François Biltgen: Wir können nicht alle Wünsche befriedigen. Interview avec le ministre de la Culture, de l'Enseignement supérieur et de la Recherche au sujet de l'Université du Luxembourg

Tageblatt: Was haben Sie sich für ihr erstes Jahr als Hochschulminister vorgenommen? Welche Prioritäten werden Sie setzen?

Francois Biltgen: Die Priorität ist ganz klar. Die Universität muss in diesem Jahr richtig auf die Beine kommen, damit es ab Oktober 2005 richtig losgehen und die Uni ihren eigentlichen Rhythmus finden kann. Dies setzt zwei wichtige Entscheidungen voraus. Wir müssen und werden einen Rektor finden, damit der Aufbau - 'Conseil de gouvernance', Rektorat und Fakultäten - definitiv steht, aber auch weil dem Rektor laut Universitätsgesetz u.a. die wichtige Funktion eines Impulsgebers zukommt. Die zweite Entscheidung betrifft den Vierjahresplan. Klar scheint mir, dass der Universitätsaufbau Schritt für Schritt erfolgen muss. Wir ziehen es vor, lieber weniger, aber dies gut zu tun. Deshalb brauchen wir Visionen, die auch von der Universität ausgehen müssen und zur Diskussion gestellt werden. Wir haben uns vorgenommen, all dies Ende 2004, Anfang 2005 zu bewerkstelligen, damit die aktuelle Unsicherheitsperiode ein Ende findet.

Nach dem Tod des ersten Universitätsrektors Francois Tavenas scheint der neuen Luxemburger Universität ein wenig die Luft auszugehen. LSAP-Fraktionschef Ben Fayot hat in diesem Zusammenhang sogar von einem notwenigen Rettungsversuch gesprochen. "Wir müssen die Uni retten; wenn nicht schnell etwas geschieht, geht das Projekt den Bach runter." Was muss in ihren Augen passieren, damit das Luxemburger Hochschulprojekt neuen Auftrieb bekommt?

Um zu erfahren, was Herr Fayot damit hat sagen wollen, müssen Sie ihn schon selber fragen. Ben Fayot teilt wohl nicht immer meine Ansichten, er setzt sich aber resolut dafür ein, dass das Projekt auf die Beine kommt. Sicherlich muss die Politik die Universität zu Beginn noch etwas an die Hand nehmen. Als Regierung haben wir nach wie vor eine Verantwortung. Doch allmählich muss die Uni vieles selber tun. Die Struktur muss eigenständig funktionieren. Bisher haben wir noch nicht viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Das werden wir demnächst verstärkt tun. Zusammen mit Vertretern von Universität (inklusive Studenten), Wirtschaft, Zivilgesellschaft und anderen Akteuren werden wir im Januar über den Vierjahresplan diskutieren.

Das heißt für die Zukunft aber auch, dass wir für 2005 einen Haushalt aufstellen werden, der keine Hypothek darstellt. Wir werden konsolidieren. Derzeit sind 136 Angestellte an der Uni beschäftigt, hinzu kommen Teilzeitkräfte. Die Universität ist jetzt bereits ein kleiner Betrieb. Wir brauchen einerseits Konsolidierung; andererseits müssen die großen Weichen für künftige Entwicklungen gestellt werden.

Offenkundig ist, dass wir eine Forschungsuniversität wollen, die sich von oben nach unten dekliniert (top-down). Wir wollen kleine Bereiche abdecken und dort hervorragende, international anerkannte Qualität anstreben. Das geht nicht von heute auf morgen. Das setzt Entscheidungen voraus. Wir können nicht alles anbieten.

Darüber hinaus werden wir die früheren Institute ISERP, IST und lEES weiterlaufen lassen und diesbezügliche Reformen durchführen. Doch hier ist das Hochschulministerium nicht allein verantwortlich. Nehmen wir z.B. die Lehrerausbildung. Hier geht es um ein Berufsbild, das weder von der Universität noch vom Hochschulministerium festgelegt werden kann. Das ist Aufgabe des Arbeitgebers, in diesem Fall des Unterrichtsministeriums, welches das Profil des Lehrers festlegen muss, der ab Oktober 2005 ausgebildet werden soll. Gleiches gilt bspw. für Ingenieure und Sozialarbeiter. In diesen Fällen müssen die betroffenen Wirtschaftszweige sagen, was sie brauchen. In diesem Sinne hat auch die Trennung zwischen Unterrichts- und Hochschulministerium ihre Berechtigung.

