Mehr Mut zum Risiko. Interview avec le ministre de l'Économie et du Commerce extérieur, ministre des Sports, Jeannot Krecké

Telecran: Ihr Büro liegt auf der achten Etage. Der Lift hält im siebten Stock. Ist Treppensteigen die einzige Fitness-Übung des neuen Wirtschaft- und Sportministers?

Jeannot Krecké: Ich sollte vielleicht schon im sechsten Stock aussteigen, denn im Moment ist das tatsächlich meine einzige Bewegung. Von den acht Wochen im neuen Amt habe ich vier mit Auslandsreisen verbracht. Wenn man da zurück kommt, gerät man unter ziemlichen Zeit- und Arbeitsdruck. Freie Zeit für Sport habe ich momentan nicht. Dabei ist das für die Gesundheit, aber auch die geistige Verfassung das beste Mittel. Weshalb ich – auch im Interesse der Volkswirtschaft – als Sportminister die Leute zu mehr körperlicher Fitness anregen will.

Ich selbst bin fest entschlossen, meine regelmäßigen Übungen für den Rücken und die Hüfte wieder aufzunehmen, sobald ich mich eingearbeitet habe. Noch geht der Job vor. Ich bin präzise und will genau wissen, was wo läuft, das nimmt viel Zeit in Anspruch.

Zu alle dem kam noch wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Strompanne. 40 Jahre passiert so etwas nicht und dann plötzlich mir in den ersten Tagen im neuen Amt.

Was für ein Gefühl herrschte da bei Ihnen vor?

Jeannot Krecké: Ruhe, ich wusste, dass ich im Ministerium gute Mitarbeiter habe. Wie so vieles im Leben hängt es eben davon ab, ob man über die richtigen Mitarbeiter verfügt. Ich wusste, dass ich sie habe, und das beruhigt.

Muss Luxemburg auf Frankreich und seinen Atomstrom zurückgreifen, um die Versorgung sicherzustellen?

Jeannot Krecké: Nein. Ausschlaggebend ist die Frage, was Luxemburg zusätzlich zur hauptrangigen Versorgung aus Deutschland braucht. Das ist kein neuer Lieferant, wie Frankreich es wäre, sondern eine Notstromleitung, die an einem anderen Netz hängt. Am besten lässt sich das mit Belgien machen. Der Anschluss ist schon da. Er muss jetzt verbessert und die Zusammenarbeit vertraglich neu festgelegt werden. Ökologisch und ökonomisch ist es nicht notgedrungen sinnvoll, einen zusätzlichen Großanschluss einzurichten.

Bis mir jemand das Gegenteil beweist, ist das meine Erkenntnis.

Spricht ein sozialistischer Wirtschaftsminister mit der Industrie anders als ein liberaler?

Jeannot Krecké: Das müssen Sie eigentlich in den Wirtschaftskreisen selbst nachfragen. Sicherlich ist bei mir die Komponente Soziales ausgeprägter als bei einem Liberalen, wenn es um Themen wie den Index geht. Andererseits weiß meine Partei auch, dass die Wirtschaft kein Selbstzweck ist, sondern hilft, ein soziales Netz zu spannen, dessen Leistungen weiter gehen wie in anderen Ländern. Das ist eine Art soziale Umverteilung, zu der eine gut funktionierende Wirtschaft viel beiträgt.

Können Sie den Leitspruch der Handelskammer bei ihren Empfehlungen an die neue Regierung, wonach "Toute richesse provient des entreprises", mit zwei Händen unterschreiben?

Jeannot Krecké: "Toute riehesse", das geht ein bisschen zu weit. Aber fest steht, dass man das Geld, bevor man es ausgeben kann, erst verdienen muss. An der Realität führt kein Weg vorbei. Der Mehrwert, den die Unternehmen erwirtschaften, entsteht unter anderem durch die günstige Zusammenarbeit von Kapital, Arbeit und Management.

