Des Apothekers neue Rezepte. Interview avec le ministre de l'Intérieur et de l'Aménagement du territoire, Jean-Marie Halsdorf

Telecran: Herr Minister, zum Einstieg eine kleine Wissensfrage. Wofür steht die Abkürzung IVL?

Jean-Marie Halsdorf: Für "Integratives Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept".

Und was hat es damit auf sich?

Jean-Marie Halsdorf: Ein komplizierter Name, in der Tat. Aber den Machern fiel nichts Besseres ein, um der Komplexität des Themas Rechnung zu tragen – immerhin geht es beim IVL um die Lebensqualität der gesamten Bevölkerung.

Als Apotheker halfen Sie den Menschen mit Medikamenten. Welche Rezepte verschreiben Sie als Innen- und Landesplanungsminister?

Jean-Marie Halsdorf: Wohlgemerkt, das IVL ist Sache der Regierung und nicht nur eines Ministers. Trotzdem lassen sich Parallelen zur Pharma-Welt ziehen. Das IVL ist wie eine Behandlung mit einer therapeutischen Wirkung. Dabei treten auch Nebenwirkungen auf, die unangenehm sind oder weh tun, aber da müssen wir durch. Wie bei einer heilsamen Kur.

Können Sie drei Punkte aus dem IVL nennen, die jeder Einzelne beherzigen soll, um die Lebensqualität zu erhalten?

Jean-Marie Halsdorf: Nichts leichter als das! Erstens: Den eigenen Wagen öfter stehen lassen und stattdessen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Zweitens: Den Reiz von Raum schonenden Wohnformen wie Appartements, Doppel- und Reihenhäusern erkennen und den Weg zum Arbeitsplatz verkürzen. Drittens: Die Umwelt als Kapital ansehen, sprich die Natur schonen, erneuerbare Energiequellen salonfähig machen und die bestehenden Grünzonen erhalten. Wenn uns das gelingt, haben wir schon viel erreicht.

Kein leichtes Unterfangen, immerhin redet beim Thema Landesplanung jeder mit, der sich auch nur irgendwie betroffen wähnt...

Jean-Marie Halsdorf: Ich sehe das als Chance. Die Gesellschaft gehört eingebunden, allerdings müssen die Spielregeln klar sein: In Luxemburg gibt es zwei Entscheidungsebenen, die Regierung und die Gemeinden. Deren Aufgabe ist es jetzt, den Bürgern das Vorhaben zu erklären, nicht dass es uns so geht wie dem deutschen Bundeskanzler mit Hartz IV. Wir müssen uns einfach im Klaren darüber sein, dass sich die Welt über Entwicklungszyklen regeneriert. In den 60er- und 70er-Jahren durchlief unser Land so eine Phase, jetzt steht wieder eine Umstrukturierung an. Also muss gehandelt werden. Jetzt! Denn Stillstand ist Rückschritt. Zum Glück sind wir klein und flexibel, und solange es der Wirtschaft gut geht, haben wir noch Spielraum.

Wenn die bescheidene Größe unseres Landes von Vorteil ist, warum leisten wir uns so einen verwaltungstechnischen Wasserkopf?

Jean-Marie Halsdorf: Auch die Verwaltung steht auf dem Prüfstand. Die Einteilung in drei Distrikte und zwölf Kantone ist in meinen Augen überholt. Heute kommt es auf eine territoriale Gewichtung an. Daher auch die im IVL übernommene Einteilung des Landes in sechs Planungsregionen. Auf jeden Fall steht die Debatte über die Struktur des Landes an – und sie muss geführt werden!

Zum Wasserkopf gehört auch die hohe Zahl von Gemeinden. Was geschieht, wenn wir auf einmal feststellen, dass wir statt 118 nur noch 60 brauchen, wie ihr Vorgänger in einem Telecran-Interview in den Raum stellte?

Jean-Marie Halsdorf: Eine moderne Gemeinde ist ein "Service Provider". Also lautet die zentrale Frage: Wie kann sie effizient arbeiten?

Ihre Antwort?

Jean-Marie Halsdorf: Indem sie ihre bisherige Existenz konsequent in Frage stellt. Ich finde es gut, dass wir nicht zentralistisch organisiert sind, sondern zwei Entscheidungsebenen haben. Wenn die Gemeinden aber ihre "autonomie communale" behalten wollen, müssen sie auch Verantwortung übernehmen. So hat die Gemeindeführung darüber zu befinden, was sie ihren Einwohnern anbietet und worauf diese zu verzichten haben.

Stiehlt sich der Staat damit nicht aus der Verantwortung?

