Le ministre des Affaires étrangères, Jean Asselborn, au sujet des relations transatlantiques

Wolf von Leipzig: Gibt es bloß eine atmosphärische Verbesserung im transatlantischen Verhältnis, die Bereitschaft wieder eng zusammenzuarbeiten, oder bestehen auch wieder Übereinstimmungen inhaltlicher Art?

Jean Asselborn: Was den Nahen Osten, Iran und den Balkan anbelangt, so sind wir uns einig. Beim Irak sind wir uns jetzt auch einig: So organisieren wir zusammen, eventuell in Brüssel, eine Irak-Konferenz. In allem, was die Koordination zur Wiederherstellung eines Rechtsstaates im Irak angeht, immer unter UN-Ägide, sind wir uns einig – und nicht allein hinsichtlich der Ziele, sondern auch in den Mitteln. In einigen anderen Fragen stimmen wir allerdings nicht überein. Aber allein bringen weder die Amerikaner noch die Europäer etwas zustande.

Ein Thema, bei dem wir übereinstimmen, ist das Kosovo. Zwei Dinge haben wir festgehalten: Erstens: es gibt keine Rückkehr zur Lage vor Juni 1991, d.h. das Kosovo kann nicht einfach wieder eine serbische Provinz werden. Zweitens: Entweder es geht weiter, oder wir fallen runter vom "Rad". Stehen bleiben bedeutet umfallen. Deshalb können wir im Jahr 2005, wenn wir von (Menschenrechts)-Standards sprechen, nicht immer wiederholen: "Standards before Status". Da wartet etwas auf uns, was wir anpacken müssen.

Zuerst müssen wir jetzt die UN-Bewertung im Mai-Juni-Juli abwarten. Wenn ich von Standards im Kosovo rede, meine ich: Wie geht die Mehrheit der Menschen mit der Minderheit um? Wie geht sie mit den Flüchtlingen um? Das Problem ist, dass in der Regierung in Belgrad nicht die gleiche Musik gespielt wird. (Präsident) Vojislav Kostunica und (Außenminister) Vuc Draskovic stimmen nicht überein. Doch im Herbst müssen wir den Stier bei den Hörnern nehmen, was das Statut (des Kosovos) angeht. Kompliziert wird nicht nur das Kosovo, sondern auch Albanien und Mazedonien. Und was passiert in Belgrad? Belgrad wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 2006 in einem Referendum von Montenegro trennen. Diese Möglichkeit ist auch so in den Belgrader Verträgen vorgesehen. Aber wir dürfen nicht glauben, das wir das Problem dauerhaft lösen, wenn wir nicht auch den Serben etwas anbieten. Und eine europäische Perspektive haben wir allen Ländern dort 2003 (auf dem Gipfel) in Saloniki angeboten. Denn all diese Länder gehören geographisch und kulturell in Europa. Wir müssen uns bewusst sein: Wir können nicht sagen, es kann nicht mehr wie 1991 sein, ohne nicht etwas anstatt zu bieten. Es ist nur ungeheuer kompliziert über das Statut zu reden, solange man nicht weiß, was Belgrad überhaupt will.

Wolf von Leipzig: Besteht auf Seiten der USA auch die Bereitschaft, bei nicht sicherheitsrelevanten Fragen der EU, etwa beim Klimaschutz, Aids-Bekämpfung oder den Zielen des Millenniumsgipfels, entgegenzukommen?

Jean Asselborn: Das war nun der erste Gipfel, den wir nach der zweijährigen Krise hatten. Das wichtigste ist jetzt Punkte zu finden, wo wir im Interesse von Stabilität und größerer Gerechtigkeit auf der Welt zusammenarbeiten können. Es gibt Themen, wo zwischen Europa und Amerika traditionell Differenzen bestehen – etwa beim Kioto-Protokoll.

