Das Sparpotential ist hoch. Interview avec le ministre de la Santé et de la Sécurité sociale, Mars Di Bartolomeo

Telecran: Nach der Krankenkassen-Quadripartite bekamen Sie persönlich von den Sozialpartnern – also von den Ärzten, den Gewerkschaften und vom Patronat – recht gute Noten. Wie haben Sie das angestellt?

Mars Di Bartolomeo: Wir haben uns darauf besonnen, was die Quadripartite eigentlich sein soll: eine Denkfabrik, in der die Partner die Gelegenheit bekommen, sich mit einem Problem frei auseinander zu setzen. Alle haben Anstrengungen gemacht, um dieser Zielsetzung gerecht zu werden.

Ich will meinen Gesprächspartnern dieses positive Echo zurückschicken: Niemand ist aus der Reihe getanzt, vielmehr hat jeder auf extrem konstruktive Art und Weise zu verstehen gegeben, dass man sich um das beste Krankenkassensystem der Welt kümmern will, und nicht nur dann, wenn es gilt, ein riesiges finanzielles Loch zu stopfen. Wir müssen uns immer fragen, welches Ziel wir mit unserer Gesundheitspolitik verfolgen: Wie setzt man die Mittel möglichst gut ein, damit sie nicht dort fehlen, wo sie dringend für neue Herausforderungen gebraucht werden? Jeder Euro, der falsch ausgegeben wird, fehlt später bei wichtigen Investitionen...

Wie teuer wird das Krankenkassen-Defizit die Versicherten zu stehen kommen?

Mars Di Bartolomeo: Wenn früher ein Defizit auftauchte, wurden Mittel nachgeschüttet, ohne sich weitere Gedanken zumachen. Wir gehen die Sache jetzt anders an und sagen: Ein Defizit tritt dann ein, wenn nichts geschieht! Es können viele positive Maßnahmen ergriffen werden. Wir müssen das Verantwortungsbewusstsein schärfen, wir müssen Doppel-Behandlungen und den oft unbewussten Überkonsum vermeiden.

Das Sparpotenzial ist hoch. Es geht darum, die Verantwortung der Leute und ihre bisweilen sehr lasche Einstellung gegenüber medizinischen Ausgaben zu ändern. Wir wollen dieses Sparpotenzial definieren, und wir glauben, dass wir über diesen Weg etwa ein Viertel des Defizits abbauen können!

Unter dem Strich aber blieben immer noch 75 Millionen Euro Defizit. Man muss sich überlegen, was man von den Versicherten verlangen kann. Ich will nicht vor den Wagen springen, aber ich glaube, dass wir an eine Anpassung der Beiträge nicht vorbei kommen werden. Wir wollen diese Beitragserhöhung aber so niedrig halten wie möglich.

So niedrig wie möglich – was heißt das konkret?

Mars Di Bartolomeo: Das weiß ich noch nicht. Wenn ausschließlich Beitragserhöhungen ins Auge gefasst würden, um das Krankenkassendefizit zu decken, müssten die Beiträge um 0,5 Prozent hochgeschraubt werden -für die Arbeitnehmer und die Arbeitgeben also um jeweils 0,25 Prozent. Dazu soll es aber nicht kommen. Erst wenn das ganze Sparpotenzial ausgereizt ist, wird über eine Erhöhung entschieden.

Ich will unterstreichen, dass Krankenkassen kein Selbstzweck sind, sondern die Aufgabe haben, unsere Gesundheit zu finanzieren. Gesundheit wird aber nicht billiger, wie auch immer wir uns anlegen: medizinischer Fortschritt, notwendige Modernisierung, längere Lebenserwartung, komplexe Krankheiten – dies alles wird die Kosten dynamisch steigern.

Die Grunddiskussion kreist um die Frage nach dem "Nützlichen" und dem "Notwendigen" in der medizinischen Versorgung. Jetzt soll eine Expertengruppe dies definieren. Wie lange soll das dauern?

Mars Di Bartolomeo: Im Februar/März 2005 wird u.a. deswegen eine neue Quadripartite stattfinden. Das ist neu: Wir treffen uns künftig nicht nur, wenn Geld fehlt und wir die Feuerwehr spielen müssen, sondern auch, um nachzudenken. Der unabhängige wissenschaftliche Beirat soll über die Erfahrungen aus dem Ausland definieren, was in der medizinischen Versorgung notwendig ist und für welchen Preis man die beste Qualität bekommt. Es gibt einen großen Handlungsspielraum: Das Teuerste ist nicht immer das Beste und das Billigste ist nicht immer das Schlechteste. Es geht darum, den richtigen Mix zu finden, zu definieren, was bei welcher Pathologie angebracht ist.

Täglich geben Luxemburger im Ausland viel Geld für alternative Medizin und Behandlungsmethoden aus. Stichwort Homöopathie. Wollen Sie alternative Behandlungsmethoden fördern?