Verflechtungen zwischen Politikern und Wirtschaft sorgen immer für Schlagzeilen, zuletzt im Fall der designierten EU-Kommissarin für den Wettbewerb, Neelie Kroes. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Jeannot Krecké: Ich besitze nur ein paar Sicavs im Rahmen der Loi Rau und saß lediglich im Verwaltungsrat des Centre Hospitalier Luxembourg sowie der Alzheimer-Vereinigung. Ich war auch als Consultant tätig, halte da aber meine Distanz. Das dürfte kein Problem sein. Ich bin der Meinung, dass man solche berufsethischen Fragen sehr ernst nehmen sollte. Zusammen mit Ben Fayot habe ich mich als Abgeordneter stark dafür gemacht, dass Parlamentarier ihre Beziehungen publik machen.

Sind Sie mit Ihren 54 Jahren als Minister am Ziel Ihrer politischen Träume angelangt?

Jeannot Krecké: Das weiß ich nicht. Ich kann aber sagen, es lastet kein großer Druck auf mir. Ich will fünf Jahre lang eine ordentliche Arbeitsleistung erbringen, die das Land voran bringt und mich zufrieden stellt. Mein primäres Anliegen wird es nicht sein, mich bei all meinen Aktivitäten zu fragen, ob ich 2009 dadurch wieder gewählt werde. Das habe ich meinen Mitarbeitern auch so gesagt, speziell in der Sportabteilung. Ich muss nicht immer im Vordergrund stehen und werde sicherlich nicht jedes neue Spielfeld einweihen.

Sie sind dem Titel nach Wirtschafts- und Außenhandelsminister – aber ohne direkte Verantwortung für Handel, Handwerk und Finanzzentrum. Stört Sie das?

Jeannot Krecké: Ich bin der Meinung, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten etwas Zusammenhängendes darstellen. Diese Ansicht konnte sich bei der Regierungsbildung nicht durchsetzen. Ich habe mich jedoch mit Fernand Boden vom Mittelstandsministerium abgesprochen, unsere Zeit nicht mit Kompetenzgerangel zu verbringen. Ich habe meine Kompetenz in diesen Bereichen bewiesen und werde mich weiterhin darum bemühen. So genau ist die Definition von Klein- und Mittelunternehmen auch nicht zu nehmen, denn nach europäischen Kriterien wäre fast alles in Luxemburg klein oder mittel. Andererseits würde ein Betrieb wie Cactus mit seinen vielen Beschäftigten längst nicht mehr zum Mittelstand gehören.

Luxemburg ist längst nicht mehr Europas Musterschüler. Arbeitslosen- und Inflationsquoten steigen, die Produktivität sinkt. Was schreiben Sie als ehemaliger Lehrer dem Land ins Zeugnis?

Jeannot Krecké: Dass man sich nicht auf seinen einmal erreichten Lorbeeren ausruhen kann. Auch als Land muss man sich immer wieder in Frage stellen. Wer glaubt, er sei gut und müsse nichts mehr ändern, stagniert und fällt automatisch zurück. Wir haben eine Studie zur Wettbewerbsfähigkeit bei einem französischen Forscher in Auftrag gegeben, der mit dem Blick eines Außenstehenden unsere Stärken und Schwächen auflisten soll. Die Ergebnisse werden wir zusammen mit den Sozialpartnern analysieren und Maßnahmen entwickeln.

Einerseits wird der Unternehmensgründergeist beschworen, andererseits gefordert, die Mindesteinlage für eine Betriebsgründung zu erhöhen. Was halten Sie davon?

Jeannot Krecké: Wenig. Wir haben zwar viele betrügerische Konkurse. Doch dafür sollte man sich Mittel geben, eine Firma im Auge zu behalten. Es reicht, Eckdaten wie Mehrwertsteuer, Lohnsteuer und Sozialabgaben zu überprüfen, um die Sache einzudämmen. Man sollte es nämlich nicht Betriebsgründern zu schwer machen und auch akzeptieren, dass man scheitern kann. In den USA ist das nichts Ehrenrühriges.

Sie führten im September kurz hintereinander gleich zwei Wirtschaftsdelegationen in die USA an. Was war das Ziel?

Jeannot Krecké: Luxemburgs Geschäfte mit den USA sind rückläufig. Der Export fiel von 347 Tonnen 2002 auf 225 Millionen binnen eines Jahres. Die erste Reise in Begleitung des Erbgroßherzogs war daher stark auf Export orientiert und diente der Imagepflege. Dagegen ging es bei der zweiten um ganz gezielte Kontakte, etwa mit Masco, einem führenden Hersteller für Haushalts- und Hausbaugüter, der sein europäisches Hauptquartier nach Luxemburg verlegt hat, und einer kleinen Hightech-Firma, die starkes Interesse zeigt.