Bevor in diesem Punkt ein Wandel in der Mentalität der Amerikaner stattfindet, müssen sie einsehen, dass es hier bergab geht. Darin unterscheiden sich die Amerikaner nicht so sehr von den Europäern. Daher ist es auch nicht an uns Europäern, den Amerikanern Lehren zu erteilen. Einer der für mich wichtigsten Punkte, an denen die Europäer arbeiten müssen, ist die Einstellung der Amerikaner gegenüber den UN zu verändern und den positiven Multilateralismus der UN hervorzustreichen. Hier liegt eine riesige Aufgabe vor den Europäern: Wenn wir sagen, dass die Europäer und Amerika dieselben Werte, auch dieselben Demokratievorstellungen, vertreten, dann müssen wir noch viel intensiver mit den Amerikanern diskutieren, damit sie dies erkennen. Amerika setzt sein Interesse immer gleich mit dem Interesse der Welt- und genauso umgekehrt. Amerikas Interessen sind ungeheuer wichtig, die Interessen Europas, ebenso wichtig, die Interessen Asiens, Russlands und anderer Länder sind genauso wichtig und deshalb haben wir dieses Gremium, das sich Vereinte Nationen nennt. Ein "Bürden-sharing" einerseits und andererseits ein "Mentalitäts-Sharing", d. h. zu wissen, wie man mit der anderen Seite umgeht, ist meiner Ansicht nach die Antwort auf diese große Frage. Wir müssen bei den Amerikanern einen Mentalitätswandel herbeiführen, sie hatten ja eine Zeit lang eine andere Mentalität. Der Cowboy-Ansatz ist falsch, er funktioniert nicht.

Wolf von Leipzig: Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat im Vorfeld des Gipfels erklärt, dass die NATO nicht mehr die zentrale Instanz im transatlantischen Verhältnis darstellt. Muss etwas am institutionellen Geflecht geändert werden?

Jean Asselborn: Zwangsläufig wird die EU zur Institution werden, in der die transatlantischen Beziehungen definiert werden. In meinen Augen hat Schröder völlig Recht. In meinen Augen wird der transatlantische Dialog im 21. Jahrhundert nicht mehr über die NATO geführt.

Die NATO ist noch immer ein wichtiges sicherheitspolitisches Mittel in diesem Dialog, aber hoffentlich nicht zu oft und immer nur, um etwas zu verhindern und nicht um etwas auszulösen. Doch für mich ist ganz klar, wenn wir einmal die Europäische Verfassung haben, wird der außenpolitische Dialog mit den USA über die EU geführt.

Wolf von Leipzig: Reichen die bestehenden institutionellen Kontakte aus, um diesen transatlantischen Dialog zu führen?

Jean Asselborn: Wir haben sehr enge Kontakte mit den Amerikanern, auch in Krisenzeiten, auf Diplomaten- und auf Beamtenebene. Ich bin schon froh, dass das Eis mit Amerika gebrochen ist, noch vor einem Jahr hätte das niemand erwartet. Und auch darüber, dass Amerika jetzt auf demselben Weg ist wie Europa und auch der Diplomatie eine Chance gibt. Das ist bereits ein großer Fortschritt. Ich sehe auch, dass sich Solidarität innerhalb der EU, zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten entwickelt. Damit schafft man es, auch die Großen (in der EU) mit im Boot zu behalten. Wenn wir eine gemeinsame europäische Linie verfolgen, dann haben wir auch eine Chance gegenüber den Amerikanern.

Wolf von Leipzig: Muss Europa nicht auch von Amerika lernen und einsehen, dass Diplomatie auch ihre Grenzen hat und nötigenfalls auch militärische Gewalt einsetzen – wie auf dem Balkan?

Jean Asselborn: Ich kann mir eigentlich keine Situation vorstellen, in der Gewalt angewandt werden muss, auch im normalen Leben nicht. Wenn aber Gewalt angewandt werden muss, kann das nur im Rahmen des internationalen Rechts geschehen. Es gibt Regeln, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der UN-Charta aufgestellt worden sind, die ganz klar definieren, was man wann machen muss. Ich weiß, es gab Ausnahmen in der Geschichte, aber diese Ausnahmen haben entweder zu einer Katastrophe geführt oder sie wurden toleriert, wie im Kosovo, wo es die Russen toleriert haben, während im Irak das geschehen ist, was wir alle wissen. Wenn Europa eine gemeinsame Außenpolitik führen will, wie es die Europäische Verfassung vorsieht, dann muss es selbstverständlich auch die Mittel besitzen, um im Rahmen der UN präventiv zu wirken, um Völkermorde, Bürgerkriege und offensichtliche Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Der Multilateralismus definiert, unter welchen Bedingungen militärische Gewalt benutzt werden darf.

Was in allen diesen Fragen wichtig ist: Sowohl bei Palästina, als auch bei Iran oder beim Balkan gibt es nur eine Möglichkeit: Die Amerikaner müssen uns ernst nehmen, und wir müssen etwas mit den Amerikanern zustande bringen, indem alle 25 (EU-Mitglieder) mit einer Stimme sprechen.

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