Kommen wir zurück zur "Université du Luxembourq" und ihrer Struktur. In Universitätskreisen wird befürchtet, dass das Gewicht des "Conseil de gouvernance" zu schwer wiegen und sich negativ auf die Autonomie der Universität auswirken könnte. Teilen Sie diese Bedenken?

Überall gibt es eine 'balance of power'. Das trifft auch auf die Uni zu, wo sich im Laufe der Zeit ein Gleichgewicht einstellen wird. Selbstverständlich versuchen die Fakultäten, mehr Gewicht zu bekommen. Das Gleiche gilt für die anderen Akteure. Erstens denken wir, und da sind wir mit Ben Fayot einer Meinung, dass wir das Gesetz nicht ändern, sondern mit Leben füllen sollten. Ich denke auch, dass es während der Zeit, wo kein Rektor da war, gut gewesen ist, dass ein 'Conseil de gouvernance' da war und gearbeitet hat.

Natürlich ist der Verwaltungsrat nicht da, um zu bestimmen, welche Klinke auf welche Tür kommt. Er muss die Leitlinien festlegen. Gleichzeitig brauchen wir Impulse von unten.

Welche Schwerpunkte soll die Universität setzen?

In den Bereichen Finanzverwaltung, Gemeinschaftsrecht, Informatik und Landesplanung müssen Akzente gesetzt werden. Daneben brauchen wir ein Projekt in den Geisteswissenschaften. Im Regierungsprogramm wurde der Bereich Identität, Immigration und Emigration zurückbehalten, da wir glauben, dass es neben den wirtschaftlichen Impulsen wichtig ist, die sozialen Aspekte nicht zu vergessen.

Wenn wir die Luxemburger Geschichte des 20 Jh. betrachten, stellen wir fest, dass an wirtschaftlichen Entwicklungen und Revolutionen immer soziale Fragen dranhängen. Auch in diesem Bereich gibt es in Luxemburg Kompetenzen und möglicherweise die notwendige 'kritische Masse' die größere Forschungsaufgaben erlauben. Das sind meines Erachtens die großen Richtungen, die im Rahmen der Diskussionen über den Vierjahresplan erörtert werden müssen. Ich will es noch einmal sagen, wir müssen Entscheidungen treffen und können nicht alle Wünsche befriedigen, und schon gar nicht auf einmal.

Ich möchte noch einmal auf die von Ihnen genannten Leitlinien zurückkommen. Ist es für das Land nicht auch wesentlich, die Forschung im Bereich der Erziehungswissenschaften voranzutreiben?

Zum jetzigen Zeitpunkt will ich in diesem Zusammenhang vorsichtig sein. Was Erziehung angeht, haben wir vorrangige Aufgaben. Das Berufsbild muss, wie gesagt, neu definiert werden, da die ehemalige ISERPAusbildung nicht mehr zeitgemäß ist. In Luxemburg haben wir es bisher immer fertig gebracht, einen Schritt nach dem anderen zu tun. Am Anfang steht für mich klar die Reform der Lehrerausbildung. Wenn wir diesen Schritt schaffen, haben wir bereits viel erreicht. Das Gleiche gilt für das Berufsbild des 'éducateur gradué'. Hier soll die neue Ausbildung ab 2006 anlaufen. Was danach kommt, werden wir dann sehen. Den größten Fehler, den wir zum jetzigen Zeitpunkt machen könnten, wäre, die Universität durch zu viele Aufgaben zu überfordern.

Wo liegt aus Ihrer Sicht das Hauptproblem der UdL?

Das größte Problem der Universität ist derzeit die Unsicherheit, in der sie sich bewegt und die zudem durch kursierende Meinungen geschürt wird, denen zufolge die Universität unerwünscht sei oder im Gegensatz universell sein sollte. Die Bewältigung dieser Aufgabe liegt bei der Regierung, sie muss und wird die letzten Weichen stellen. In diesem Sinn habe ich auch den Appell von Ben Fayot verstanden.

Die Unsicherheit rührt entschieden daher, dass die Universität lange Zeit keinen Rektor hatte. Ist mit dem neuen UdL-Rektor Rolf Tarrach nun das Strategieproblem gelöst?

