Jean-Marie Halsdorf au sujet de la réforme des communes

Claude Wolf: Herr Minister, Sie haben unmittelbar vor den Gemeindewahlen einen Stein ins Rollen gebracht, als Sie ankündigten, die Gemeinden grundlegend reformieren zu wollen.

Jean-Marie Halsdorf: Wir haben im dritten Jahrtausend noch die Verwaltungsstrukturen aus dem 18. Jahrhundert. Unsere Welt hat sich jedoch grundlegend verändert. Wirtschaftlich und soziologisch sieht es hierzulande nicht mehr aus, wie noch vor 25 Jahren. Da kann die Verwaltung nicht stehen bleiben.

Claude Wolf: Wie muss Luxemburg aussehen, um fit für die Zukunft zu sein?

Jean-Marie Halsdorf: Gemeinden, Kantone und Distrikte bekamen im 18. Jahrhundert ihre Aufgaben. Damit werden sie den Anforderungen der modernen Gesellschaft nicht mehr gerecht. Deshalb haben wir uns in erster Linie 1999 ein neues Landesplanungsgesetz gegeben. Daraus entstanden ist das politische Projekt IVL, das aufzeigt, wie Arbeit, Wohnen und Transport künftig gestaltet werden. Jetzt müssen wir uns in den Regionen des Landes die Mittel geben, diese Vorstellungen auch tatsächlich umzusetzen. Und das geht über eine Neuorganisation, in die übrigens auch die Großregion einbezogen wird.

Claude Wolf: Sie kommen aber bestimmt bei den Bürgermeisterkandidaten nicht gut an, wenn Sie ihnen gerade jetzt sagen, dass ihr Amt in Frage gestellt wird.

Jean-Marie Halsdorf: So schnell geht das nicht. Wir wollen niemanden gegen den Kopf stoßen. Unsere Grundidee ist ganz einfach die Verbesserung des Dienstes am Bürger, der im ganzen Land die gleichen Dienstleistungen beanspruchen darf, sie aber nicht überall bekommt. Vorschrift ist zum Beispiel, dass die Gemeinde den Schulunterricht anbietet. Dazu gehören heute jedoch auch Kantinen und Hausaufgabenhilfe. Das kriegt eine kleine Gemeinde nur schwer hin. Sie macht es auf Kosten anderer Ausgabenposten, wie Straßenbau und Kanalisation. Das wollen wir in Zukunft verhindern.

Claude Wolf:  Wie wollen Sie vorgehen? Wo setzen Sie an?

Jean-Marie Halsdorf: Bereits vor dreißig Jahren wollte einer meiner Vorgänger, Jos Wohlfart, die Gemeinden zu Fusionen überreden. Das ist ihm nicht gelungen. Als Alternative wurden Syndikate gegründet, in denen gemeinsam die Probleme gelöst wurden, die allein nicht mehr zu meistern waren. Heute sind selbst kleine Gemeinden in rund einem Dutzend solcher Syndikate. Diese sind jetzt jedoch an ihre Grenzen gestoßen.

Claude Wolf: Haben Sie mehr Überzeugungskraft als Ihr Vorgänger?

Jean-Marie Halsdorf: Ich habe andere Argumente. Die Syndikate haben sich inzwischen überlebt, weil ihre Strukturen sehr undurchsichtig sind. Hier müssen wir als Erstes eingreifen, denn wir brauchen angesichts der riesigen Mittel, die wir den Gemeinden geben, mehr Transparenz und Kontrolle. Wir haben aber auch festgestellt, dass eine funktionsfähige Gemeinde bei etwa 3.000 Einwohnern liegt. Bei dieser Größenordnung bleiben Identität und Dorfcharakter erhalten und die Dienstleistungen können weitgehend angeboten werden. Dieses Modell wurde in der Schweiz erfolgreich umgesetzt.

Claude Wolf: Wieso ist die Schweiz Modell?

Jean-Marie Halsdorf: Genau wie bei uns gibt es in der Schweiz zwei politische Entscheidungsebenen: die Gemeinden und der Kanton. Wir haben uns im Kanton Waadt informiert. Dessen Kantonalhauptort Lausanne ist vergleichbar mit unserer Hauptstadt. Yverdon, die zweite Stadt, ist etwa so groß wie Esch-Alzette. Das Hinterland ist ländlich, hat viele kleine Ortschaften. Es hat sich herausgestellt, dass die 3.000-Einwohner-Einheiten da gut funktionieren. Wenn wir das hier umsetzen, hätten wir noch rund 30 Gemeinden.

