Die Eckwerte der bisherigen Kulturpolitik werden nicht grundsätzlich verändert. Interview mit Kulturminister François Biltgen und Staatssekretärin Octavie Modert

François Biltgen, Octavie Modert, wann haben Sie von Ihrer Nominierung erfahren und was haben Sie bei der Zuteilung des Kulturressorts, das ja Neuland für Sie beide ist, empfunden?

François Biltgen: Am Freitagmorgen (30. Juli) vor dem CSV-Kongress haben wir im Laufe der Beratungen über die Bessortverteilungen zum ersten Mal darüber gesprochen, wobei ich eingestehen muss, dass ich vielleicht weniger überrascht war als Octavie Modert. Das Kulturministerium ist für mich ein Wunschressort, und ich übernehme es sehr gerne. Zum einen sind Fragestellung in der Hochschul- und Forschungspolitik oft komplementär zu Aspekten des Arbeitsmarktes, der ja ebenfalls eines meiner Aufgabengebiete ist. Zum anderen komme ich aus einer Familie mit starken kulturellen Interessen, und schließlich bin ich ganz einfach der Meinung, dass man im Leben Dinge machen soll, die einem Freude bereiten, und dazu gehört für mich die Kultur.
Weil ich nun aber mehrere Ressorts betreue, habe ich den Premierminister gebeten, mir Staatssekretärin Octavie Modert zur Seite zu stellen.

Wie bereiten Sie sich auf ihr neues Aufgabengebiet vor?

Octavie Modert: In den ersten zwei Wochen haben wir uns zunächst einen Überblick über die wichtigen Dossiers und allgemeine Angelegenheiten verschafft. Jetzt arbeiten wir uns im Detail ein. Dazu fanden in den vergangenen Tagen Sitzungen mit den Beamten des Ministeriums sowie mit den Leitern der verschiedenen Kulturinstitute statt. Es ist wichtig, sowohl die Materie als auch die neuen Mitarbeiter kennen zu lernen. Denn es steht viel an.

François Biltgen: Im Herbst werden wir die einzelnen Kulturinstitute besichtigen und dann die Prioritäten für die kommenden Jahre festlegen. Zwei wichtige Ereignisse werden dabei natürlich ganz oben auf der Liste stehen: der EU-Vorsitz 2005 und das Kulturjahr 2007.

Wie werden Sie die Kompetenzen untereinander aufteilen?

Francois Biltgen: Zunächst werden wir beide uns in sämtliche Themen einarbeiten, damit wir immer auf dem gleichen Wissensstand sind. Das werden wir in Zukunft auch so beibehalten, besonders bezüglich der grundsätzlichen Ausrichtung der Kulturpolitik. Im Herbst werden wir dann einzelne Kompetenzfelder abstecken, damit unsere Mitarbeiter ganz einfach wissen, mit wem sie sich in einer bestimmten Frage beraten müssen. Es ist von Vorteil, wenn ein Ministerium doppelt besetzt ist, weil man Sparten übergreifende Politik machen kann und sich bei Grundsatzentscheidungen abstimmen kann. Die Beamten liefern die Vorlagen, der Minister ist der politische Entscheidungsträger. Ich begrüße es daher, dass ich die Möglichkeit habe, mit Octavie Modert das Für und Wider verschiedener Probleme diskutieren zu können.

Welches werden die Prioritäten der Kulturpolitik in den kommenden Jahren sein?

François Biltgen: In den vergangenen Jahren ist viel geschehen. Große Projekte sind vorbereitet und in die Wege geleitet worden. Daher werden wir die Eckwerte der bisherigen Kulturpolitik nicht grundsätzlich verändern. Unser Bestreben wird es allerdings sein, verschiedene Aktivitäten besser zu koordinieren und sichtbarer zu machen. Ich höre oft von Menschen, mit denen ich mich unterhalte, in Luxemburg sei kulturell nichts los. Genau das Gegenteil ist der Fall, nur die wenigsten Leute wissen es. Wir müssen also nicht nur Touristen, sondern auch Luxemburger dorthin bringen, wo Kultur stattfindet. Zwei Höhepunkte haben wir schon angesprochen: der EU-Vorsitz 2005, an dessen Rande Ende Juni ein informeller Rat der EU-Kulturminister, gekoppelt mit der Eröffnung der Philharmonie, stattfinden wird.

Octavie Modert: Und dann steht das Kulturjahr 2007 ins Haus, eine große Herausforderung, aber auch binnen kurzer Zeit eine zweite Gelegenheit, unser Land international zu positionieren. Es war eine sehr glückliche Entscheidung, mit dem rumänischen Sibiu, eine Stadt eines EU-Kandidatenlandes als Partner an diesem Projekt zu beteiligen. Solche Partnerschaften sollen demnächst im europäischen Rahmen festgeschrieben werden. Luxemburg hat also hier eine Vorreiterrolle übernommen. Das Kulturjahr 1995 hat eine große Dynamik im kulturellen Leben hinterlassen, auf der wir aufbauen und an der wir weiterbauen können. Viele Leute im Ausland setzen Luxemburg mit einer "Sparbüchse" gleich. Wir wollen Kultur als Element der Standortpolitik weiterentwickeln. Unser Land verfügt über ein großes kreatives Potenzial, das es auch gilt zur Schau zu stellen.

