Wir können teilen. Interview avec le ministre de la Coopération et de l'Action humanitaire, Jean-Louis Schiltz

Telecran: Herr Minister, wieso haben Sie das Entwicklungshilfe-Ministerium übernommen?

Jean-Louis Schiltz: Weil ich die Entwicklungshilfe als ein Ressort betrachte, in dem große Herausforderungen anstehen. Hier beweisen die Luxemburger, dass sie mit denen teilen können, die weniger haben als sie. Etwa, wenn mein Ministerium wie vor wenigen Tagen den Opfern des Wirbelsturms auf Haiti 100 000 Euro humanitäre Hilfe zuerkennt oder wie im Juli 1,3 Millionen Euro für die Flüchtlinge im Westsudan überweist. Derzeit prüfen wir, ob wir weitere Gelder für den Sudan freimachen können, denn die humanitäre Hilfe dort reicht vorn und hinten nicht. Das alles ist wichtig, und deshalb fühle ich mich in diesem Ressort auch sehr wohl.

Wie oft waren Sie schon in Afrika?

Jean-Louis Schiltz: Ich war einmal in Südafrika; besser kenne ich mich in Südostasien aus. Weil ich drei kleine Kinder habe, bin ich in den vergangenen Jahren weniger gereist. Meiner Meinung nach ist das aber kein Nachteil; so kann ich unvoreingenommen an die Sache herangehen.

Wie hat denn Ihre Familie auf die Nachricht reagiert, dass Sie ein Ministeramt übernehmen?

Jean-Louis Schiltz: Meine Frau hat nicht gerade einen Luftsprung vor Begeisterung gemacht, sie unterstützt mich aber in meiner Entscheidung. Meine Kinder wissen nur, dass Papa ein neues Büro hat.

Im Koalitionsabkommen stehen genau fünfeinhalb Zeilen über die Entwicklungshilfe...

Jean-Louis Schiltz: Das sagt nichts über die Bedeutung dieses Fachbereichs aus. In diesen fünf Zeilen steht zum Beispiel auch, dass die Regierung beabsichtigt, die Hilfen mittelfristig auf ein Prozent des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen.

Und was bedeutet "mittelfristig" konkret?

Jean-Louis Schiltz: Ich will mich nicht auf ein Jahr festgelegen. Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass wir nicht mehr das Wirtschaftswachstum von Ende der 90er-Jahre haben. Außerdem sind die Kapazitäten meiner Dienste und der ausführenden Agentur Lux-Development begrenzt. Entwicklungshilfe misst sich zwar vor allem in Zahlen, aber auch in der Qualität der Projekte.

Luxemburg zählt schon jetzt zu den generösesten Geldgebern. Können wir uns diese Großzügigkeit in Zukunft überhaupt noch leisten?

Jean-Louis Schiltz: Luxemburg ist ein Land mit einem hohen Lebensstandard. Ich finde die Zahl von 171,7 Millionen Euro oder 0,814 Prozent des BIP, die wir vergangenes Jahr an öffentlicher Entwicklungshilfe bereit gestellt haben, nicht zu hoch. Im Gegenteil. Die geplante Erhöhung der Hilfen ist der beste Beweis dafür, dass wir teilen können; alle Parteien haben sich vergangenes Jahr im Parlament dafür ausgesprochen. Diese Politik stößt also auf allgemeine Akzeptanz. Die Aktivitäten der rund 80 Nichtregierungsorganisationen, deren Projekte vom Staat mitfinanziert werden, sind ein weiterer Beweis für die Akzeptanz dieser Politik, genauso wie das ehrenamtliche Engagement vieler Luxemburger. Das Ehrenamt muss vielleicht sogar noch weiter ausgebaut werden. Außerdem müssen wir der Jugend die Bedeutung von Entwicklungshilfe näher bringen.

Das dürfte in Zeiten, in denen sich immer weniger Menschen für Ehrenämter begeistern, schwierig sein ...

Jean-Louis Schiltz: Klar kann die Politik die Zivilgesellschaft nicht drängen, sich zu engagieren. Sie kann aber die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Nichtregierungsorganisationen ideal arbeiten können. Deshalb liegt es mir am Herzen, in den nächsten Monaten mit ihnen zu einem Meinungsaustausch zusammenzukommen und herauszufinden, wie wir die Zusammenarbeit noch weiter verbessern können.

