Jean-Claude Juncker au sujet des discussions d'adhésion de la Turquie à l'UE

Beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs steht ein Land im Mittelpunkt, das (noch) nicht dazu gehört: die Türkei. Herr Premierminister, wenn nicht alles täuscht, werden die EU-Staats- und Regierungschefs die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschließen. Werden Sie im Namen Luxemburgs zustimmen?

Wir sind der Auffassung, dass die Türkei erhebliche Demokratiefortschritte gemacht hat. Vieles bleibt noch in der Türkei zu leisten aber wir sind der Meinung, dass es ein verheerender politischer Fehler wäre, der Türkei jetzt nach 40 Jahre anhaltenden Versprechungen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu verweigern. Im Beschluss der Staats- und Regierungschefs muss jedoch klargestellt werden, dass die Verhandlungen mit der Türkei, die auf eine Vollmitgliedschaft abzielen, nicht notwendigerweise zu dieser Vollmitgliedschaft führen müssen. Es gibt keinerlei Automatismus zwischen der Aufnahme von Beitrittsgesprächen und positivem Abschluss.

Es scheint noch nicht ganz sicher, ob Österreich und Zypern den Verhandlungen zustimmen. Rechnen Sie mit einem Veto aus diesen Ländern?

Ich habe sowohl mit Bundeskanzler Schüssel als auch mit dem zypriotischen Staatspräsidenten gesprochen. Ich gehe davon aus, dass sich die österreichischen und zypriotischen Bedenken in der Form von Spurenelementen im Rahmenbeschluss wiederfinden werden.

Falls die Verhandlungen beschlossen werden – sind Sie für die Aufnahme unter luxemburgischem EU-Vorsitz?

Ich halte es für höchstwahrscheinlich, dass die Aufnahme von Beitrittsgesprächen unter den vom Europäischen Rat festzulegenden Bedingungen erst im zweiten Halbjahr 2005 erfolgen wird.

Mit Rücksicht auf das Referendum über die europäische Verfassung in Frankreich?

Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die es für die Kommission gibt, sich und dem Europäischen Rat einen technisch abgestimmten Fahrplan an die Hand zu geben.

Ein weiteres Land, das auf einen Termin hofft, ist Kroatien. Ein Hindernis ist die nicht erfolgte Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers General Gotovina nach Den Haag. Ist dies eine Vorbedingung?

Für die luxemburgische Regierung habe ich mehrmals festgestellt, dass wir für eine Aufnahme der Verhandlungen im kommenden Frühjahr sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass die kroatische Regierung, vornehmlich ihr Premierminister, alles tun wird, um General Gotovina nach Den Haag auszuliefern. Ich halte nicht sehr viel davon, diese Notwendigkeit, die wir ein weiteres Mal unterstreichen werden, zu einer Vorbedingung von Verhandlungen in der Form zu machen, dass er erst ausgeliefert werden muss, bevor wir mit den Gesprächen beginnen.

Zu den größten Bedenkenträgern gehören die niederländische Ratspräsidentschaft und Großbritannien. Haben Sie Signale aus diesen beiden Ländern, am Freitag doch einem Termin zuzustimmen?

Ich habe ein längeres Telephonat mit Ministerpräsident Balkenende geführt und am letzten Wochenende in einem Gespräch mit dem britischen Außenminister unseren Standpunkt klargemacht.

Ein weiteres Problem könnte der für 2007 geplante Beitritt Rumäniens werden. Das Land hat seine Hausaufgaben bei der Übernahme des EU-Rechts nur ungenügend gemacht. Treten Sie für eine Entkoppelung der Beitritte Bulgariens und Rumäniens ein?

Ich möchte mich an Spekulationen nicht beteiligen. Klar ist, dass sich Bulgarien sicherlich erheblich besser auf einen EU-Beitritt im Jahr 2007 vorbereitet hat. Klar ist auch, dass es viele Regierungen in der EU gibt, die gegenüber einer Entkoppelung der Beitritte von Bulgarien und Rumänien eher negativ eingestellt sind. Aber Rumänien wird sich erheblich anstrengen müssen, selbst wenn es zu einem Abschluss der Verhandlungen und zu einem Beitritt 2007 kommt, und deutlich machen, dass es auf einem eindeutig erkennbaren Weg in Richtung Übernahme des gesamten "acquis communautaire" bleibt. Hier ist ein stärkeres Monitoring- und Überwachungskonzept angesagt seitens der Kommission und des Rats.

Die EU-Kommission hat am Dienstag beschlossen, das Defizitverfahren gegen Frankreich und Deutschland ruhen zu lassen. Bedeutet dies nicht letztendlich, dass es im ersten Halbjahr 2005 zu einer Revision des Euro-Stabilitätspakts kommen muss?

Ich habe diese Entscheidung in Einzelgeprächen mit vorbereitet. Es wird unter luxemburgischem Vorsitz, voraussichtlich auf dem März-Gipfel 2005 zu einer Novellierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts kommen, die sicherstellt, dass es bei wirtschaftlicher Hochkonjunktur mehr Stabilität geben wird. Und eine ökonomisch besser vertretbare budgetäre Kursänderung bei wirtschaftlicher Flaute.

Das bedeutet doch praktisch das Aus für die Defizitgrenze von drei Prozent?

Es wird keine Veränderung der Basiskriterien von drei Prozent Haushaltsverschuldung und 60 Prozent Staatsverschuldung geben. Die Novellierung wird sich innerhalb dieses vom Vertrag vorgegebenen Rahmens bewegen müssen.

Aber Sanktionen wegen Verstößen wird es nicht geben?

Es wird keinen luxemburgischen Vorschlag geben, der den Sanktionsmechanismus, der im Vertrag und im Stabilitätspakt festgelegt wurde, aushebeln würde. Es geht um eine ökonomisch sinnvollere Anwendung des Stabilitätspakts bei wirtschaftlichem Abschwung.

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