François Biltgen: Ein besonderes Anliegen wird uns auch die Archäologie sein. Es geht nicht nur darum, alles zu erhalten, wie z.B. das Theater in Dalheim, eine dringende Priorität. Aber Luxemburg verfügt über einen derart großen historischen Reichtum, dass die Spuren der Vergangenheit zumindest dokumentiert und aufgearbeitet werden müssen. So lange die Geschichte unter der Erde ruht, bleibt sie unberührt. Sobald man sie jedoch ans Tageslicht befördert, droht sie unwiderruflich zerstört zu werden. Durch die starke Bauaktivität in den vergangenen Jahren wurden viele Notgrabungen notwendig. Wir wollen ein Konzept erstellen, wie man Präventivarchäologie betreiben kann. Dieses Konzept soll Bestandteil der integrierten Landesplanung werden.

Octavie Modert: Weiter wird die Forschung rund um die luxemburgische Sprache ausgebaut werden, auch im Rahmen der Universität Luxemburg, und in Zusammenhang mit den bestehenden Lehrstühlen an ausländischen Universitäten. Dies erstreckt sich auch auf die periphären Aspekte wie etwa die luxemburgische Kultur oder die Frage der Ein- und Auswanderung nebst Integration. Außerdem werden wir ein Gesetzesprojekt über die "animation culturelle regionale" auf den Weg bringen sowie das Mäzenatentum weiter entwickeln, damit die kulturelle Motivation, die in Luxemburg entstanden ist, nicht abgebremst wird.

Es wurde viel gebaut für die Kultur. Damit stellt sich auch die Frage zum Personalbestand in den Kulturinstituten.

Octavie Modert: Jetzt da wir über neue Infrastrukturen verfügen, ist es wichtig die Aktivitäten zu entwickeln, und daraufhin wird auch der Personalfrage gewidmet.

François Biltgen: Unser Ziel sollte es sein, in Personalfragen mittelfristig zu planen, welches die Bedürfnisse der einzelnen Kulturinstitute sind. Im Ministerium wird derzeit eine Studie über die Funktionskosten der neuen Gebäude erstellt. Grundsätzlich wird auch in Personalfragen die Koordination ausschlaggebend sein, um so effektiv wie möglich arbeiten zu können.

Es wird die Befürchtung genährt, dass nach dem Klotzen nun Kleckern angesagt sei. Wurde je geklotzt, und wird in Zukunft nur noch gekleckert?

François Biltgen: Von Klotzen kann nun wirklich keine Rede sein, wenn man den eigentlich bescheidenen Gesamtanteil der Kultur im Staatshaushalt betrachtet. Die eifrige Bautätigkeit der vergangenen Jahre wurde viel kritisiert, wobei oft übersehen wurde, dass es Luxemburg ganz einfach an Prestigeobjekten – denn es sind beileibe keine Prunkobjekte – mangelte. Das wurde jetzt weitgehend nachgeholt. Als einziges größeres Projekt steht nur noch die neue Nationalbibliothek an. In absehbarer Zukunft wird sich die Bautätigkeit auf kleinere Vorhaben konzentrieren.

Octavie Modert: Kultur, das sind ja nicht nur Bauten. Kultur ist Leben, und hier spielt die Förderung der Künstler eine entscheidende Rolle. Man muss schließlich bedenken, dass die großen Bauvorhaben während der vergangenen abgewickelt wurden: in Zeiten guter Staatsfinanzen wurde klugerweise ein Nachholbedarf an Infrastrukturen aufgearbeitet.

Welche Akzente wollen Sie im Bereich der Künstlerförderung setzen?

François Biltgen: In einer seiner letzten Sitzungen vor den Wahlen hat das Parlament das überarbeitete Gesetz betreffend den Künstlerstatut verabschiedet. Es ist ein gutes Gesetz, das in den betroffenen Kreisen auf große Akzeptanz gestoßen ist. Aufgrund dieses Gesetzes müssen die Künstler sich mit etlichen administrativen Fragen auseinandersetzen und brauchen dementsprechende Hilfestellung, die wir in einem "guichet unique" im Kulturministerium anbieten wollen.

Octavie Modert: Es ist auch entschieden worden, 1,5% der Kosten eines öffentlichen Bauprojektes in die künstlerische Ausgestaltung zu stecken. Für die Künstler bedeutet dies eine direkte Verdienstmöglichkeit außer direkter Bezuschussung.

François Biltgen: Global gesehen werden wir die Subsidienpolitik unter die Lupe nehmen. Ist das bestehende Instrumentarium noch wirksam, muss es neu definiert werden, um effizienter zu werden?

François Biltgen, Octavie Modert, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Genugtuung bei Ihrer neuen Aufgabe.

Dernière mise à jour