"Bessere wirtschaftspolitische Abstimmung der Euro-Länder", Interview avec le Premier ministre et ministre des Finances Jean-Claude Juncker au sujet de son élection à la tête de l'Eurogroupe

Deutschlandfunk: Im niederländischen Scheveningen beraten die Finanzminister der Europäischen Union unter anderem über die Reform des Stabilitätspaktes, sie reden auch über die Unternehmenssteuer in der Europäischen Union, wie man sie möglicherweise angleichen kann. Über all das wollen wir reden und dazu begrüße ich ganz herzlich den Luxemburger Finanz- und Premierminister Jean Claude Juncker. Schönen guten Morgen.

Jean-Claude Juncker: Guten Morgen.

Deutschlandfunk: Sie sind im Übrigen für zwei Jahre zum Präsidenten der Euro-Gruppe gewählt worden, also haben Sie natürlich die ganz schwierige Aufgabe, innerhalb der Europäischen Union zu vermitteln, denn es gibt ja den einen oder anderen, der diesen Stabilitätspakt nicht reformieren will. Die Österreicher melden sich da besonders lautstark. Wie wollen Sie da vermitteln, welche Position haben Sie?

Juncker: Mein Eindruck ist das nicht, dass die Österreicher beispielsweise sich einer vernünftigen Reform des Paktes widersetzen würden. Es besteht im Kreise der Finanzminister Einvernehmen darüber, dass wir fünf Jahre nach Inkrafttreten der neuen Währung das Stabilitätsregelwerk kritisch überprüfen und hinterfragen müssen, nicht mit der Zielsetzung, den Pakt weichzuspülen. Ich bin kein Weichmacher und lege großen Wert auf Stabilität, aber es muss dafür gesorgt werden, dass die Anwendung der Regeln des Paktes aus ihrer zyklusneutralen Logik herausgeführt werden. Wenn die Wirtschaft boomt, wenn Überschüsse im Haushalt zu Stande kommen, dann müssen diese dem Schuldenabbau sehr stark und verstärkt zugeführt werden, und wenn wir in einer Konjunkturdelle festsitzen, brauchen wir etwas mehr Bewegungsraum. Den hat man, wenn man in guten Zeiten spart und Schulden und Defizite abbaut.

Deutschlandfunk: Nun könnte man ja zum Beispiel die Unterscheidung treffen, welche Ausgaben wirken konsumtiv, welche investiv. Könnte das eine Brücke sein, um die Differenzen zu begrenzen?

Juncker: Ich würde warnen, diesen Schritt zu voreilig zu tun, denn es besteht kein Einvernehmen darüber, welche Ausgaben im Detail konsumtiv sind und welche eher dem Investitionsbereich zuzuordnen sind. Man wird, würde man derartiges prinzipiell tun, alles mögliche in die Investitionstöpfe packen, nur um deutlich zu machen, dass man an den Ausgaben nicht sparen kann, sondern an konsumtiven Ausgaben sparen muss. Ich hielte dies für einen voreiligen Schritt. Ich halte mehr davon, dass man einen anderen Ansatz wählt und beispielsweise Länder mit niedriger Staatsverschuldung und mit einer Politik, die eigentlich der Problemstellung der Veraltung der Bevölkerung Rechnung getragen hat, dass man die anders behandelt, als Länder mit einer sehr hohen Staatsverschuldung.

Deutschlandfunk: Bis wann glauben Sie denn, dass man eine Lösung finden wird und kann, und wie hilfreich ist da zum Beispiel die Intervention der Bundesbank gewesen, die sich ja laut und deutlich gemeldet hat. Das hat zumindest in Deutschland bei Hans Eichel zu Kritik geführt. Haben Sie das aufgenommen?

Juncker: Wenn die Bundesbank das Preisstabilitätsziel anmahnt, ist dagegen nichts einzuwenden, das steht im Vertrag, und es ist wohl auch richtig, dass Geldpolitiker darauf gelegentlich hinweisen. Wenn die Einlassungen der Bundesbank so zu verstehen wären, dass man den Pakt unberührt in eine unsichere Zukunft segeln lassen soll, dann hielte ich das, was die Bundesbank gesagt hat, für das Gesamtambiente in der Eurozone nicht widerspiegelnd. Wir sind jetzt damit beschäftigt, wesentliche Punkte, Divergenz- und Konsenspunkte zusammenzutragen, dies machen wir unter niederländischem Vorsitz bis Ende des Jahres und dann unter luxemburgischem Vorsitz im ersten Halbjahr 2005 versuchen wir, die Reform des Stabilitätspaktes in trockene Tücher zu kriegen.

Deutschlandfunk: Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist eigentlich: Sieht eigentlich irgendjemand inflationäre Gefahren? Die sind doch bisher, abgesehen vielleicht von den Ölpreisen (aber das sind exogene Faktoren), doch kaum zu sehen. Oder sind Sie da vorsichtiger?

Juncker: Ich bin der Meinung, dass man bei der Preisentwicklung und bei der Inflationsentwicklung sehr vorsichtig sein sollte, was die Einschätzung anbelangt. Inflation entsteht, wenn sie entsteht, so, dass es sehr schwer ist, sie zurückzuführen. Es gibt das alte Beispiel der Zahnpasta: Man kriegt sie leicht aus der Tube heraus, man kriegt sie nur unter ungewöhnlich schweren Umständen in die Tube wieder hinein. In einer derartigen Lage befinden wir uns. Ich halte den Gesamteuroraum für relativ inflationsberuhigt und mache mir keine übertriebenen Sorgen an der Front.