Selbst hohe Ausgaben von Luxemburger Seite sind, im Vergleich zu den Milliarden, die die Dritte Welt an Hilfe benötigt, doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Entmutigt Sie das nicht?

Jean-Louis Schiltz: Was wir im Vergleich zu unserem BIP investieren, erlaubt es uns, an gezielten Orten ordentliche Arbeit zu leisten. Ich glaube schon, dass das etwas bringt. Wenn alle Länder, die vor ein paar Jahren die Erhöhung ihrer Hilfen auf 0,7 Prozent des BIP zugesagt haben, diese Verpflichtung auch einhielten, kämen wir natürlich schneller voran. Aber leider fehlt es da an politischem Willen. Die fünf führenden Geldgeberländer Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden und Luxemburg müssen den anderen zeigen, dass ihr Weg der richtige ist.

Die Regierung plant auch, die Auswahlkriterien für die Zielländer Luxemburger Entwicklungshilfe zu überarbeiten. Müssen aktuelle Empfängerländer nun fürchten, bald kein Geld mehr aus dem Großherzogtum zu sehen?

Jean-Louis Schiltz: Nein, keines der derzeitigen zehn Zielländer hat in globo ein Entwicklungsstadium erreicht, dass es uns erlaubte, unsere Hilfe massiv zu reduzieren oder uns ganz zurückzuziehen. Die Überarbeitung der Auswahlkriterien ist eher eine mittel- bis langfristige Strategie. Die meisten unserer Zielländer zählen ja zu den ärmsten der Welt, wie zum Beispiel Burkina Faso, Mali oder Niger. Ohnehin zieht man sich nicht einfach von einem Tag auf den anderen aus einem Land zurück. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir Hilfe in den schon weiter entwickelten Ländern mehr als bisher auf die am meisten benachteiligten Regionen konzentrieren.

Werden sich auch die Projektinhalte mit der neuen Regierung ändern?

Jean-Louis Schiltz: Nein, Hauptziele unserer Politik bleiben auch in Zukunft der Kampf gegen die Armut und die nachhaltige Entwicklung. Unsere inhaltlichen Projektschwerpunkte – Gesundheit, Bildung, Frauenförderung, Wasserversorgung und Landwirtschaft – werden sich auch unter neuer Federführung nicht ändern.

Ihr erstes Reiseziel als Minister Anfang Oktober wird Kap Verde sein. Ist Luxemburgs Ansehen nach dem Pädophilie-Verdacht gegen einen Luxemburger Entwicklungshelfer dort beschädigt worden?

Jean-Louis Schiltz: Kap Verde ist für Luxemburg ein wichtiger Partner und ein Staat, in dem das Großherzogtum mit Hilfsprojekten schon lange aktiv ist – zurzeit zum Beispiel zum Aufbau von Wasserversorgung, Schulen und Straßen. Deshalb fand ich es wichtig, dort zuerst hinzufahren. Ich will Entwicklungshilfepolitik nicht vom Schreibtisch aus betreiben, sondern mir vor Ort ein genaues Bild von der Lage machen. Dabei lasse ich mich nicht von eventuellen Problemen in der Vergangenheit leiten. Es steht mir nicht zu, mich in die Schritte der kapverdischen Behörden in dieser Sache einzumischen, und ich werde das auch nicht tun.

Aus Ihrer Anwaltskanzlei haben Sie sich wegen des Ministeramtes zurückgezogen. Werden Sie auch Ihr Amt als Generalsekretär der CSV abgeben?

Jean-Louis Schiltz: Ich habe mich noch nicht entschieden. Der Parteikongress ist am 11. Dezember, in den nächsten Wochen werde ich mich mit dem

Sie halten sich privat gern mit Laufen fit. Werden Sie dafür in Zukunft noch Zeit haben angesichts des Arbeitspensums eines Ministers?

Jean-Louis Schiltz: Das scheue ich nicht. Ich arbeite oft in der Mittagspause und abends zu Hause, wenn meine Kinder im Bett liegen. Laufen werde ich weiter, das brauche ich einfach zum Ausgleich. Anfang des Jahres bin ich einen Semi-Marathon in 1 Stunde 52 Minuten gelaufen, bei der "Route du Vin" am 26. September war ich zehn Minuten langsamer. Die Wahlen haben eben ihre Spuren hinterlassen.

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