Wir sind dabei ... und guter Hoffnung. Wir gehen davon aus, dass diese Frage Ende dieses bzw. Anfang nächsten Jahres geklärt sein wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Eine falsche Entscheidung dürfen wir uns nicht leisten. Mittlerweile wurde wie gesagt ein Rektor gefunden, der ab 2005 die Universität leiten kann. Es ist ja auch so, dass der 'Conseil de gouvernance' diesmal den Rektor vorschlägt. Bei François Tavenas war es die Regierung. Klar ist auch, dass beide an einem Strang ziehen müssen.

Herr Biltgen, was erwarten Sie konkret vom neuen Rektor?

Wir erwarten, dass der neue Rektor erstens die notwendigen inhaltlichen Impulse gibt, um einen kohärenten und qualitätsorientierten Vierjahresplan festzulegen, der die Uni Luxemburg zu einem echten 'centre d'excellence' macht. Zweitens soll er die interne Kommunikation und den Zusammenhalt zwischen allen Akteuren fördern und inspirieren. Nur Zusammenhalt macht die Uni stark. Darüber hinaus erwarten wir von Herrn Tarrach, dass er die Universität fest in Luxemburg verankert, und sie gleichzeitig zu einem internationalen Anziehungspunkt macht.

Bleiben wir bei der Luxemburger Universität und ihren Diplomen. Warum hat die UdL bisweilen noch Schwierigkeiten, Diplome auszustellen?

Das sind Kinderkrankheiten der Universität. Alle bekannten Fälle sind inzwischen dabei, unterschiedlich gelöst zu werden. Wir können nicht, weil es kleine Probleme gibt, eine große Reglementierung verfassen. Es gibt noch andere Probleme, die man nicht überbewerten sollte. Wenn immer jedes Detail mit dem Vorwand hochgespielt wird, die Universität funktioniert sowieso nicht, dann verlieren die Betroffenen allmählich den Glauben an ihre eigene Mission. Eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung ist es daher, den Betroffenen das Vertrauen zu geben, dass das Projekt ernsthaft vorangetrieben wird.

Was halten Sie von der Einführung von Studiengebühren?

Studiengebühren sind im Gesetz vorgesehen. Das ist eine der Fragen, die die Uni selbst lösen muss. Prinzipiell bin ich nicht gegen Studiengebühren. Wir verfügen ja über ein System von Studienbeihilfen, die auch z.T. ausländischen Hochschülern zur Verfügung stehen. Das eine sollte man nicht ohne das andere sehen. Die Politik hat das Prinzip Studiengebühren festgehalten. Bei der Uni liegt nun die Auslegung dieses Prinzips. Aus diesem Bereich sollte sich die Politik heraushalten.

Eine andere wichtige Hochschulfrage dürfte das Studentenstatut sein. Nach wie vor dürfen Hochschüler in Luxemburg nicht länger als zwei Monate pro Jahr arbeiten. Insbesondere Studenten aus Drittstaaten stehen durch diese Regelung bisweilen vor finanziellen Schwierigkeiten. Wann wird das Statut geregelt?

