Europa braucht eine Stimme. Interview avec le ministre des Affaires étrangères et de l'Immigration, Jean Asselborn

Luxemburger Wort: Herr Minister, Sie sind nun seit drei Monaten im Amt. Können Sie uns sagen, was sich mit der neuen Koalition und Ihrem Wechsel an die Spitze der Diplomatie denn nun eigentlich in der Luxemburger Außenpolitik geändert hat.

Jean Asselborn: Nun, Luxemburg ist kein Land, das seine großen außenpolitischen Linien je nach den bestehenden politischen Konstellationen wechselt. Unsere Stärke und unsere Zukunft liegt zweifellos in der außen- und europapolitischen Kontinuität. Das dabei vorherrschende Prinzip bleibt die Überzeugung der Richtigkeit des Multilateralismus sowie des Respekts des internationalen Rechts. Internationale Konflikte kann man mit militärischer Macht oder mit den Mitteln der Diplomatie lösen. Wir bleiben von der Richtigkeit der zweiten Lösung überzeugt. Die Komplexität einer der wohl schwierigsten Konflikte unserer Zeit, nämlich jener zwischen Israel und Palästina, beweist zur Genüge, dass man nur auf die Intelligenz der Diplomatie setzen kann, um Fortschritte zu erzielen. Übrigens liegt der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme in dem Nahost-Konflikt. Diplomatie ist auch dort das A und 0 des Erfolgs.

Diplomatie, die man in Europa aber oft unter unterschiedlichen Voraussetzungen führt. Denn in der EU spricht man ja längst nicht immer mit einer Stimme.

Jean Asselborn: Das ist leider richtig. Europa muss zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik finden und ist sich auch, davon bin ich überzeugt, dieser Notwendigkeit vollauf bewusst. Und man muss sagen, dass z. B. in der Frage des Mittleren Ostens, Europa diesbezüglich auch schon zu einer größeren Kohäsion gefunden hat. Im Rahmen der bevorstehenden Luxemburger EU-Präsidentschaft werden wir natürlich auch auf dem Gebiet der Definierung gemeinsamer außen- und sicherheitspolitischer Konzepte gefordert sein. Die Neubelebung des transatlantischen Dialogs wird dabei ebenfalls unsere besondere Aufmerksamkeit gelten.

Nun liegen natürlich, in Anbetracht seiner Dimensionen, Luxemburgs Grenzen gerade auf dem Gebiet der Außenpolitik auf der Hand. Wie ernst wird Luxemburg eigentlich im internationalen Doalig genommen und wo liegen seine Stärken auf diesem Gebiet?

Jean Asselbnorn: Ich bin in den 75 Tagen, die ich bisher im Amt bin, mit 55 Außenministern, darunter jene aus den USA, Russland, China oder Japan, zusammengetroffen und bin über 40 000 Kilometer gereist. Dabei habe ich den Eindruck bekommen, dass Luxemburg durchaus großen Respekt und Anerekennung auf der Weltbühne genießt.

Unsere Argumente sind jene des Multilateralismus und des internationalen Rechts. Dadurch dass wir keine globalen wirtschaftlichen oder geopolitischen Interessen verfolgen können, wird unser Beitrag sowohl bei der Konstruktion Europas als auch auf globaler weltpolitischer Ebene umso ernster genommen. Unser Willen, an Lösungen mitzuarbeiten, die in der Logik des internationalen Rechts stehen, wird ebenso anerkannt, wie unsere Meinung geachtet.

Bei ihrem rezenten Besuch in Luxemburg hat die französische Europaministerin Claudie Haigneré betont, dass Frankreich sich von der luxemburgischen EU-Präsidentschaft eine neue politische Dynamik, u. a. in der Frage der europäischen Verfassung, erhofft. Der Erwartungsdruck ist groß.

Jean Asselborn: Jaja. Dabei muss man wissen, dass für die Zeit der Luxemburger EU-Präsidentschaft unser Außenministerium über 300 Angestellte verfügen wird. Zum Vergleich dazu, im deutschen Außenministerium in Berlin sind es 11 000. Was die künftige europäische Verfassung anbelangt, so gilt es nun die richtigen Zeichen zu setzten. Unabhängig von jeden innenpolitischen Erwägungen muss man wissen, dass nun die Ecksteine für die nächsten 50 Jahre in Europa gesetzt werden. Ich glaube, dass Luxemburg auch in dieser Hinsicht, aufgrund seiner nur bedingten Interessenlage, z. B. bei den langfristigen finanzpolitischen Perspektiven für den Zeitraum 2007 bis 2013, gut plaziert ist, um allseits akzeptable Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Politik der kleinen

Stichwort Waffenexporte aus Europa. Bei dem letzten EU-Außenministertreffen in Luxemburg, hat die Gemeinschaft das Waffenembargo gegen Libyen aufgehoben. Sie zögert offensichtlich noch, das ebenfalls gegen die Volksrepublik China verhängte Waffenembargo ebenfalls aufzuheben. Dabei hat Libyen zuletzt guten Willen gezeigt, China hat in puncto Menschenrechte und Demokratie aber noch so manchen Nachholbedarf. Welche Position hat Luxemburg in dieser Frage?

Jean Asselborn: Libyen hat in den letzten Jahren Anstrengungen gemacht, die einen solchen Schritt rechtfertigen. Die Diplomatie hat sich demnach bewährt. Und das ist auch im Interesse der Menschenrechte.

Nun zu China. Die Volksrepublik möchte nicht länger als Schurkenstaat behandelt werden. Das ist die Grundhaltung der chinesischen Seite, wie mir Pekings Außenminister bei nicht weniger als drei Begegnungen erläuterte. An uns, also der EU, ist es, weiter auf die Menschenrechte zu pochen. Wir warten auf Zeichen aus China, dass Fortschritte gemacht werden. Das spielt eine wesentliche Rolle bei der Abwägung der Embargo-Frage. Besonders wichtig ist es, wie im Falle Libyen, der Diplomatie eine Chance zu geben. Diplomatie, das ist Fortschritt in kleinen Schritten.

Wobei auf China bezogen – und auch auf Libyen – Wirtschaftsinteressen im mancherlei Hinsicht ausschlaggebend sein dürften...

Jean Asselborn: Da haben Sie recht, aber wir dürfen niemals die Menschenrechtsfrage vernachlässigen. Und damit es hier zu positiven Resultaten kommt, bedarf es eben der Politik der kleinen Schritte.

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