Jean-Marie Halsdorf: Im Gegenteil! In Zukunft funktioniert das Verhältnis Regierung-Gemeinde wie in einem Restaurant. Das Ministerium bietet verschiedene Menüs mit unterschiedlichen Gängen an und die Gemeinden können wählen. Wer etwa zu "klein" ist für Menü zwei, der muss Wege suchen, um die notwendige kritische Masse zu erreichen – zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden ...

... oder durch Fusionen?

Jean-Marie Halsdorf: Wer fusionieren will, erhält meine volle Unterstützung. Auf der anderen Seite sage ich aber auch: 118 Gemeinden stellen kein Problem dar, vorausgesetzt, sie machen ihre Sache gut.

Und wer entscheidet das?

Jean-Marie Halsdorf: Die Bürger. Die sehen ja, was ihr Bürgermeister oder ihre Gemeinde für sie tut beziehungsweise nicht für sie tut. Sind sie unzufrieden mit dem Angebot, gibt es ein lokales Problem.

 Ein Beispiel?

Jean-Marie Halsdorf: Die Kinderbetreuung. In vielen Gemeinden ist sie bereits heute unzureichend und die Situation wird sich noch zuspitzen.

Was halten Sie von Profi-Bürgermeistern?

Jean-Marie Halsdorf: Ich bin dafür, habe mich aber noch nicht festgelegt, ob ab 6000, 8000 oder 10000 Einwohnern. Das entscheidende Kriterium wird die Größe der Gemeinde sein. Gleiches gilt übrigens auch für die Freistellungen anderer Mandatsträger sowie für die finanzielle Unterstützung der Gemeinden durch den Staat. Das wird künftig alles über die Menüs geregelt.

Warum lautet ihr Titel eigentlich Innen- und Landesplanungsminister?

Jean-Marie Halsdorf: Weil die Landesplanung ein Kernelement des Ministeriums ist. Der Doppeltitel soll beiden Schwerpunkten Rechnung tragen. Aus diesem Grund ließ ich mir auch ein Büro im "Aménagement" einrichten.

Ist es überhaupt möglich, die Bereiche zu trennen?

Jean-Marie Halsdorf: Man muss eine Grenzlinie ziehen. Während sich das "Intérieur" auf Gemeindeebene bewegt, spielt das "Aménagement" auf Landesebene. Das A und 0 ist aber die Zusammenarbeit – zwischen beiden Ebenen und zwischen den Ministerien. Absolute Priorität haben jetzt die "Sektorpläne" Transport und Wohnungsbau. Transport zuerst, denn über die Verkehrsanbindung soll künftig die Bautenpolitik geregelt werden.

Themenwechsel: Das Wasserwirtschaftsamt...

Jean-Marie Halsdorf:... ist gut bei mir aufgehoben. Es gibt jedenfalls mehr Argumente für eine Ansiedlung im Innenministerium als dagegen. Zum einen, weil ihm dadurch eine gewisse Neutralität zugute kommt, im Umweltministerium wäre es womöglich gleich in die Ökoecke gedrängt worden; zum anderen, weil alles was mit Hoch-, Ab- und Trinkwasser zu tun hat, in Gemeindekompetenzen fällt. Aber das ist eine falsche Debatte. Es kommt jetzt darauf an, wie sich das Wasserwirtschaftsamt nach außen darstellt. Außerdem spricht nichts dagegen, bestimmte Aufgaben, zum Beispiel die Renaturierung von Flüssen, ins Umweltministerium zu verlagern.

Apropos Renaturierung. Wann werden wir Sie in der Sauer baden sehen?

Jean-Marie Halsdorf: Spätestens 2015. Eine EU-Direktive schreibt vor, dass die Flüsse bis dahin sauber sein müssen. Allerdings muss auch das Wetter mitspielen ...

Die Polizei fällt merkwürdigerweise nicht in Ihr Ressort. Bedauern?

Jean-Marie Halsdorf: Nein. Wir erhalten jetzt Erfahrungswerte und in fünf Jahren können wir entscheiden, wo die Polizei am besten aufgehoben ist.

Haben Sie keine Angst vor einem Minister, der sich Frieden nennt, dann aber über Budget, Tresor, Justiz, Polizei und Verteidigung herrscht?

Jean-Marie Halsdorf: Die Regierungsmannschaft ist ein gutes Team und Luc Frieden mein Freund. Er wird nicht zulassen, dass die Nähe von Justiz und Polizei irgendwelche negativen Folgen für die Bürger zeitigt.

Dernière mise à jour