Ferner ging es bei Treffen um die Absicherung bestehender Ansiedlungen wie Dupont, Delphi, Guardian, Alcan.

Welche Sprache verstehen US-Geschäftsleute?

Jeannot Krecké: Eine klare. Das habe ich bei meinen beiden Wirtschaftsreisen im September festgestellt. Wir müssen ganz deutlich immer wieder die Vorzüge unseres Standorts wie niedrige Sozialabgaben und Lohnnebenkosten, kurze Wege zu Entscheidungsträgern, internationale Schuleinrichtungen, Sicherheil und hohe Lebensqualität hervorstreichen. Zuhause erscheint es einem fast schon überflüssig, das noch eigens zu erwähnen, aber man darf nicht vergessen, dass Luxemburg in Amerika nicht so bekannt ist und in Unternehmen die Manager häufig wechseln, man also immer neue Leute trifft, denen Luxemburg noch kein Begriff ist.

Luxemburg ist aber kein Billiglohnland. Kann es überhaupt noch Investoren anlocken?

Jeannot Krecké: Sicherlich. Wir erklären, dass die Gesamtkosten aufgrund der niedrigen Lohnnebenkosten und Steuern tragbar sind. Sie liegen zwar über denen der neuen EU-Mitgliedstaaten, daher kommen Firmen mit niedriger Wertschöpfung nicht, dafür aber Firmen, die in Richtung Technologie und Forschung gehen.

Wie definieren Sie wettbewerbsfähig?

Jeannot Krecké: Auf allen Niveaus – Steuern, Abgaben, Löhne, Produktivität, Auflagen, Verwaltungswege. Wichtig ist auch, dass das Vertrauensverhältnis stimmt, dass die Firmen wissen, auf was sie sich langfristig einstellen können. Ich bin gespannt, welche Indikatoren die Wettbewerbsstudie nennt, deren Ergebnisse Ende Oktober, Anfang November vorliegen sollen. Vielleicht kommen wir da zu ganz neuen Erkenntnissen.

Was wir nicht genug pflegen, ist die Evaluierung unserer Entscheidungen, die Infragestellung. Die Kultur der nachträglichen Bewertung hat bei uns noch keine Tradition. Wir stellen Mittel bereit und ebnen Wege, kontrollieren aber nicht genug, wie wirksam sie waren.

Wichtig sind auch die Ansichten Außenstehender, beispielsweise des Präsidenten der amerikanischen Handelskammer in Luxemburg, denn der Blick von außen ist erhellend.

Stichwort unternehmerfreundliches Umfeld – was ist Ihre oberste Priorität?

Jeannot Krecké: Wir müssen das Thema Unternehmertum schon in den Schulen den Jugendlichen näher bringen, damit die Lust auf selbstständige Arbeit geweckt wird. Die Berufswahl soll nicht zum Zufluchtsort führen, wo man, einmal unter Dach gekommen, ein Leben lang ungestört ausharren kann. Die Bereitschaft zum Risiko muss geweckt werden.

Gleichzeitig müssen wir in Luxemburg akzeptieren lernen, dass eine SNCI oder eine andere Institution Unternehmungen unterstützt, die auch mal schief gehen können. Wenn wir nicht bereit sind, das eine oder andere Risiko einzugehen, sondern nur narrensichere Geschäfte machen wollen, dann laufen wir Gefahr zu stagnieren. Im übrigen: Wenn wir gegen Steuerbetrug wirksamer vorgingen, würden wir soviel Steuergelder mehr einbehalten, dass wir es uns auf der anderen Seite leisten könnten, innovative Wege zu gehen und dabei vielleicht auch mal finanzielle Verluste zu erleiden. Das wäre dann kein Drama. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist nämlich, die Lust aufs Risiko zu verlieren. Die SNCI soll neue Wege einschlagen. Darüber bin ich mir mit dem Finanzminister, mit dem ich die Zuständigkeit teile, einig.

Dernière mise à jour