Deutschlandfunk: Deshalb sollten wir mal über die Konjunkturentwicklung sprechen. Wie schätzen Sie das denn ein, das ist ja der entscheidende Punkt, im Übrigen auch für die Steuereinnahmen. Zum Beispiel die konsumtive Entwicklung in Deutschland lässt zu wünschen übrig, auch in Frankreich ist es nicht so, dass man da Hurra schreit. Wie kann man die Konjunktur besser zum Laufen kriegen?

Juncker: Mein Eindruck ist, dass es in Frankreich zu einer deutlichen Belebung der Binnennachfrage gekommen ist, Deutschland behält hier ein Problem. Die Bundespolitik muss sich mit diesem Problem ernsthaft auseinander setzen, es gibt im Euroraum erste Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung, ich würde aber nicht verfrüht Hurra schreien, sondern diese ersten Anzeichen nutzen, um uns im Rahmen der Eurofinanzminister auf eine besser geführte Gesamteurowirtschaftspolitik zu verständigen. Wir haben sehr beklagenswerte Defizite, was die Koordinierung der Wirtschaftspolitik anbelangt und mein Vorsatz ist es, als Vorsitzender der Eurogruppe Sorge dafür zu tragen, dass es beispielsweise zu einer feineren Haushaltsabstimmung der verschiedensten Mittelstaaten der Eurozone kommt. Es macht keinen Sinn, dass wir, die wir uns im Euroraum befinden, unsere Haushaltspolitik noch nach rein nationalen Gesichtspunkten führen, übrigens im Unwissen darüber, was die Nachbarn in der Eurozone dann an haushaltspolitischen Akzenten setzen für das Haushaltsjahr, das ansteht. Deshalb würde es Sinn machen - und es wird auch so gemacht - dass wir im Mai, Juni nach einer gesamtwirtschaftspolitischen konjunkturorientierten Debatte uns mit den Ausrichtungen der nationalen Haushalte so beschäftigen, dass die eine Hand wirklich weiß, was die andere überhaupt tut, damit daraus ein Griff entsteht.

Deutschlandfunk: Das Wissen ist das eine, glauben Sie auch wirklich, dass man dann entsprechend gemeinsam handelt? Ich will jetzt niemanden persönlich ansprechen, aber da gibt es so den einen oder anderen, wo ich das Gefühl habe, der macht dann lieber, was er selbst möchte. Glauben Sie, dass man die beeinflussen kann?

Juncker: Ich glaube, der Kreis der Finanzminister wird sich relativ schnell darauf verständigen, dass wir eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik brauchen. Man redet ja sehr viel von der Glaubwürdigkeit des Euros und von seiner Stabilität, die ist ja zurzeit gesichert, dies zeigt auch der Außenwert des Euros. Stabilität brauchen wir, um die Glaubwürdigkeit des Gesamtunternehmens nicht zu verlieren, aber die Glaubwürdigkeit leidet auch darunter, dass wir uns konjunkturpolitisch nicht richtig aufgestellt kriegen in der Eurozone, dass wir uns seit drei Jahren in einer schwachen Wachstumsphase befinden, uns eigentlich seit drei Jahren in einer Stagnation festgefahren haben. Die Glaubwürdigkeit leidet, wenn die Arbeitslosenstände auf sehr hohem Niveau bleiben. Deshalb brauchen wir eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik, damit die Menschen wirklich auch glauben können, dass der Euro in ihrem täglichen Leben auch Positives für sie zur Folge hat.

Deutschlandfunk: Sie sprachen den Außenwert an. Es gibt den einen oder anderen, der analysiert und sagt, der Außenwert ist auch ein stückweit zu hoch, der macht uns Probleme. Sehen Sie das im Kreis der Finanzminister vielleicht auch so?

Juncker: Ich weiß jetzt nicht, ob millimetergenau alle Finanzminister dieselbe Sicht der Dinge haben, wenn es um den Außenwert des Euros geht, nur finde ich die Debatte darüber, ob der Außenwert jetzt zu hoch oder niedrig ist, fast peinlich. Als wir vor zwei, drei Jahren bei 0,80 oder 0,90 im Verhältnis zum Dollar waren, da war das Wehklagen groß, vor allem auch in Deutschland. Da wurde der schwache Außenwert zum Kronargument herangezogen, um zu zeigen, dass die europäische Politik völlig verfehlt wäre und dass der Euro nicht stabil wäre. Jetzt haben wir einen Außenwert, der exportorientierten Wirtschaftsräumen einige Schwierigkeiten bereiten könnte und schon wird Klage geführt, dass der Außenwert zu hoch angesetzt wäre. Nein, ich glaube, wir haben jetzt einen Außenwert, der einigermaßen die wirtschaftlichen Fundamentaldaten diesseits und jenseits des Atlantiks widerspiegelt. Es ist mir ein Euro auf dem Niveau, auf dem wir ihn jetzt haben, lieber, als ein schwächelnder Euro, den wir vor zwei, drei Jahren hatten.

Deutschlandfunk: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Juncker: Bitte.

Deutschlandfunk: Das war Jean Claude Juncker, der Luxemburger Finanz- und Premierminister von der Finanzministerkonferenz der Europäischen Union.

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