Mars Di Bartolomeo: Fördern ist nicht das Gleiche wie anerkennen. Ich denke, dass wir eine gute Debatte in der Abgeordnetenkammer hatten, wo nicht mehr von alternativer, sondern von komplementärer Medizin die Rede ging. Ich werde versuchen – falls das Programm der Abgeordnetenkammer dies noch gestattet -, die Rückerstattung für homöopathische Mittel noch in diesem Jahr wieder einzuführen. Kurzfristig wollen wir auch eine Reihe komplementärer Disziplinen wie Homöopathie, Akupunktur oder Osteopathie anerkennen. Die komplementäre Medizin soll die klassische Medizin nicht ersetzen, sondern ergänzen.

Minister für Gesundheit uns soziale Sicherheit – sind das Traumressorts?

Mars Di Bartolomeo: In der Zwischenzeit sind sie zu Traumressorts geworden. Ich verheimliche nicht, dass ich ein anderes Traumressort hatte, und zwar den Wohnungsbau. Wegen meiner früheren Tätigkeit hätte mich auch das Innenministerium interessiert. Doch seit ich Minister für Gesundheit und soziale Sicherheit bin, empfinde ich viel Freude bei meiner Arbeit. Es sind schwierige Bereiche... Aber gibt es etwas Nobleres als mit einem ganzen Team für eine bessere Gesundheit zu kämpfen und sich genau so engagiert dafür einzusetzen, dass die finanziellen Mittel dazu vorhanden sind?

Waren Wohnungsbau und Innenpolitik in den Koalitionsverhandlungen überhaupt eine rote Option?

Mars Di Bartolomeo: Der Wohnungsbau schon. Auch das Innenministerium war in der Diskussion. Doch ich weine keinem Ressort nach, ich glaube, dass ich jetzt für die richtigen Ministerien zuständig bin.

Wer mit den Verwaltungen der Krankenkassen und der sozialen Sicherheit zu tun hat, stöhnt über unendlich lange Wartezeiten, auch am Telefon. Sind diese Verwaltungen chronisch unterbesetzt?

Mars Di Bartolomeo: Ich bin seit zwei Monaten im Amt, und wir mussten uns während dieser Zeit hauptsächlich dem Defizit der Krankenkassen widmen. Ich habe mich aber auch in andere Akten hineingebissen – und zu den Prioritäten gehören die Verwaltungen. Die "Securite sociale" ist ein riesiger staatlicher Apparat – einer der kostenintensivsten überhaupt. Hier arbeiten viele und viele motivierte Leute, doch das riesige Arbeitsaufkommen sorgt für Staus. Wir müssen alles tun, damit es nicht zu solchen Staus kommt, und dass wir eine kundenfreundliche, service-orientierte Verwaltung bekommen.

In dieser Legislaturperiode werden Sie das neue Reha-Zentrum auf dem Kirchberg einweihen. Dieses sollte aber ursprünglich in Düdelingen entstehen. Als Bürgermeister stiegen Sie auf die Barrikaden – müssen Sie jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen?

Mars Di Bartolomeo: Das mache ich nie. Ich gehöre zu jenen, denen man im Gesicht abliest, was sie denken, wie sie drauf sind und wie sie reagieren. Bei mir gibt es keine Miene zum bösen Spiel. Ich haben das Lego-Spiel um das Reha-Zentrum in schlechter Erinnerung, doch mir geht es jetzt hauptsächlich darum, dieses Zentrum möglichst schnell fertig zu stellen. Ich bin nicht auf Rache aus, und ich werde als ehemaliger Düdelinger Bürgermeister jetzt nicht damit beginnen, wieder etwas in Frage zu stellen.

Es gibt Gerechtigkeit im Leben: Es war mir nicht vergönnt, das Reha-Zentrum als Bürgermeister einzuweihen, jetzt aber darf ich die Einweihung als Gesundheitsminister vornehmen. Allerdings mit großer Verspätung, und in Düdelingen wäre das Zentrum billiger geworden...

Stimmt es, dass Sie und Alex Bodry sich kurz vor dem tragischen Tod von Marc Zanussi darauf geeinigt hatten, jeweils einen Ministerposten zu übernehmen?

Mars Di Bartolomeo: Wenn wir Marc Zanussi nicht verloren hätten, wäre dies eine realistische Option gewesen. Marc wäre in dem Fall Bürgermeister geworden, ein sehr guter Bürgermeister... Die Entscheidung, wer Minister und wer Bürgermeister wurde, fiel nicht in Verhandlungen, sondern aufgrund der Ressortverteilung innerhalb der Koalition. Alex wäre Minister geworden, wenn Bereiche herausgesprungen wären, die ihm besser liegen. Es kam halt anders...

Die Art und Weise, wie wir beide mit dieser völlig unerwarteten Situation umgegangen sind, gehört zu meinen ganz positiven Lebenserfahrungen. Doch den Verlust von Marc Zanussi habe ich noch immer nicht überwunden. Er ist auch nicht zu überwinden

Dernière mise à jour