Da wird zweierlei miteinander vermischt. Was ich unter Studentenstatut verstehe, ist wie im Ausland üblich eine Art Charta, die auf informelle Weise die Rechte und Pflichten der Hochschüler und das Zusammenleben an der Uni beschreibt. Das ist Aufgabe der Uni. Das andere hat nichts mit dem Studentenstatut, sondern mit der Arbeitsgenehmigung zu tun. Ich erkläre mich. Fälschlicherweise herrscht die Meinung vor, dass Studenten nicht arbeiten dürften. Das kommt daher, dass zwei Dinge miteinander vermischt wurden: zum einen die Ausstellung von Arbeitsgenehmigungen an Studenten aus Drittstaaten und andererseits das Studentenarbeitsgesetz, das mit Studenten im eigentlichen Sinne des Wortes nichts zu tun hat. Das Studentenarbeitsgesetz wurde 1982 geschaffen, um Sekundarschüler vor Ausbeutung zu schützen. Das hat nichts mit großjährigen Universitätsstudenten zu tun. Als Hochschüler kann man selbstverständlich nebenbei arbeiten, sofern sich das mit dem Studium vereinbaren lässt. Selbstverständlich müssen Studenten - und darauf bestehe ich als Arbeitsminister - volltariflich entlohnt werden. Eine Ausnahme bilden jene Studenten, die nicht aus EU-Mitgliedstaaten stammen. Sie benötigen eine Arbeitsgenehmigung. Bisher sind wir im Arbeitsministerium davon ausgegangen, dass Studenten aus Drittstaaten nur während zwei Monaten in den Sommerferien arbeiten können sollten. Von daher rührt das Missverständnis. Sofern die Studenten auch im darauf folgenden Jahr an der Uni eingeschrieben waren, haben sie eine Arbeitserlaubnis bekommen. Hier wird ohnehin eine neue EU-Richtlinie kommen, die den Zugang von Hochschülern zum Arbeitsmarkt regeln wird. Eine Sorge bleibt dennoch: Wir wollen nicht, dass die Universität ein billiger Eingang zum Arbeitsplatz wird. In der Vergangenheit wurden Schulen benutzt, um über diesen Weg auf den Arbeitsmarkt zu gelangen, ohne dass ernsthafte Studien angestrebt wurden. Es ist auch im Interesse der Universität, dass das so nicht läuft. Dieses Problem muss die Politik lösen.

In Sachen Schülerorientierung scheint es im Hinblick auf Hochschulstudien Informationsbedarf zu geben. Eine Tageblatt-Schülerbefragung hat kürzlich ergeben, dass längst nicht alle Jugendlichen trotz "Foire de l'étudiant" wissen, was das CEDIES ist. Wie gedenken Sie diese Informationslücke zu schließen?

Inzwischen ist auch hier vieles passiert, was nicht direkt mit dem Hochschulministerium zu tun hat. Das Unterrichtsministerium hat bereits diesbezügliche Schritte unternommen. Es haben auch schon eine Reihe von Gesprächen zwischen beiden Ministerien stattgefunden. Bekanntlich wollen wir auch bei der Berufsausbildung, wie im Regierungsprogramm angekündigt, eine Reform durchführen. Sie können davon ausgehen, dass ich als Arbeitsminister nicht nur möchte, dass Studenten mehr über mögliche Studien, sondern darüber hinaus auch mehr über Berufe und ihre Perspektiven erfahren. Hier sehen wir Handlungsbedarf.

Auch die Universität hat in Sachen Studenteninformation eine Rolle zu spielen. Beabsichtigt ist die Schaffung eines 'guichet unique', als umfassende Anlaufstelle für Studenten. Was das CEDIES angeht, werden wir nicht müde, verfügbare Informationen weiterzureichen, vor allem 'online'. Wenn ich mich an meine eigene Studienzeit erinnere, muss ich feststellen, dass sich in Sachen Information inzwischen vieles getan hat. Damit will ich nicht sagen, dass derzeit alles optimal läuft. Es bleibt auch weiterhin vieles zu tun.

Das Studententreffen REEL 2004 steht vor der Tür. Welchen Stellenwert räumen Sie derartigen Veranstaltungen ein?

Die REEL wird von den Studenten organisiert, nicht von uns. Wir veranstalten die 'Foire de l'étudiant'. Beides ist gut und komplementär. So wird beiden Blickwinkeln Rechnung getragen. Ich werde der REEL in Lausanne beiwohnen. Die Kontakte mit dem Studentendachverband ACEL werden wir auch weiterhin pflegen. Für uns ist die ACEL ein Multiplikator in der Hochschülerschaft. Wenn wir mit deren Komitee bereits im Vorfeld einiges klarstellen, wird das auch unter den Studenten an den Uni-Standorten erörtert.

Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen Hochschulminister Francois Biltgen und Staatssekretärin Octavie Modert intern aus?

Derzeit ist es noch so, dass wir alles zusammen machen. Das hat verschiedene Gründe. Wir wollen uns beide gemeinsam einarbeiten und Entscheidungen in uns heranreifen lassen. Was die alltägliche Arbeit angeht, werden wir nach und nach auch Arbeiten aufteilen. Wir wollen aber nicht, dass einer allein für Kultur, der andere für Hochschulen zuständig ist. Jeder sollte den anderen ersetzen können. In allen Bereichen muss bisweilen schnell entschieden werden, sodass wir alle wichtigen politischen Entscheidungen gemeinsam treffen können.

Dernière mise à jour