Exotendasein hinter uns lassen. Interview mit Umweltminister Lucien Lux

Luxemburger Wort: Am Prinzip der Nachhaltigkeit soll sich die Umweltpolitik orientieren. Tatsache ist jedoch, dass viele Bürger mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung nichts anfangen.

Lucien Lux: Da besteht enormer Erklärungsbedarf. Es muss gelingen, den Menschen zu vermitteln, dass ihrem Denken und Tun drei Voraussetzungen in gleichem Maße zugrunde liegen müssen: soziale Kohäsion, wirtschaftliches Wachstum, ökologische Vernunft. Ein erster Schritt dorthin besteht meines Erachtens darin, die Nachhaltigkeitsdebatte von der Experten-Ebene zu verlagern. Bereits in den Schulen muss die nachhaltige Entwicklung mit Leben erfüllt werden.

Bei der Amtsübergabe hat ihr Vorgänger Charles Goerens zu bedenken gegeben, dass das Umweltministerium es nicht einfach habe, sich gegen andere Ressorts durchzusetzen.

Das Umweltministerium muss sein Exotendasein hinter sich lassen. Umweltpolitik darf nicht länger als eine Spielwiese für etwas weltfremde Wesen betrachtet und als lästiges Anhängsel anderer Politikbereiche hingestellt zu werden. Meine Vorstellung ist es, Umweltpolitik als etwas Positives darzustellen, aus dem sich Standortvorteile für Luxemburg ergeben. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit mit anderen Ministerien. Ich denke da zum Beispiel an die Bereiche Wirtschaft, Wohnungsbau oder Transport.

Es kann demnach nur von Vorteil sein, dass der Umweltminister gleichzeitig auch Transportminister ist?

Mit Sicherheit. Wenn es dem Transportminister Lux nämlich gelingt, den öffentlichen Transport auszubauen, d. h. vom Stadium der Studien zur Phase der Realisierungen überzugehen, dann ist damit dem Umweltminister Lux am meisten geholfen. Mehr öffentücher Transport bedeutet mehr Lebensqualität, mehr Mobilität, mehr Klimaschutz. Standortvorteile eben. Generell wollen wir uns als Regierungsmitglieder vom Anspruch leiten lassen, miteinander zu reden und zu handeln. Wir wollen als eine Regierung auftreten und ressortübergreifend vorgehen und nicht jeder für sich sein Hoheitsgebiet verteidigen und abschirmen.

Das Beispiel Wasserwirtschaftsamt reflektiert jedoch dieses Ressortdenken.

Ich persönlich hätte es ja günstiger gefunden, wenn das Wasserwirtschaftsamt dem Umweltministerium unterstellt worden wäre. Mit der jetzigen Konstellation liegt es eben am Innen- und am Umweltminister, den Beweis anzutreten, dass nicht die interministerielle Organisation entscheidend ist, sondern die Art der Arbeit zwischen den Ministerien.

Was diese Arbeit anbelangt, haben Sie bei der Amtsübergabe angekündigt, die Akteure im Umweltbereich, z. B. Gemeinden, Nichtregierungsorganisationen, partnerschaftlich einzubeziehen. Bislang wurde bei Außenstehenden eher den Eindruck des Neben- und Gegeneinander, nicht aber des Miteinanders erweckt. Was wollen Sie ändern?

Ich glaube, dass sich nirgendwo eine derartige Ballung an Kompetenzen findet, wie im direkten Umfeld des Umweltministeriums. Das Ziel muss also sein, diese Kompetenzen zu verwerten. Was nicht bedeutet, dass beispielsweise Umweltorganisationen vereinnahmt werden sollen. Nein, jeder hat seine Rolle zu spielen und gemeinsam müssen die Akteure ein Stück ohne Dissonanzen aufrühren. Egoismen und Partikularbedürfnisse interessieren mich nicht. Mich interessieren Inhalte.

Apropos Inhalte. Das bedeutende Dossier schlechthin, das Sie geerbt haben, ist das Klimaschutzprotokoll und seine Umsetzung. Wo steht Luxemburg heute wirklich mit seinen Bemühungen?

Kioto ist ein sehr dringendes Dossier. Wenn wir unsere Hausaufgaben noch rechtzeitig machen wollen, müssen wir bis Jahresende einen beherzten Sprint einlegen. Uns erwartet nämlich ein Wettlauf gegen die Zeit. Wir haben die Europäische Richtlinie zum Klimaschutz noch nicht umgesetzt, unser Allokationsplan wurde von der Europäischen Kommission noch nicht angenommen, weil in 13 Punkten noch Klärungsbedarf besteht und wir haben noch nicht definiert, wie wir den Handel mit Emissionsrechten organisieren. Fest steht zwar, dass ein Fonds geschaffen wird. Wo wird dieser Fonds aber eingerichtet? Und mit welchen Geldern wird er gespeist? Wir haben noch viel zu tun.

Wobei vor allem die betroffenen Betriebe nach Planungssicherheit rufen und vor den wirtschaftlichen Risiken warnen, was den Sozialpolitiker Lux nicht unberührt lassen kann.

Ganz sicher nicht. Wobei für die Wirtschaft generell gesagt werden muss, dass die Unternehmen größtenteils ökologisch top sind und ihr Einsparpotenzial demzufolge gering ist. Die Hebel müssen anderweitig angesetzt werden, Stichwort Tanktourismus. Bei allen Bemühungen steht aber schon fest, dass das Großherzogtum angesichts seiner Verpflichtung von minus 28 Prozent bis 2008/12 nicht umhinkommt, Ausstoßquoten zu erwerben und über die Nutzung der so genannten flexiblen Mechanismen nachzudenken. Wichtig ist dabei, dass wir uns auch im Klimaschutz vom Prinzip der nachhaltigen Entwicklung leiten lassen.

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