Claude Wolf: Wie wollen Sie das erreichen?

Jean-Marie Halsdorf: Es gibt zwei Möglichkeiten: Fusionen oder Gruppierungen in Gemeindegemeinschaften. Ich selbst glaube stark an die Fusion, weil sie demokratisch ist und die Entscheidungen letztendlich von den Gewählten getroffen werden. Bei den Gemeindegemeinschaften wird die Entscheidungsgewalt delegiert. Ich will aber niemanden zwingen, sondern den Gemeindevätern die Wahl überlassen. Sie müssen sich allerdings im Klaren darüber sein, dass sie in beiden Systemen einen Teil ihrer Autonomie und ihrer Entscheidungsfreiheit abgeben.

Claude Wolf: Wobei wir auf dem Weg des professionellen Bürgermeisters wären.

Jean-Marie Halsdorf: Die moderne Gemeinde ist ein Dienstleistungsbetrieb, der Mann an ihrer Spitze ein Unternehmer. Deshalb brauchen wir eine Professionalisierung der Strukturen. Darüber steht zwar in dem vorliegenden Text noch nichts, weil es erst die letzte Etappe des Reformpaketes ist, aber wir müssen die Diskussion zumindest ankurbeln.

Claude Wolf: Ihre Vorstellungen scheinen schon ziemlich klar?

Jean-Marie Halsdorf: Ich möchte jedoch schrittweise vorgehen und abwarten, was die ersten Etappen meiner Reformen hergeben. Wir haben ein Modell entwickelt, das schrittweise umgesetzt werden soll. Es wird die ganze Organisation in einer ersten Phase transparenter machen. Dann sollen die Gemeinden enger zusammenwachsen und sich regional verbinden.

Claude Wolf: Wann kommt es zu der ersten Fusion? Wann funktioniert die erste Gemeindegemeinschaft?

Jean-Marie Halsdorf: Das Konzept wird jetzt dem Parlament vorgelegt, das die verschiedenen Ideen einzeln analysieren und etappenweise umsetzen soll. Wichtig sind mir die Aspekte der Größe der Gemeinden, der Regionalisierung, der Finanzlage und der Kontrolle.

Claude Wolf: Was bedeutet das im Detail?

Jean-Marie Halsdorf: Wir nehmen den Gemeinden einen Teil ihres Eigenlebens weg, um ihre Entwicklung in ein globales Konzept zu setzen. Konkret heißt das, dass nicht länger jede Gemeinde eine eigene Gewerbezone hat, sondern es nur eine einzige Gewerbezone in der Gemeindegemeinschaft gibt und die Einnahmen dann in die gemeinsame Kasse fließen. So lernen die Gemeinden, zusammenzuleben. Das könnte nach 12 bis 18 Jahren zu einem Zusammenschmelzen, also Fusionen, führen.

Claude Wolf: Sie haben als Innenminister mit dem neuen Gesetz über die Flächennutzung schon schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Wo stehen wir heute?

Jean-Marie Halsdorf: Kurz vor einer Lösung. Die zuständige Kommission hat diese Woche getagt, um die Zusätze für eine Übergangsregelung abzusegnen. Der Staatsrat weiß auch, dass Eile geboten ist. Das Ende des Tunnels ist in Sicht.

Claude Wolf: Wie sehen die Übergangsregelungen aus?

Jean-Marie Halsdorf: Die Grundidee des Gesetzes wird grundsätzlich beibehalten. Allerdings bleiben die bestehenden Flächennutzungspläne, die es bis auf wenige Ausnahmen in allen Gemeinden gibt, in Kraft bis die neuen Pläne vorliegen. Das kann mehrere Jahre dauern. Wer jetzt ein Bauprojekt in Angriff nehmen will, muss einen Teilbebauungsplan vorlegen, der dem allgemeinen Geist des Flächennutzungsplanes entspricht. Damit bleibt die urbanistische Einheit erhalten.

Claude Wolf: Reicht das, um das Bauhandwerk zu beruhigen? Die Unternehmer haben letzte Woche einen wahren Alarm ausgelöst.

Jean-Marie Halsdorf: Ich möchte gerne wissen, wo spekuliert wird und wo die wirklichen Probleme tatsächlich anfangen. Ich kann den Betroffenen von hier aus sagen, dass sie bauen können, so lange sie die Vorgaben des allgemeinen Flächennutzungsplans respektieren. Ich kann ihnen aber auch sagen, dass sich inzwischen niemand mehr gegen die Vorgabe wehrt, diese Flächennutzungspläne von ausgewiesenen Fachleuten anfertigen zu lassen.

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