wir, wenn wir den Vorsitz der Rio-Gruppe übernehmen, auch die politischen Dossiers in Sachen Lateinamerika voranbringen. Deshalb waren wir so stark in Mexiko vertreten. Hinzu kommt die Themenstellung. Multilateralismus, das ist ein Thema, das für unser Land besonders wichtig ist.

Weil...

Lydie Polfer: ... ein kleines Land in allererster Linie auf internationale Organisationen angewiesen ist, um seine Interessen zu verteidigen. Und das immer gemeinsam mit anderen Staaten. Deshalb war unser Land auch seit jeher dort stark engagiert, wo Länder sich zusammengetan haben, um ihre politische Aktion zu koordinieren.

Aber wird denn überhaupt auf uns gehört?

Lydie Polfer: Ja, Luxemburg wird als verlässlicher Partner angesehen. Als Partner, der aufgrund seiner Größe frei von strategischen und nationalen Interessen Stellung beziehen kann. Gerade deshalb kommen auch viele ausländische Politiker nach Luxemburg. Um unsere Meinung – die eines glaubwürdigen Partners – zu hören.

Frau Polfer, Sie sind jetzt seit knapp fünf Jahren Chef diplomatin. Was hat Sie in dieser Zeit am meisten geprägt?

Lydie Polfer: Da war natürlich der 11. September und der Irak-Krieg. Hier bedauere ich es, dass Europa nicht geeint vorgegangen ist. Das hat der Sache an sich, vor allem aber auch Europa nicht weiter geholfen.

Als eine besondere Leistung und Herausforderung zugleich werte ich die Erweiterung der EU.

Die doch viele Leute kritisch sehen...

Lydie Polfer: Was viele vergessen ist, dass die neuen Länder, die zu uns gestoßen sind, auch – jetzt spreche ich als Außenhandelsminister – neue Perspektiven in sich bergen. Sehen Sie, der Außenhandel mit den zehn neuen Länder hat in den vergangenen fünf Jahren um 45 Prozent zugenommen. Mittlerweile gehen vier Prozent unserer Exporte in die Länder Mittelund Osteuropas, dagegen 3,2 beziehungsweise 3,5 in die USA respektive in den asiatischen Raum.

Die EU-Erweiterung ist eine besondere Herausforderung. Was sind Ihrer Meinung – auf Luxemburg bezogen – andere außenpolitische Herausforderungen für die kommenden Monate und Jahre.

Lydie Polfer: Da wäre, wie bereits erwähnt, die EU-Präsidentschaft. Eine extrem wichtige Angelegenheit für uns. Es geht nicht zuletzt darum, unseren Platz in Europa zu behaupten. Was die Außenpolitik an sich anbelangt, so müssen wir auch weiter zu unseren internationalen Engagements stehen. Nicht zu vergessen die politische Aktion, die zu mehr Sicherheit in unseren Ländern beitragen soll.

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